Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main / Potsdam-Babelsberg : Von der Edison-Walze zur Linked Media Data Cloud - 66 Jahre Deutsches Rundfunkarchiv

Das Deutsche Rundfunkarchiv ‘Standort Potsdam-Babelsberg‘, Foto: © Deutsches Rundfunkarchiv (DRA)

1952: in diesem Jahr wird Elizabeth II. Königin von Großbritannien, die BILD-Zeitung erscheint das erste Mal, das NWDR-Fernsehen nimmt seinen offiziellen Sendebetrieb auf – und die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten NWDR, BR, HR, RB, SDR und SWF gründen als erste Gemeinschaftseinrichtung das Lautarchiv des deutschen Rundfunks, das heutige Deutsche Rundfunkarchiv.

Der in der Satzung formulierte Auftrag: „die Erfassung von Tonträgern aller Art, deren geschichtlicher, künstlerischer oder wissenschaftlicher Wert ihre Aufbewahrung und Nutzbarmachung für Zwecke der Kunst, Wissenschaft, Forschung, Erziehung oder des Unterrichts rechtfertigt".

Informationsbroschüre des Lautarchivs des Deutschen Rundfunks, 1957, Foto: DRAAber wo waren die historischen Aufnahmen, die in den Kriegswirren nicht Kämpfen, Vernichtungs- oder Selbstvernichtungsaktionen zum Opfer gefallen waren? Besonders wertvolle Bestände waren 1942 im Salzbergwerk Grasleben bei Helmstedt gelagert worden. Sie wurden von den Briten als Kriegsbeute nach London gebracht. Dem DRA gelang es in den 1950er-Jahren, die umfangreiche Londoner Überlieferung zurückzuführen. Weitere Funde aus privatem und institutionellem Besitz kamen hinzu. Der Schwerpunkt dieser historischen Bestände reicht von den Anfängen der Tonaufzeichnung Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Produktion von Schelllackplatten in Deutschland in den späten 1950er-Jahren.

1962 kam zu den Aufgaben des Lautarchivs die Dokumentation von Fernsehproduktionen hinzu und führte 1963 zu der Umbenennung in „Deutsches Rundfunkarchiv". 1973 wurden die zuvor selbstständigen Arbeitsbereiche ARD-Registratur, Redaktion ARD-Jahrbuch und Historisches Archiv der ARD in das DRA integriert. Die zentrale Katalogisierung von U-Musik-Schallplatten für die Archive der ARD kam 1978 mit dem Einzug der EDV in die Dokumentation als neue Aufgabe der „Zentralen Schallplattenkatalogisierung" hinzu.

Umfangreiche Tonaufnahmen befanden sich lange Jahre hinter dem „Eisernen Vorhang". Erst die historische Wende von 1989 bot die Chance, diese Aufnahmen und das Programmvermögen aus dem Hörfunk und Fernsehen der DDR wieder zugänglich zu machen und die DRA-Sammlung bedeutend zu ergänzen. Das Funkhaus Berlin und der Deutsche Fernsehfunk existierten zunächst als „Einrichtung" gemäß Artikel 36 des Einigungsvertrages bis zum 31.12.1991 weiter. Eine treuhänderische Verwaltung der „Rundfunkarchive Ost" folgte, bis am 1.1. 1994 das Deutsche Rundfunkarchiv den Standort, damals Berlin-Adlershof, übernahm. Nach dem Umzug in einen Neubau nach Potsdam-Babelsberg beheimatet das DRA dort rund 40.000 Stunden DDR-Fernsehen, mehr als 110.000 Stunden Audiomaterial Wort und Musik sowie einen umfangreichen Bestand an Schriftgut und Fotos.

Mit all seinen Beständen gehört das DRA heute zu den größten Medienarchiven in der Bundesrepublik Deutschland. Wesentliche Teile des Au-

diobestandes liegen bereits digital vor. Für das Fernsehen wird das DRA dank einer umfassenden Digitalisierungs- und Erschließungsstrategie bis 2020 über einen komplett digitalisierten und erschlossenen Bestand verfügen.

Das DRA ist jedoch vieles mehr als nur Archiv und Sammelstelle für Vergangenes: So initiierte und entwickelte das DRA in den vergangenen Jahren die Ereignis- und Termindatenbank zeitlupe (ARD-intern), ein wichtiges Recherchetool für die Programmplanung in den Redaktionen der ARD. Gestartet als Kooperationsprojekt von DRA und WDR beteiligen sich mittlerweile alle ARD-Anstalten sowie der ORF und Deutschlandradio an der Datenbank. Zeitlupe eröffnet den Zugang zu planungsrelevanten Daten über Personen, Künstlergruppen, Ereignisse und Uraufführungen. Online abrufbare jährliche, teilweise regionale Termindienste ergänzen das Angebot.

