Grußwort - Dr. Sigrid Bias-Engels, Gruppenleiterin bei der bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

Sehr geehrte Frau Haeusgen, sehr geehrter Herr Rupp,
sehr geehrter Herr Fadani, sehr geehrter Herr Küppers,
sehr geehrter Herr Krüger, meine Damen und Herren,

Dr. Sigrid Bias-Engels - Grusswort bei der Maecenas-Ehrung 2015, Foto: © Dieter Lukas - Panobilder.deder Lyriker Jan Wagner hat in seinem Essayband „Die Sandale des Propheten" einmal formuliert: „Die Frage sollte nicht sein, ob es möglich ist, von der Poesie zu leben. Die Frage sollte sein, ob es möglich ist, ohne Poesie zu leben. Und nein: das ist undenkbar".

Ich bin sicher, liebe Frau Haeusgen, diese Aussage, die die Liebe zur Poesie und immense Wertschätzung verrät, werden Sie von Herzen teilen. Sie haben sich die Unterstützung der Poesie zu Ihrer Lebensaufgabe gemacht. Dafür empfangen Sie heute die Maecenas-Ehrung. Frau Kulturstaatsministerin Grütters lässt Sie ganz herzlich grüßen. Sie bedauert sehr, dass sie als ausgesprochene Freundin und Kennerin der Poesie heute terminlich verhindert ist und wünscht Ihnen und uns allen einen wunderbaren Abend.

Meine Damen und Herren,

die Bundesregierung unterstützt seit vielen Jahren den Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute (kurz: AsKI genannt), diesen handverlesenen Kreis von 36 deutschen Kunst- und Kultureinrichtungen, die in besonderem Maße die Qualität und Vielfalt des kulturellen Deutschland repräsentieren.

Das Besondere des AskI ist, dass seine Mitglieder zwar in unabhängiger, gemeinnütziger Trägerschaft verankert sind, sie stützen sich aber seit ihrer Gründung auch auf einen bedeutenden Anteil privater Förderung. Der AsKI ist daher also berufener Träger der Maecenas-Ehrung, die er seit 1989 verleiht.

Lassen Sie mich Ihnen, lieber Herr Fadani, dafür einmal stellvertretend danken. Mit der klugen Auswahl der Träger dieser Auszeichnung setzt der AsKI einen starken kulturpolitischen Akzent. Wer von Ihnen ausgewählt wird, kann mit Fug und Recht für sich in Anspruch nehmen: Er oder sie hat das kulturelle Leben in unserem Land nachhaltig geprägt und bereichert. Dank dem AsKI für all die damit verbundene Mühe!

Zwei ehemalige Maecenas-Ausgezeichnete sind übrigens heute bei uns, nämlich Herr Winterstein und Freiherr Speck von Sternburg - ich darf auch sie von meiner Seite aus sehr herzlich begrüßen. Mit ihrer Anwesenheit ist hinlänglich belegt, liebe Frau Haeusgen, dass Sie sich als Ausgezeichnete künftig in allerbester Gesellschaft befinden werden.

Meine Damen und Herren,

eben weil Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Nationen zu dieser Zeit noch in Kleinstaaten zersplittert war und erst die Revolution 1848 die Verwirklichung der Idee eines deutschen Nationalstaats aufschimmern ließ, spielte die Kultur in den vergangenen Jahrhunderten immer eine besondere Rolle. Sie war das geistige Band gerade in jenen Zeiten, in denen die staatliche Einheit noch nicht verwirklicht war. Deutschland war zuerst eine Kulturnation und dann eine politische Nation. Es war die Kultur, die Identität und Zusammenhalt stiftete, und sie ist es bis heute: Gerade ein föderaler Staat wie die Bundesrepublik Deutschland, der aktuell vor so vielen Herausforderungen steht, braucht diese kulturelle Klammer auch in der Zukunft.

Das ist zunächst einmal eine finanzielle Herausforderung für Bund, Länder und Gemeinden. Um die Freiheit der Kunst zu gewährleisten, um die künstlerische Avantgarde zu fördern und unser kulturelles Erbe zu sichern, finanziert der deutsche Staat die Kultur mit ca. 9,4 Milliarden Euro jährlich. Der Bund steuert dazu aktuell 1,34 Milliarden Euro für kulturpolitische Aufgaben von überregionaler Bedeutung bei.

