Die Villa Romana in Florenz

Die Villa Romana, Florenz, nach einem Gemälde (1938) von Hans Purrmann, Mit freundlicher Genehmigung von  Frau Marion Grcic-Ziersch (Kunsthandel, München), © Foto: Villa Romana, FlorenzWer in Florenz auf dem Ponte Vecchio den Arno überschreitet und am Palazzo Pitti vorbei auf die Via Romana gelangt, kommt zur Porta Romana und von dort zur leicht ansteigenden, stark befahrenen Via Senese, die zum Tor der Villa Romana führt.

Das 14.500 qm große Grundstück des berühmten Künstlerhauses Villa Romana liegt auf der rechten Straßenseite hinter einer meterhohen Steinmauer.

Die Botanik des Gartens und die angrenzender Grundstücke vermitteln etwas von jener toskanischen Landschaft, die gerade für das künstlerische Auge von so einprägsamer Eigenart ist und zur schöpferischen Verinnerlichung und Ruhe einlädt. Der Besucher der Villa Romana lässt die touristische Betriebsamkeit der Innenstadt von Florenz, die gerade in den Sommermonaten bizarre Ausmasse annimmt, hinter sich und wird eingefangen von der Atmosphäre eines herrschaftlichen Anwesens.

Nach dem Durchschreiten der schweren Eisentüre am Grundstückseingang fällt der Blick geradeaus zunächst auf den Venusbrunnen. Eingerahmt von einer Muschelwand präsentiert sich über einem Wasserbecken die Terrakottagestalt einer Venus. Überhaupt ist die parkähnliche Gartenanlage reich mit toskanischem Terrakotta ausgestattet: Löwen, Sphinxen und Putten wechseln einander ab und geben der Villa ihre besondere Note. An mehreren Plätzen des Gartens laden Stühle und Liegeplätze den Besucher zum Verweilen ein. Dabei stößt man auch auf das Gastatelier "Limonaia" und einen kleinen Zitronengarten. Von besonderer Pracht sind die hochgewachsenen, prachtvollen Zypressen, die in der Mittagshitze Schatten spenden. Ein größerer Olivenhain vermittelt das unverwechselbare Ambiente toskanisch-mediterraner Lebensart.

Gründung

Die habsburgisch-gelbe Farbe der Villa Romana ist bestimmend für die Atmosphäre des gesamten Komplexes, drückt sie doch eine positive, motivierende, ja hoffnungsvolle Grundstimmung aus. Die Villa stammt aus der habsburgisch-lothringischen Zeit des Großherzogtums Toskana. Mit seinen ionischen Pilastern, eher barockisierenden als historisierenden Wandmalereien wie etwa "Mars stiehlt Venus" oder "Amor mit Cupido", mit Festons und Scheinarchitekturen weist das Gebäude in den Klassizismus um 1830.

Wer die in Carrara-Marmor gehaltene Eingangshalle betritt, blickt auf eine Bronzebüste der Dichterin Elsa Asenjieff, Lebensgefährtin und Modell von Max Klinger (1857-1920). Der in Leipzig geborene Künstler hatte als Sohn eines Seifenfabrikanten - im Unterschied zu vielen anderen seiner Zunft - keine materiellen Sorgen. Zudem war er mit seinem Werk sehr erfolgreich und konnte nur mit Mühe alle Aufträge annehmen und erfüllen. Klinger war deshalb so gefragt, weil ihm der Bogenschlag zwischen Antike und Moderne gelang, der sich in seiner Malerei und Bildhauerei in einer Ausprägung des Klassizismus manifestierte, ergänzt durch phantastisch-metaphysische Elemente. Klingers Oeuvre weist stilistische Parallelen zur phantastischen Architektur eines Ludwig II. auf, wobei er scharf vom historistischen Realismus eines Adolph von Menzel abzugrenzen ist.

