Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin: Eröffnung des Fernsehmuseums Berlin am Potsdamer Platz

DIE BLAUE WAND - Dia-Installation von Regina Schmeken am Eingang der Ständigen Ausstellung Fernsehen. Deutsche Kinemathek, Foto: Subuddha Kellner

Über 15 Jahre lang war die Idee einer deutschen Mediathek immer wieder durch Feuilletons und Gremien gegeistert, immer wieder wurde das Projekt auf die lange Bank geschoben- einerseits, weil das Geld fehlte, andererseits, weil man sich nicht einigen konnte. Nun ist es endlich soweit.

Ende Mai/Anfang Juni 2006 eröffnet das deutsche Fernsehmuseum im Filmhaus am Potsdamer Platz seine Pforten und komplettiert damit das Filmmuseum zu einem "House of Moving Images", das es so bislang weder in Deutschland noch in Europa gegeben hat: ein lebendiges Forum für Geschichte und Gegenwart des deutschen Fernsehens, in dem Sternstunden der Programmgeschichte ebenso erfahrbar werden wie die unterschiedlichen TV-Entwicklungen in Ost und West oder medienpolitische Hintergründe.

Außenfassade des Filmhauses am Potsdamer Platz, © Foto: Filmmuseum Berlin - Stiftung Deutsche Kinemathek

Der Beginn: "Fernsehen macht glücklich"
Die Ausstellung "Fernsehen macht glücklich", gezeigt von Dezember 2002 bis Anfang Mai 2003, war ein erster Testballon um zu prüfen, ob das Thema Fernsehen ausstellungsfähig ist und wie eine solche Ausstellung von der Öffentlichkeit angenommen wird. Ergebnis: ein überraschend großes Interesse und die Erkenntnis, dass man Fernsehen nicht nur ausstellen kann, sondern geradezu muss. "Dass es in Deutschland kein Fernsehmuseum geben könnte, erscheint nach dem Besuch der Ausstellung undenkbar", schrieb Andreas Kilb in der FAZ. "Fernsehen macht glücklich" machte viele nicht nur glücklich, sondern verdeutlichte auch, "was für eine wichtige und erfreuliche Institution die Mediathek werden könnte", so die Berliner Morgenpost. "In einem Land, in dem Politiker in Sonntagsreden gern "mehr Medienkompetenz" für Kinder und Jugendliche fordern." Das Fernsehen hat seit seiner Geburt vor 53 Jahren unsere Gesellschaft und unser Leben beeinflusst wie kein anderes Medium. Es ist ohne Frage ein wesentlicher Teil unserer Kultur: Seismograph der Befindlichkeiten unserer Zeit, Ärgernis und Spender von Glückseligkeit zugleich. Wir erinnern uns an unsere Kindheit und Jugend auch und ganz wesentlich, indem wir mit diesen Erinnerungen Fernsehbilder verknüpfen, sei es "Bonanza", "Das Sandmännchen" oder "Die Sendung mit der Maus". Doch so flüchtig das Medium ist, so schnell verschwand es in den für die Öffentlichkeit nur schwer zugänglichen Archiven der Sender und Rundfunkanstalten. Anfänglich wurde sogar vieles gelöscht, sei es aus Platz- oder Materialmangel oder schlicht aus mangelnder Sensibilität für die künftige Bedeutung des gesendeten Materials. "Dass die Flüchtigkeit des Fernsehens einmal sein folgenschwerster Fluch werden könnte", sinnierte die Wochenzeitung Freitag, " - wer hätte das bei allem kulturpessimistischen Gedankengut vergangener Jahrzehnte gedacht."

