EDITORIAL: Bürgerhilfe

Zu den schönsten beruflichen Erlebnissen gehört eine besondere Art der Erwerbung, die spontane Schenkung. Das, was wir so hochtrabend "bürgerschaftliches Engagement" nennen, zielt im Regelfall doch wohl auf eine größere, sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Bereitschaft mitzumachen, sich einzubringen.

Doch es gibt auch den anderen, nicht planbaren Einzelfall. Dafür ein aktuelles Beispiel aus dem Goethe-Museum Düsseldorf: Per Telefon meldet sich eine ältere Dame und bittet um die Schätzung eines Goethe-Autographen, das sie wohlverwahrt in einem dunkleren Wandteil ihrer Wohnung hängen habe. Diese sorgfältige Hängeart ließ meine Skepsis, es könne sich um ein Faksimile handeln, nicht ganz schwinden, doch vereinbarten wir einen umgehenden Besuch. Sie präsentierte dabei einen originalen Brief Goethes von eigener Hand, der nicht schwer zu entziffern und zudem in einer Entwurfsstufe schon bekannt war. Die schonende Rahmung mit einem gut die Glasplatte auf Distanz haltenden Passepartout durch eine führende Düsseldorfer Firma bestätigte die Sorgfalt für ein Stück bewusst gepflegter Familientraditon.

Neben der Schätzung habe ich die liebenswürdige Besucherin um ein Vorkaufsrecht für den Fall der Trennung vom Brief gebeten und eine entsprechende Vereinbarung aufgesetzt. Um so erfreuter war ich, als sie nach einigen Wochen mir dann das Objekt selbst als Schenkung überreichte - mit dem ausdrücklichen Verzicht auf eine Spendenbescheinigung. Ein aus der Heimatverbundenheit kommendes Verpflichtungsgefühl - wer sollte sich über einen solchen Bürgersinn nicht freuen.

Volkmar Hansen, Vorsitzender des AsKI

Titel KULTUR lebendig 2/06

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 2/2006

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