Durch die vom Vater ererbte Seifenfabrik blieb Leipzig Zeit seines Lebens Klingers fester Bezugspunkt, sicherte sie doch seinen materiellen Unterhalt. Doch künstlerisch bot Leipzig wenig, weshalb sein Blick umso mehr in die Ferne schweifte, vor allem nach Paris, Wien und Rom. Durch seinen Freund Arnold Böcklin (1827-1901), einem Wahl-Florentiner, und Karl Stauffer-Bern (1857-1891) wurde Klingers Begeisterung für Florenz als Ort metaphysischer Malerei geschürt. Gerade in der Renaissance-Stadt boten sich zahlreiche künstlerische Bezugspunkte für Klingers Wirken, hier konnte er an antike Traditionen anknüpfen und sie neu interpretieren. Besonders inspirierten Klinger die Farbenprächtigkeit des Marmors und die Sinnlichkeit männlicher Modelle - seien sie gemalt oder als Statue.

Max Klinger Sirene, 1895, Das Gemälde befindet sich seit 1976  in der Villa Romana © Foto: Villa Romana, Florenz

Entsprechend sensibilisiert, richtete Klinger für den Deutschen Künstlerbund ein Künstlerhaus ein: 1905 erwarb er die Villa Romana für 60.000 Gold-Lira; 1906 wurde der Villa-Romana-Verein in Leipzig gegründet, in den Klinger die Villa Romana mit einbrachte. Zu den Gründungsmitgliedern des Villa-Romana-Vorstandes gehörte auch Max Liebermann. Per Dekret von König Viktor Emanuel III. wurde 1907 der Verein Villa Romana als juristische Person in Italien anerkannt. Der Verein Villa Romana ist Rechtsträger der Besitzung Villa Romana und als solcher im Grundstücksregister von Florenz eingetragen.

Künstlerische Direktoren und Villa-Romana-Preis

Klinger richtete zusammen mit Elsa Asenjieff die Villa Romana als Künstlerhaus ein. Die Büste im Foyer der Villa ist ein zweiter Nachguss der Asenjieff-Büste von Max Klinger, nach dem originalen Gipsabdruck im Museum der bildenden Künste in Leipzig (Marmorbüste in der Neuen Pinakothek, München). Zu den bekanntesten künstlerischen Direktoren zählt Hans Purrmann (1880-1966), der die Villa von 1935--1943 leitete. Seit 1972 hat Joachim Burmeister sowohl die Verwaltungs- als auch die künstlerische Leitung der Villa Romana inne.

Georg Baselitz, Villa-Romana-Preisträger 1965 mit Joachim Burmeister (li.), Leiter der Villa Romana, Florenz, © Foto: Villa Romana, FlorenzAbgesehen von Unterbrechungen in den Jahren der beiden Weltkriege ist der Verein Villa Romana bis heute ein privater Verein. Dass dies überhaupt möglich war, ist in der Neugründung des Vereins 1926 angelegt, dem der Leipziger Bankier Arthur Salomonsohn angehörte. Ihm zu verdanken war der Kontakt zur Deutschen Bank, der seit den dreißiger Jahren und vor allem nach dem II. Weltkrieg intensiviert wurde. Hier war es vor allem der Chefsyndikus der Deutschen Bank, Prof. Dr. Hermann Herold, der sich für ein dauerhaftes Engagement bezüglich der Villa Romana einsetzte und dabei Unterstützung vom Vorstandsmitglied Hermann Josef Abs erfuhr: Der Villa Romana Verein, der im Anschluss an Leipzig in Berlin angesiedelt war, erhielt den Status einer Stiftung mit Sitz in Düsseldorf.

Der Villa-Romana-Preis, erstmals vergeben im Jahre 1905, ist der älteste Kunstpreis Deutschlands und zugleich das älteste kulturelle Engagement der Deutschen Bank, seit einigen Jahren wahrgenommen durch ihre Kultur-Stiftung. Mit dem Preis werden jährlich vier - in früheren Jahren mitunter auch drei bis fünf - bildende Künstler aus Deutschland ausgezeichnet. In den Anfangsjahren beinhaltete der Preis im Wesentlichen den kostenfreien Aufenthalt in der Villa sowie Verpflegung durch das Hausmeisterpaar. Nachdem es Max Klinger und anderen gelungen war, "Banker" in den Verein mit einzubinden, erhielten die Preisträger auch einen monatlichen Obolus.

