Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt: Poetica 5 - Rausch. States of Euphoria / Festival für Weltliteratur, 21.-26.01.2019 in Köln

Auftaktveranstaltung der Poetica in der Aula II der Universität zu Köln, Foto: Silviu Guiman

Es gibt den siebten Himmel, es gibt den sechsten Sinn – und dieses Jahr gab es die Poetica 5. Ihr Thema: „Rausch. States of Euphoria." Seit 2014 findet die Poetica, das Festival für Weltliteratur, in Köln statt.

Es wird gemeinsam von dem Internationalen Kolleg Morphomata der Universität zu Köln und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung veranstaltet. Das Besondere und Einzigartige ist: Jede Poetica wird von einer Schriftstellerin oder einem Schriftsteller kuratiert und steht unter einem bestimmten Thema. Dazu eingeladen wird ein internationaler Kreis von Autorinnen und Autoren, die sich eine Woche lang in Gesprächen und Lesungen mit diesem Themas beschäftigen.

Kurator des Festivals war in diesem Jahr der schwedische Schriftsteller Aris Fioretos, Autor von Romanen wie „Die Seelensucherin", „Der letzte Grieche" oder „Mary", außerdem Vizepräsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Wie kam es zu seiner Themenwahl „Rausch. States of Euphoria"? „Die Idee kam mir beim Schreiben. Mein letzter Roman, der gerade in Schweden erschienen ist, handelt von der ersten deutschen Pilotin Melli Beese, da geht es um die frühe Luftfahrt, um Schwebezustände von begrenzter Dauer. Und es geht auch ums Verliebtsein. Beide Zustände – Schweben und Verliebtsein – haben ja durchaus etwas gemein: die Schwerkraft wird überwunden, da wiegt ein Kilo plötzlich nur 700 Gramm. Das hat mich sehr interessiert. Wie funktioniert das Schweben in der Literatur? Darüber wollte ich im Rahmen der Poetica mit meinen Kollegen weiter nachdenken."

Zum Erkunden des Phänomens lud er sich acht Autorinnen und Autoren aus drei Kontinenten ein: den Rumänen Mircea Cartarescu, den aus Südtirol stammenden und derzeit auf der „Raketenstation Hombroich" lebenden Oswald Egger, den aus Los Angeles angereisten Schweizer Christian Kracht, Mara Lee aus Schweden, Lebogang Mashile aus Südafrika, Marion Poschmann aus Berlin und Jo Shappcott aus Großbritannien. Die Israelin Agi Mishol musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen.

Seit jeher sucht die Poesie die Nähe zum Rausch. War es früher der Zauber des Musenkusses, so kommen heute chemische Kicks als bedenkliche Katalysatoren hinzu, um höhere Geisteszustände, Inspiration und Euphorie freizusetzen. Aber auch ohne Hilfsmittel gilt: keine Poesie ohne Jubel, Exaltation, Hingerissenheit, so heißt es im Begleitheft der Poetica. Doch wo befindet sich die Poesie, wenn sie außer sich ist? Wie etwa sieht eine Sprache des Kontrollverlusts aus? Oder wie erzeugt die Literatur solch erquickende Zustände? Geschieht es „durch Sehnsucht, durch Begehren / durch Wollust, Leidenschaft, durch Gefühl, durch Laszivität", wie bei Mircea Cartarescu? Für den großen Romancier aus Rumänien ist das Schreiben selbst rauschhaft: „Schreiben ist die größte Freude meines Lebens. Vielleicht könnte ich auf das Schreiben von Romanen und Gedichten verzichten, nicht aber auf mein Tagebuchschreiben. Wenn ich zwei, drei Tage nicht geschrieben habe, fühlt sich das falsch an. Ich brauche das Schreiben wie der Junkie den nächsten Schuss."

v.l.n.r.: Jo Shappcott, Mircea Cartarescu, Aris Fioretos, Oswald Egger, Marion Poschmann (verdeckt), Foto: Silviu Guiman

Oswald Egger, der als literarischer Bergbesteiger ohne Haken und Ösen auszukommen scheint, schafft beeindruckende Sprachwelten, die den Leser zwingen, sich mit ihnen loszulösen und sich treibenzulassen. Er hält es für unmöglich, den Schaffensprozess zu analysieren. Es sei ein intrinsicher Zustandsraum, den man von außen, also extrinsisch, gar nicht verhandeln könne. Das sei wohl ein wesentliches Geheimnis des Poetischen, sagt Egger.

Wenn überhaupt sind es nur flüchtige Momente, in denen sich auch während des Festivals Rausch manifestiert, so zum Beispiel ganz leibhaftig, wenn Lebogang Mashile die Bühne betritt, in deren Poesie viel Eruptives und Explosives steckt. Mit ihren Wortperformances spricht Mashile gegen Rassismus und gegen die Unterdrückung der Frau, wobei sich das Publikum, wie sie berichtet, in ihrer Heimat Südafrika oft zu ihr auf die Bühne gesellt, um mit ihr gemeinsam zu „performen".

Rausch in der Literatur, Rausch durch Literatur – die Formen sind vielfältig und facettenreich, wie die Veranstaltungen der Poetica 5 gezeigt haben. Und doch bleibt am Ende eher das Rätselhafte des Phänomens vor Augen, so wie es die britische Dichterin Jo Shappcott als Frage formulierte: „Wo sind die Grenzen von Körper und Welt?"

Corinna Blattmann
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung


Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung e.V., Darmstadt
Texte des Festivals sind in der beim konkursbuch Verlag erschienen Publikation
poetica5. Rausch. States of Euphoria
hg. von Aris Fioretos, Günter Blamberger und Marta Dopieralski, nachzulesen
152 Seiten, 12,90 €
ISBN: 978-3-88769-698-6
www.dasd.de
www.poetica.uni-koeln.de/poetica-5/

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2019

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