EDITORIAL

„Mehr Demokratie wagen!" – vor 50 Jahren prägte dieses Diktum die Regierungserklärung von Willy Brandt. „Menschen, die kritisch mitdenken, mitentscheiden und mitverantworten" und „außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen" braucht es heute mehr denn je. Angesichts der drohenden Erosion unserer demokratischen Kultur war sich der AsKI auf seiner letzten Mitgliederversammlung in Rom darin einig, dass Demokratie auch für unsere kulturellen Arbeitsfelder zu verteidigen ist. Zwar hat Kunst per se keinen politischen Auftrag, doch kann der Umgang mit Kunst und Kultur verantwortungsvolles demokratisches Verhalten fördern und stärken. Deshalb hat der AsKI ins Auge gefasst, die ihm zu Verfügung stehenden Fördermittel vorrangig für demokratiestärkende Projekte und Vermittlungsarbeit einzusetzen. Zu diesem Thema fand im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden im März eine gut besuchte Fachtagung unter dem Titel „Kultur stärkt Demokratie!" statt. Im Resumee werden die vielfältigen Möglichkeiten deutlich, neue Adressatenkreise anzusprechen und das Publikum in die Vermittlungs-, aber auch die Gestaltungsprozesse einzubeziehen. Die Artikel über die Mitmachausstellung „hotel global" der Franckeschen Stiftungen zu Halle und über die Oskar Schlemmer-Ausstellung im Schloss Friedenstein in Gotha führen die Beispiele hierfür fort.

Auch in zwei Ausstellungen zur Weimarer Republik geht es um Demokratie. Deren politische wie kulturelle Entfaltung macht das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf in seiner Ausstellung „Spannungsfeld Weimar. Kunst und Gesellschaft 1919 – 1933" anschaulich. Dem Film als neuem Öffentlichkeitsmedium des 20. Jahrhunderts schlechthin widmet die Stiftung Deutsche Kinemathek in ihrer Ausstellung „Kino der Moderne. Film in der Weimarer Republik" eine neue Gesamtschau. Darin thematisiert sie u. a nicht nur das emanzipierte Frauenbild der Zwanziger Jahre, sondern auch die Rolle der Frau als Film-Gestalterin. Reiches Material zum Ende der Weimarer Demokratie findet sich im neuen, vom Archiv der Akademie der Künste entwickelten Online-Katalog des grafischen Nachlasses von John Heartfield. Seine satirischen Montagen entlarvten die totalitäre Propaganda des Nationalsozialismus und gaben sie, wenn auch aus historischer Sicht vergeblich, kritischem Gelächter Preis.

Mit ‚Aufklärung' allein ist es also nicht getan. Daher müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um demokratische Werte und Umgangsformen in unseren Kultureinrichtungen vorzuleben und in Prozessen kultureller Auseinandersetzungen erfahrbar zu machen.

 

 

Foto: privat

 

 

 

 

 

 

Dr. Wolfgang Trautwein
Vorsitzender des Arbeitskreises
selbständiger Kultur-Institute e.V. - AsKI

 

Titelbild KULTUR lebendig 1/19: Brigitte Helm, Metropolis (1927, Fritz Lang), Foto: Horst von Harbou, Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin

AsKI KULTUR lebendig 1/2019

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