Goethes gute Freundin. Amanda Kress und das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt am Main

'Wenn am Tag Zenith und Ferne/Blauin’s Ungemessene fließt', eigenhändige Reinschrift des Gedichts Goethes, 28. August 1827, Freies Deutsches Hochstift

Amanda Kress ist eine dem Freien Deutschen Hochstift seit vielen Jahrzehnten besonders eng verbundene Freundin. Ihr 1993 verstorbener Mann, Oberstudienrat Erich Kress, wurde wenige Monate nach der Zerstörung des Goethe-Hauses im August 1944 Mitglied des Freien Deutschen Hochstifts.

Nach seinem Tod rief seine Witwe 2006 die „Erich und Amanda Kress-Stiftung" ins Leben, die das Hochstift seitdem mit mehreren großzügigen Schenkungen bedachte. Welchem der weit gespannten Sammlungsschwerpunkte, – von Goethe und seinem Umkreis über die Romantik bis hin in die klassische Moderne – ihre Zuwendung zugutekommen sollte, war rasch festgeschrieben: dem Erwerb von Goetheana. In Ausnahmefällen war Amanda Kress aber auch gerne bereit, ihre Mittel für den Erwerb eines Sammlungsstücks zu Goethes romantischen Zeitgenossen zu verwenden – im Hinblick auf die bevorstehende Fertigstellung des Deutschen Romantik-Museums eine wichtige Hilfe. So gelang 2012 der Erwerb einer wiederentdeckten Handschrift des Dichters Novalis mit Entwürfen zu seinem Romanfragment „Heinrich von Afterdingen".

Für ihre besonderen Verdienste wurde Amanda Kress in der Mitgliederversammlung des Freien Deutschen Hochstifts 2011 die Ehrenmitgliedschaft verliehen, eine Auszeichnung, die vor ihr so bedeutende Freunde des Hauses wie Thomas Mann, Anton Kippenberg, Arthur von Weinberg und Albert von Metzler zuerkannt wurde.

Seit dem Erwerb von Goethes Elternhaus im Jahr 1863 widmet sich das Hochstift der Aufgabe, die verstreuten Handschriften zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen. Eine zentrale Aufgabe der Handschriftenabteilung liegt darin, den Autographenmarkt zu beobachten und sich beim Auftauchen eines wichtigen Stückes um dessen Erwerb zu bemühen. Wenn es nun darum geht, schnell zu handeln, bevor die wertvollen Stücke in privaten Sammlungen verschwinden, eröffnet die „Erich und Amanda Kress-Stiftung" dem Hochstift Handlungsspielräume, die sonst nicht zur Verfügung stünden. Dass hinter dem finanziellen Engagement der Stiftung auch eine nicht zu beziffernde ideelle Ermutigung der Hochstiftsarbeit liegt, ist mehr als eine schöne Begleiterscheinung. Ein doppelter Segen für das Haus!

Die bedeutendste Goethesammlung außerhalb Weimars konnte mit Hilfe der Stiftung um zahlreiche Schätze erweitert werden: Blätter von Goethes Hand und aus seinem unmittelbaren Umkreis aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen und ganz unterschiedlichen Zeiten. Jedes einzelne ein Schatz und eine unvergleichliche Bereicherung der Hochstiftssammlungen. Hinzu kamen Goethe-Zeichnungen und mehr als 100 Bücher aus der Bibliothek von Goethes Vater, die seit 1937 in gleichen Exemplaren rekonstruiert wird.

Wichtige Neuerwerbungen aus Mitteln der Stiftung sind unter anderen der Abschiedsbrief von Goethes Schwiegertochter Ottilie an Gustav Kühne, das Stammbuch von Cosmos Conrad Cuno mit einem Eintrag von Goethes Vater Johann Caspar Goethe, ein Brief des 25-jährigen Goethe an „Herrn Hauptmann" von Knebel in Straßburg (eine kleine Sensation, denn derart frühe Zeugnisse zur Frankfurter Zeit sind sehr selten), ein Brief des 28-Jährigen an „Herrn Herder nach Rom", Briefe an den Dichterkollegen Jean Paul, an Maria Paulowna, Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, und an Henriette Freifrau von Pogwisch, in deren literarischen Zirkeln auch Goethe zu Gast war.

Ein besonders schönes Stück ist die auf Goethes 78. Geburtstag, den 28. August 1827, datierte Reinschrift des Gedichtes „Wenn am Tag Zenith und Ferne / Blau in's Ungemessene fließt", die der Dichter eigenhändig auf ein Schmuckblatt mit handkolorierter Kupferstich-Vignette schrieb. Das Motiv zeigt einen in die Höhe fliegenden Adler, der eine Leier in den Fängen hält. Für Goethe wohl auch das poetische Symbol eines Aufschwungs, „der in allen Künsten das Erste und Letzte ist".

Dieses Blatt und 50 weitere Goethe-Handschriften aus dem umfangreichen Schatz, den das Hochstift seit nunmehr 15 Jahren mit Hilfe der „Erich und Amanda-Kress-Stiftung" erwerben konnte, war im Jahr 2015 Gegenstand von Lehrveranstaltungen des Instituts für Neuere deutsche Literatur und ihre Didaktik der Goethe-Uni­versität Frankfurt, die sich mit der Erschließung und Deutung dieser Handschriften befassten. Die Teilnehmer des Hauptseminars „Goethe sammeln und ausstellen" setzten sich eingehend mit den neu erworbenen Goetheana auseinander und wählten aus der Fülle schließlich jeweils ein Dokument aus, um es im Detail zu erforschen und dann in einer Ausstellung zu präsentieren. Mit der so entstandenen Ausstellung „Unboxing Goethe" wollte das Hochstift den beiden Stiftern, die dies ermöglicht hatten, für ihr vorbildliches mäzenatisches Engagement danken.

Beatrice Humpert |
Mitarbeiterin der Direktion, Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe-Haus
und Deutsches Romantik-Museum, Frankfurt am Main

AsKI kultur leben 1/2021

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