Mit der Folge, dass Deutschland, das Land der Dichter und Denker, nicht zuletzt dank dieser Finanzierung nach wie vor das Land mit der höchsten Theaterdichte der Welt ist, und das gilt ebenso für die Museen, Orchester, Literaturhäuser, Archive, Bibliotheken, Festivals. Die Hälfte aller Opernhäuser weltweit steht auf deutschem Boden.

Also alles in Ordnung?

Wir alle wissen, dass dies allein nicht ausreicht: Ohne Einsatz der Zivilgesellschaft, von selbstlosen Mäzenen, Förderern oder auch Sponsoren würde vieles, was den kulturellen Reichtum unseres Landes ausmacht, entweder überhaupt nicht oder zumindest nicht so bald realisiert. Vieles wird von ihnen in Kooperation mit Partnern aus anderen gesellschaftlichen Bereichen auf den Weg gebracht. Ihr Handeln ergänzt das Handeln des Staates oder auch der Wirtschaft - mit sehr oft bemerkenswertem Ergebnis. Kurz: Dafür sind wir diesen Persönlichkeiten zutiefst verpflichtet. Großartig, was hier geleistet wird.

Dabei ist es das Privileg des Mäzens, der Mäzenin, sich das Gebiet auszusuchen, das dem eigenen Herzen nahesteht. Bei Ihnen, liebe Frau Haeusgen, ist es die Poesie, diese vielfach so vernachlässigte und unterschätzte Kunstform.

Sie haben das Lyrik Kabinett begründet, erst als Verein, dann als Stiftung. Die Arbeit dieses Hauses ermöglicht vielen Menschen einen ganz persönlichen Zugang zur Poesie und damit die Erkenntnis, dass Poesie sie über den Alltag hinweghebt, dass sie den großen Reichtum der Sprache erlebbar macht, dass sie ihr geistiges Leben bereichert, dass sie aber auch die Zugehörigkeit zu einem Sprachraum, zu einer Kulturnation zu manifestieren hilft.

Und ja, deshalb ist es entschieden sinnvoll, Gedichte auswendig zu lernen. Wie kann man daran zweifeln!

Ob Poesie, ob Malerei, ob Film, Musik, Theater oder Tanz - Kunst kann gemeinsame Sprache sein, wo unterschiedliche Begriffe sonst Missverständnisse verursachen. Kunst kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft oft ab- oder ausgrenzt. Kunst kann uns helfen, zu verstehen, was uns ausmacht, wer wir sind, als Individuen, als Deutsche, aber auch und insbesondere als Europäer. Gerade in Zeiten wie diesen ist der Beitrag der Kunst zum Verstehen und zum Verstanden-Werden unverzichtbar.

Dass Sie dies wissen, liebe Frau Haeusgen, zeigt nicht allein Ihre Unterstützung des Lyrik Kabinetts, sondern auch und besonders der Einsatz des Hauses für die kulturelle Vermittlung: Neugier zu wecken auf die eigene Kultur, auf andere Kulturen und ihre Traditionslinien, das ist gerade bei Kindern und Jugendlichen wichtig - sonst wird unser kulturelles Erbe am Ende ohne Erben dastehen. Und ohne ein Minimum an kulturellen Referenzen und humanistischen Werten werden sich gemeinschaftsstiftende Kräfte in unserem Land dauerhaft weder halten noch entfalten können.

Zu alle dem, Frau Haeusgen, tragen Sie einen wichtigen Baustein bei.

Im Namen der Kulturstaatsministerin und damit auch im Namen der Bundesregierung danke ich Ihnen für Ihr großartiges Engagement für die Poesie und damit für Ihren wichtigen Beitrag zum kulturellen Reichtum unseres Landes. Wir freuen uns über Ihre Auszeichnung. Ihr Wirken trägt entscheidend dazu bei, dass wir auf die eingangs gestellte Frage von Jan Wagner, ob es möglich sei, ohne Poesie zu leben, nur gemeinsam antworten können:

„Nein, das ist undenkbar!"

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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