Heute ist mit dem Villa-Romana-Preis ein Stipendium verbunden: Von Februar bis Dezember wohnen die Künstler, teilweise mit Familie, in einer der vier aus drei Zimmern mit Küche bestehenden Atelierwohnungen (sie verköstigen sich dort selbst) und erhalten derzeit 1.700 DM monatlich. Im Herbst eines jeden Jahres entscheidet eine Jury von Künstlern und Kunstprofessoren über die Auswahl der Preisträger; das Vorschlagsrecht liegt einzig bei den Juroren. Zu den Preisträgern der ersten Jahrgänge gehörten (neben anderen, heute wenig bekannten, die sich in der Kunstszene nicht behaupten konnten) u. a. Max Beckmann, Georg Kolbe, Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, zu denen aus jüngerer Zeit Georg Baselitz (1965) und Markus Lüpertz (1970).

Gastkünstler und Ausstellungen

Die Villa Romana beherbergt neben den Künstlerateliers und der Wohnung des Direktors drei mit alten Möbeln eingerichtete Gästezimmer, ein Speisezimmer für gesellige Abende, eine Präsenzbibliothek und ein Archiv mit altem Briefwechsel, Veröffentlichungen, Photographien und Ausstellungskatalogen. Im Archiv werden Dokumente zur Arbeit der Villa Romana verwahrt. Im kommenden Jahr soll eine zweibändige Arbeit von Philip Kuhn zur Geschichte der Villa Romana veröffentlicht werden. Mit dieser Geschichte sind bedeutende Künstlernamen verbunden, so neben den oben bereits erwähnten auch Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff. Aus dem politisch-kulturellen Leben Deutschlands sind z. B. Theodor Heuss oder Heinrich Mann zu nennen, die z.T. wiederholt in der Villa Romana zu Besuch waren.

Nataly Maier (Mailand) Limone, Mai 2001, Kunstwerk für die Villa Romana, Florenz, © Foto: Villa Romana, FlorenzDer amtierende Direktor Joachim Burmeister hat zu Recht erkannt, dass die Villa Romana früher häufig ein künstlerisches Eigenleben führte, von dem die Florentiner und die allgemeine Öffentlichkeit wenig mitbekamen. Umso mehr ist die Bedeutung des "Salone" im Erdgeschoss der Villa hervorzuheben, in dem seit 1979 vier bis fünf Ausstellungen pro Jahr stattfinden. Zu den Vernissagen wird auch das künstlerische und kulturelle Umfeld von Florenz eingeladen. Auch hat sich der Direktor konsequent dafür eingesetzt, mehr und mehr Gastkünstler in die Villa einzuladen: Rund zehn - auch nicht-deutsche - Künstler wohnen jeweils bis zu drei Monaten in den Gastateliers "Limonaia" und "Beckmann".

Im Treppenhaus der Villa Romana sind Arbeiten von Preisträgern zu sehen. Steigt der Besucher noch ein paar Stufen weiter hinauf, so gelangt er zur kleinen Dachterrasse der Villa mit einem phantastischen Blick auf den großen Garten der Villa und dem Panorama von Florenz vor Augen. Da erhebt sich die Porta Romana, an der sich die Ausfallstraße nach Rom anschließt. Und aus dem roten Meer der Dächer ragt markant die Kuppel des Renaissance-Doms von Florenz hervor, eingerahmt vom toskanischen Grün des Umlandes: Vergangenheit und Gegenwart, Antike und Moderne, Natur und Kunst, sie liegen in Florenz ganz eng beieinander.

Prof. Dr. Andreas M. Rauch,
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundesregierung

AsKI KULTURBERICHTE 3/2001

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