Chiaroscuro. Italienische Farbholzschnitte der Renaissance und des Barock

Bartholomeo Coriolano (ca. 1599-1676) Die Allianz von Friede und Überfluss, Foto: Kunstsammlungen zu Weimar

Ein gemeinsames Ausstellungsprojekt der Kunstsammlungen zu Weimar und der Casa di Goethe in Rom

Die Casa di Goethe in Rom zeigt vom 25. April bis zum 23. Juli 2001 eine Ausstellung mit italienischen Farbholzschnitten aus der Zeit von 1515 bis 1750 aus den Beständen des Kupferstichkabinetts der Kunstsammlungen zu Weimar.

Der Bestand der aus den großherzoglichen Sammlungen hervorgegangenen Weimarer Kunstsammlungen von über zweihundert italienischen Farbholzschnitten - im Lande ihrer Herkunft "Chiaroscuri" (Helldunkel) genannt - ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass er nicht weniger als zwei Drittel der gesamten im Peintre-Graveur, dem Stecherverzeichnis von Adam Bartsch, aufgeführten gut dreihundert Nummern umfasst. Abgestimmt auf die intimen Räume der Casa di Goethe haben die Kunstsammlungen zu Weimar siebzig ihrer schönsten und bedeutendsten Chiaroscuri für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt.

Die Auswahl reicht von den Hauptwerken des Ugo da Carpi (um 1480-1532), des Begründers des italienischen Farbholzschnittes, über Blätter seiner wichtigsten Nachfolger, Niccolò Vicentino und Antonio da Trento, von Farbholzschnitten der Formschneider Giovanni Gallo und Andrea Andreani, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im frühen 17. Jahrhundert tätig waren, von wichtigen Beispielen des deutschstämmigen Bartolomeo Coriolano, eines Schülers von Guido Reni, bis hin zu Antonio Maria Zanetti (1680 - 1767), der dieses elitäre Medium im Rückgriff auf die Werke Ugo da Carpis zu einer letzten Blüte brachte.

Giovanni Gallo, Kain erschlägt Abel, Foto: Kunstsammlungen zu WeimarUgo da Carpi, als Holzschneider in Venedig tätig, hatte 1516 den Senat der Republik um ein Privileg für seine Technik des Farbholzschnittes gebeten mit der Begründung, er selbst habe diese bisher unbekannte Drucktechnik erfunden. Auch wenn es deutsche Künstler waren, die bald nach 1500 die ersten Farbholzschnitte ediert hatten, gebührt Ugo da Carpi, der zunächst "konventionelle" Schwarzweiß-Holzschnitte hergestellt hatte, zweifellos das Verdienst, die Technik des Farbholzschnittes in Italien eingeführt und weiterentwickelt zu haben.

Der Druck erfolgte bei diesen Chiaroscuri von mindestens zwei Platten: einer so genannten Strichplatte, mit der die graphische Struktur, die Zeichnung der Darstellung, gedruckt wurde, und zumindest einer Tonplatte, die eingefärbt wurde, wobei die Lichter der Darstellung auf dem weißen Druckbogen durch Aussparungen der Farbe in dieser Tonplatte erzeugt wurden. Ugo da Carpi kombinierte bei seinen Farbholzschnitten die Strichplatte mit bis zu drei Tonplatten und entwickelte damit bisher unbekannte Möglichkeiten des Farbdrucks, bei dem er weniger die graphische Struktur einer Bildkomposition als vielmehr ihre malerischen Werte betonte. Beim Druckvorgang selbst wurde dabei mit derjenigen Druckplatte begonnen, die den hellsten Ton tragen sollte. Danach überdruckte man den Bogen mit der jeweils dunkleren Tonplatte. Abschließend erfolgte als letzter Druckvorgang jener mit der Strichplatte, so dass deren Zeichnung zuoberst lag und nicht durch die Farben der Tonplatten überdeckt wurde.