Aufgaben und Konzept des Museums
Dem entgegenzuwirken, ist eine der Aufgaben des neu geschaffenen Fernsehmuseums. Ein allumfassendes Archiv kann und soll es aber nicht geben. Es wird vielmehr eine Art Präsenzbibliothek eingerichtet, in der signifikante beziehungsweise repräsentative Sendungen jeder Programmsparte, jedes Genres wiedergesehen und studiert werden können: preisgekrönte Beiträge, aber auch Stücke, die den jeweiligen Zeitgeist in bemerkenswerter Weise in sich aufgenommen und bewahrt haben. Darunter natürlich die "alten Meister": Lou van Burg, Peter Frankenfeld, Hans Rosenthal, Harry Valérien, Helga Hahnemann oder Fernsehkoch Clemens Wilmenrod. Unvergessene Sportereignisse wie die Übertragung der Fußball-WM von 1954 oder die Reportage "Willkommen, Lebensfreude" aus Anlass des fünften Turn- und Sportfestes der DDR ebenso wie zeitgeschichtliche Dokumente, u.a. die Krönung Elisabeths II., die erste Mondlandung, der Mauerfall, der Terrorangriff auf das World Trade Center. Mehrere Folgen "Titel Thesen Temperamente" ebenso wie "Der große Bellheim" (ZDF) oder die Bildungsreihe "Russisch für Sie", gesendet 1964 im DDR-Fernsehen. Aber auch Kleinode sind zu sehen, Fernsehfilme, die Kult sind, obwohl sie mangels Gelegenheit kaum jemand gesehen hat, wie beispielsweise "Geschlossene Gesellschaft", 1978 in der DDR zu Mitternacht gesendet und gleich darauf verboten, woraufhin der Autor Klaus Poche und der Hauptdarsteller Armin Müller-Stahl das Land verließen. Zu Beginn bietet die Programmgalerie 500 Produktionen an, aus denen der Besucher seine Favoriten wählen und dann ansehen kann. Wenn er will, in voller Länge und mit Zugriff auf eine Datenbank, die alle verfügbaren Hintergrundinformationen zu der jeweiligen Produktion enthält. Im Laufe der Zeit wird dieser Pool ständig erweitert und ausgebaut.

Erste Sonderausstellung: Tor! Fußball und Fernsehen, © Foto: Filmmuseum Berlin - Stiftung Deutsche Kinemathek

Erste Sonderausstellung: "Tor! Fußball und Fernsehen
In seinen Sonderausstellungen befasst sich das Museum mit herausragenden Persönlichkeiten und einzelnen Themenschwerpunkten zur Programmgeschichte und Programmgegenwart. Die erste Sonderausstellung wird noch vor der offiziellen Eröffnung des Fernsehmuseums gezeigt: "Tor! Fußball und Fernsehen" (ab 4. Mai 2006), eine Fußballrevue zur Fußballweltmeisterschaft in Deutschland als offizieller Beitrag des Kunst- und Kulturprogramms zur FIFA WM 2006™ in Zusammenarbeit mit dem OK FIFA WM 2006. Sie zeigt, wie der Fußball die Entwicklung des Fernsehens beeinflusst und das Fernsehen den Profi-Fußball mitgeformt hat. Und sie beschreibt die Inszenierung von Bild und Wort, das Spektakel um Schau und Show, das Drama um Geld und Gefühle, den Bilderrausch und die nüchternen Momente rund um den ledernen Ball.

Die Räume
Fünf Räume umfasst die Ausstellung, erneut konzipiert von Hans Dieter Schaal, der bereits das Filmmuseum entworfen hat: den Spiegelsaal, in dem eine chronologisch angelegte Revue auf spektakuläre Weise durch ein halbes Jahrhundert serieller Fernsehunterhaltung führt; den Zeittunnel, in dem die medienpolitische und rundfunkhistorische Geschichte des Fernsehens in Ost und West erzählt wird; die bereits erwähnte Programmgalerie; einen Raum für die Sonderausstellungen; einen Veranstaltungsraum für Pressekonferenzen, Symposien und Live-Übertragungen. Insgesamt wird das Fernsehmuseum über eine Fläche von rund 1.200 Quadratmeter verfügen.

Unterstützer und Förderer
Das Fernsehmuseum wird in der Trägerschaft der Stiftung Deutsche Kinemathek realisiert. Es wird unterstützt vom Senat für Kultur und Wissenschaft des Landes Berlin, gefördert vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und, im Ausbau, finanziert aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und dem Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE). Die Sammlung und die Arbeit des Fernsehmuseums wurde bisher vor allem über das Engagement der Sender ARD und ZDF sowie der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) unterstützt. Sie werden künftig auch in einem Beirat die Entwicklung des Fernsehmuseums begleiten. RTL und ProSiebenSat.1 förderten das Fernsehmuseum bisher durch Programmbeistellungen, eine reguläre Partnerschaft ist auch hier ins Auge gefasst. Das Unternehmen Veolia sichert als Sponsor die Programmarbeit bis zum Jahr 2012. Das Fernsehmuseum soll Zug um Zug mit jedem Sendematerial wachsen, das vom Museum für seine Ausstellungs- und Veranstaltungsarbeit benötigt wird- und mit den Wünschen und Vorstellungen des Publikums, das sich künftig im Filmhaus am Potsdamer Platz auch mit seiner eigenen Fernsehgeschichte beschäftigen kann.

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