Das DRA ist seit 2001 Teil der „digitalen Fernsehcommunity" Fesad (ARD-intern), der ARD-Fernsehdatenbank. Darin digitalisieren und erschließen die ARD-Rundfunkanstalten ihre Fernsehproduktionen. Seit März 2006 stehen die Daten des digitalisierten Fernsehbestandes in Babelsberg den ARD-Anstalten im Rahmen der Crossrecherche zur Verfügung.

DRA-Magazin für Schellackplatten, Foto: DRAIn der vom DRA entwickelten ARD-Hörspieldatenbank finden hörspielaffine User, Programmplaner und -macher alle Daten zu den Produktionen von 1945 bis heute – mehr als 54.000 Nachweise zu Originalhörspielen, Hörspielbearbeitungen und Ars Acustica sind mit Produktions- und Sendedaten in den Kollektionen ab 1945 zu finden. Dazu kommen die Hörspiele des DDR-Rundfunks sowie sukzessive die Produktionen des Weimarer Rundfunks, zurzeit 1924 bis 1927.

Die ARD-Chronik mit rund 9.000 Meldungen zu ARD-Ereignissen, Personalien, Preisen und Sendungen lässt ARD-Geschichte lebendig werden. Sie startet mit dem Wiederaufbau der Rundfunkanstalten 1946 und wird vom DRA tagesaktuell fortgeschrieben, ebenso wie das ABC der ARD, das von der „Abendschau" bis zur „Zuschauerforschung" alle wichtigen Begriffe rund um die ARD erläutert.

Nie mehr nach der richtigen Schreibweise suchen? Welche Pseudonyme hatte Drafi Deutscher? Seit wann heißt DRadio Wissen „Deutschlandfunk Nova"? Diese Fragen und viele mehr beantwortet seit 2007 die unter Federführung des DRA entwickelte ARD-Normdatenbank mit Metadaten u.a. zu Urhebern, Künstlern, Institutionen, Musikwerken, Geographika. Sie garantiert sichere, überprüfte Daten für medien- und systemübergreifende (Cross-)Recherchen durch die Rundfunkanstalten der ARD.

Der Name ein Anachronismus, die Aufgabe aktueller denn je: Die Zentrale Schallplattenkatalogisierung (ZSK) stellt seit 1978 die Daten sämtlicher in der Bundesrepublik erscheinenden Industrie-Tonträger, heute überwiegend Audiofiles, mit U-Musikaufnahmen für die Programme der ARD-Anstalten und des ZDF bereit. Parallel zum Versand der Audiofiles via ARD-Sternpunkt erhält die ZSK Metadaten der Industrie, die umgehend geprüft und auf ARD-Standard gebracht werden. Die ZSK pflegt speziell Personen-, Körperschafts-, Label- und Firmendaten. Die Rundfunkanstalten erhalten damit in einer Instanz der ARD-weiten Hörfunkdatenbank (HFDB) parallel zu den Audiofiles auch entsprechend angepasste Metadaten von der ZSK.

Musikaufnahme vom 31.12.1940 mit nachträglich aufgeklebtem Label der Berliner Rundfunk GmbH, Foto: DRA

dwerft: Das ist das neueste Projekt zur Erhaltung und Digitalisierung von Filmbeständen. In einem abgeschlossenen dreijährigen Projekt haben WDR mediagroup, Hasso-Plattner-Institut, das DRA sowie weitere Partner zukunftsweisende Technologien zur Beurteilung, Digitalisierung und Vernetzung von Filmmaterial entwickelt. Eins der Ergebnisse ist die „Linked Production Data Cloud" (LPDC), die alle inhaltlichen, technischen und organisatorischen Metadaten von Filmproduktionen sammelt und miteinander vernetzt. In einem weiteren Projekt, dwerft – linked metadata for media, das unter Beteiligung von DRA und IRT Ende 2018 starten wird, liegt der Fokus auf der Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette einer Filmproduktion bis hin zur Distribution auf digitalen Plattformen.

Das DRA arbeitet weiterhin intensiv daran, ein Archiv der Gegenwart und Zukunft zu sein, die Fülle seiner Archivschätze zu erhalten und auf digitalen Plattformen und Datenbanken zugänglich zu machen – ab Ende 2018 auch auf einer neuen Website.

Doris Rehme
Mitarbeiterin des Deutschen Rundfunkarchivs

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2018

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