Gerhard-Marcks-Haus, Bremen : ... von und zu MARCKS - Form- & Gusswerkstatt für Kinder

Blick in die Ausstellung, Schüler der Klassen 3 und 4 Klassen der GTS Oslebshauser Heerstraße im Atelierhaus Roter Hahn, Foto: © VG Bildkunst, Bonn 2018 / Gerhard-Marcks-Haus, Bremen

Das Gerhard-Marcks-Haus ist ein Museum in der Stadtmitte Bremens. Neben der traditionellen Museumsarbeit hat unser Team in den letzten zehn Jahren viel Erfahrung im Bereich des „outreach" gesammelt, bei dem es darum geht, Bildung - etwa durch Angebote auch außerhalb des Museums - Personen zugänglich zu machen, die bisher aus verschiedenen Gründen nicht erreicht wurden.

Das Museum arbeitet in einem von Bildungsbenachteiligung geprägten Umfeld und möchte auf seine Umgebung reagieren. Diese Perspektive ist wichtig: Es geht uns nicht nur darum, im althergebrachten Sinne Kultur in die Außenbezirke zu bringen, sondern zu verstehen, wie wir mit unseren Ressourcen in diesem Umfeld agieren können.

Naina Pfalzgraf, 10 Jahre, mit der tragendenden sitzenden Katze von Gerhard Marcks, 1965, Bronze, © VG Bildkunst, Bonn 2018 / Gerhard-Marcks-Haus, Bremen

Unsere Überlegungen gehen dabei von der grundlegenden Überzeugung aus, dass Teilhabe an Kultur ein wichtiges Element der Bildung ist. Wer nicht teilhaben kann, wird benachteiligt. Damit ist sicher nicht behauptet, dass Menschen, die bildungsbenachteiligt sind, generell nicht in kulturelle Prozesse eingebunden sind, doch sollten Museen und andere kulturelle Einrichtungen durchdenken, wie auch der Mehrwert und die Potenz der traditionellen Kultur für „bildungsferne" Bevölkerungsgruppen genutzt werden können. Dabei ist es zuallererst nötig, die Wahrnehmung von Differenzen als der einfachsten Form der Kultur wiederzuentdecken. Neue Wahrnehmungen werden immer zu früher gespeicherten in Beziehung gesetzt; je mehr also jemand bereits wahrgenommen hat, desto individueller kann er auf neue Erfahrungen welcher Art auch immer reagieren. Zweitens muss der im traditionellen Kulturbetrieb so selbstverständliche Wechsel zwischen kontextbezogener und kontextübersteigender Betrachtung („was bedeutet es hier für mich, was bedeutete es dort und damals") als gesellschaftlicher Wert benannt werden, fördert er doch das Vermögen, die Welt anders verstehen zu können, um damit langfristig auch die Welt des Anderen verstehen zu können. Es ist aber bekannt, dass das traditionelle Format Ausstellung höchst problematisch ist, wenn es darum geht, in einem bildungsfernen Kontext Interesse für Kultur zu generieren. Das Angebot, mitmachen zu können, muss explizit gemacht und honoriert werden. Vor allem aber gilt es, diese und ähnliche Überlegungen in hantierbare Formate zu übersetzen.

Janina Roder hat für ihre Masterarbeit im Studiengang Kunst- und Kulturvermittlung an der Universität Bremen in Zusammenarbeit mit unserem Museum und dem Verein Kultur vor Ort e. V. in Bremen-Gröpelingen, dem sogenannten „bunten" Stadtteil Bremens, eine partizipative Ausstellung entwickelt. 12 Schüler der dritten und vierten Klasse der GTS Oslebshauser Heerstraße haben sich fünf Monate lang mit Werken von Gerhard Marcks beschäftigt und zeigen nun ihren Altersgenossen ihre Favoriten, ergänzt um eigene Arbeiten, die in Bronze oder Seife gegossen wurden. Der Ausstellungsort ist aber gleichzeitig Aktionsort, an dem vier Wochen lang Kinder und Erwachsene unter Anleitung Form- und Gussprozesse kennenlernen können, um die Ausstellung dann im nächsten Schritt wiederum mit eigenen Arbeiten zu ergänzen.

Fathi El Raeid, 8 Jahre mit einer Auswahl der Schülerarbeiten, © VG Bildkunst, Bonn 2018 / Gerhard-Marcks-Haus, Bremen

In der intensiven Beschäftigung der Schüler mit den Werken Gerhard Marcks' fand dabei eine explizite Kommunikation über seine Kunst statt; gerade das Zeigen und Verbalisieren der eigenen Vorlieben führte dazu, das Selbstvertrauen der Teilnehmer zu stärken – ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt der kulturellen Bildung. Die Differenz zwischen den Bronzefiguren Marcks' und den eigenen Werken der Kinder machte dabei auch abstrakte Kategorien wie „Form" besprechbar. Die Teilnehmer konnten in dem Projekt den schöpferischen Prozess von der ersten Idee über ihre Umsetzung für den Guss bis hin zum fertigen Objekt erleben, gekrönt von dem Erfolgserlebnis, die eigene Figur gleichwertig neben den wertvollen Exponaten des Gerhard-Marcks-Museums ausgestellt zu sehen. Ihre aus Seife gegossenen Skulpturen bringen zudem Farbe in die Ausstellung. So ist in unserer „Form- und Gusswerkstatt für Kinder" ein für alle Besucher anregendes, „buntes" Nebeneinander von Kunstwerken entstanden, die traditionell unterschiedlichen Sphären zugerechnet werden.

Dr. Arie Hartog
Direktor des Gerhard-Marcks-Hause

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2018

.

xxnoxx_zaehler