Antonio Maria Zanetti  (1680-1757), Maria mit Kind, dem Johannesknaben und dem hl. Hieronymus, Foto: Kunstsammlungen zu Weimar

Sicher richtig ist die seit Vasari häufig geäußerte Feststellung, dass die Formschneider mit diesem sehr aufwendigen und komplizierten Druckverfahren die Wirkung von weiß gehöhten, auf farbigen Papieren ausgeführten Zeichnungen, wie sie damals üblich waren, hätten erreichen wollen. Solche bildhaft durchgeführten Zeichnungen, die häufig vollständig ausgearbeitete Kompositionsentwürfe darstellten, bildeten zu nächst den Ausgangspunkt sowohl für die deutschen als auch die italienischen Formschneider, die mit den Techniken des Farbholzschnittes experimentierten. Bald aber schuf sich das Medium der Chiaroscuri seine eigene Ästhetik. Schon Ugo da Carpi stellte von den gleichen Druckplatten Abzüge von ganz unterschiedlicher Farbgebung her und emanzipierte sich so von der vielleicht anfänglich noch angestrebten Nähe zur zeichnerischen Vorlage des entwerfenden Künstlers. Das Medium des Farbholzschnittes gewann dadurch neue künstlerische Möglichkeiten und damit auch das verstärkte Interesse der Sammler, die versuchten, unterschiedliche Farbvarianten der gleichen Darstellung für ihre Kollektionen zu erlangen. Noch Antonio Maria Zanetti hat bei vielen seiner Chiaroscuri Abzüge in ganz unterschiedlichen, gelegentlich geradezu gewagten Farbkombinationen hergestellt.

Kaum einer dieser italienischen Formschneider hat nach eigenen Entwürfen gearbeitet, vielmehr übertrugen sie Bilderfindungen der bedeutendsten Maler ihrer Zeit, etwa von Tizian und Raffael, von Parmigianino und Guido Reni, in das Medium des Farbholzschnittes. Vielfach haben sie direkt mit diesen Malern zusammengearbeitet, denen ihrerseits an einer raschen und weiten Verbreitung ihrer Bilderfindungen durch das Mittel der Druckgraphik gelegen war. Die Formschneider arbeiteten vorzugsweise nach Zeichnungen der entwerfenden Künstler, gelegentlich aber auch nach fertigen Gemälden. Allein Andrea Andreani wagte sich auch an die Wiedergabe von dreidimensionalen Werken, als er in Florenz die dort eben enthüllte, Aufsehen erregende Figurengruppe "Raub einer Sabinerin" des Florentiner Hofbildhauers Giambologna in drei unterschiedlichen Ansichten wiedergab.

Ugo da Carpi  (1480-1530), Diogenes, Foto: Kunstsammlungen zu WeimarGoethe selbst besaß in seiner Sammlung ein größeres Konvolut dieser kostbaren und seltenen italienischen Farbholzschnitte. Er hatte diese Blätter über viele Jahre hinweg aus dem Kunsthandel zusammengetragen. Seine bekannteste Erwerbung waren Andrea Andreanis Farbholzschnitte nach Andrea Mantegnas neunteiliger Gemäldefolge "Der Triumphzug Caesars". Für Goethe wurde dieser glückliche Kauf Anlass für seine bedeutende, für Germanisten wie Kunsthistoriker gleichermaßen interessante Abhandlung "Julius Caesars Triumphzug, gemalt von Mantegna", zu der Hermann Mildenberger im Katalog der Ausstellung einen Essay beigesteuert hat. Goethe brachte den italienischen Chiaroscuri ein großes persönliches Interesse entgegen. Es kann daher als sicher gelten, dass zumindest ein Teil der in der Ausstellung gezeigten Farbholzschnitte der Weimarer Kunstsammlungen seinerzeit auf Vorschlag und Betreiben Goethes für die Großherzogliche Sammlung angekauft worden war. Gewiss hätte es ihm eine immense Freude bereitet, diese Blätter in seinem römischen Domizil, der heutigen Casa di Goethe, zu sehen.

Dr. Dieter Graf,
Bibliotheca Hertziana,
Kurator der Ausstellung "Chiaroscuro"

Weitere Ausstellungsstationen: Kunstsammlungen zu Weimar (19. August bis 21. Oktober 2001); Haus der Kunst, München (17. Oktober 2002 bis 12. Januar 2003).
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen mit 210 Seiten, 70 Farbtafeln und weiteren Abbildungen als Band IV in der von Hermann Mildenberger herausgegebenen Reihe "Im Blickfeld der Goethezeit", zusammen mit einer italienisch-sprachigen Beilage.

AsKI KULTURBERICHTE 1/2001

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