Casa di Goethe: Rede von Ursula Bongaerts am 20.9.2012

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Einweihung der neuen Räume der Casa di Goethe Rom am 20. September 2012 Foto: Alberto Novelli, Rom

Rede von Ursula Bongaerts, Leiterin der Casa di Goethe, anlässlich des Festakts zur Eröffnung der neuen Räume der Casa di Goethe

Meine Herren Minister,
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Casa di Goethe.

Am Anfang unseres heutigen großen Ereignisses steht ein kleiner Brief.

Im Mai 2009 erhielten Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister Neumann, in einer „dringenden und unvorhersehbaren Angelegenheit" Post aus Rom, genauer aus der Via del Corso 18, 1. Etage. Eine Wohnung im 2. Stock stehe zum Verkauf, schrieb ich Ihnen damals, noch dazu genau die Wohnung, in der in den 1970er Jahren ein erstes, vom Freien Deutschen Hochstift auf Mietbasis unterhaltenes Goethe-Museum untergebracht war. Sie setzten sich sofort mit Nachdruck dafür ein, diese einmalige Gelegenheit zur Erweiterung der Casa di Goethe zu nutzen.

Es folgten drei aufregende Jahre: In rekordverdächtig kurzer Zeit erhielten wir bereits im Sommer 2009 aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages die benötigten Mittel für den Erwerb der Wohnung, nach nicht immer einfachen Kaufverhandlungen konnte der AsKI noch im Dezember des gleichen Jahres den endgültigen Kaufvertrag unterschreiben.

Die sich anschließende gut zweieinhalbjährige Planungs-, Umbau- und Einrichtungsphase war mit mancherlei Unvorhersehbarkeiten und Überraschungen, positiver wie negativer Art, verbunden: ein kompliziertes und langwieriges baurechtliches Verfahren - und ein italienscher Weltrekord: in nur sieben Monaten konnten die eigentlichen Bauarbeiten abgeschlossen werden: eine großartige Leistung aller Beteiligten mit einem beeindruckenden Ergebnis.

Heute nun wollen wir mit Ihnen allen, meine Damen und Herren, diese historische Erweiterung der Casa di Goethe um nahezu die Hälfte ihrer Grundfläche feiern. Mehr Platz für Goethe in Rom - was heißt das im Einzelnen?

Ein zentraler Gesichtspunkt der Nutzungskonzeption für die Räume in beiden Etagen ist die Trennung von Ausstellungs- und Veranstaltungsbereich. In der ersten Etage werden weiterhin die Dauer- und eine Wechselausstellung gezeigt, Veranstaltungen finden aber ab heute nur noch hier im zweiten Stock statt, wo außerdem Benutzer die Bibliotheksbestände konsultieren können. Diese neuen Räume bieten bei verbesserter technischer Grundausstattung jetzt auch bei laufendem Museumsbetrieb Platz für Gruppen, Seminare, Workshops, Fortbildungen und museumspädagogische Programme. In der ersten, der eigentlichen Museumsetage brauchen deshalb das ehemalige Atelier von Goethes Gastgeber Tischbein und der bisherige Bibliotheksraum künftig nicht mehr als „Mehrzweckräume" genutzt zu werden. Die Buchbestände sind in den zweiten Stock gewandert, nur die Goethe-Bibliothek Dorn bleibt an ihrem angestammten Platz und wird durch das Ausstellen einiger besonders wertvoller Goethe-Ausgaben als zentraler Teil der Sammlung präsentiert. Auch das neu organisierte Graphik-Depot sowie die Verwaltung sind weiterhin in der ersten Etage untergebracht.

Diese Erweiterung löst aber nicht nur unsere bisherigen Platzprobleme, sondern eröffnet dem Hause auch neue Perspektiven. Wir können, Sie hörten es bereits, unser Stipendium-Programm wieder aufnehmen, und zwar unter verbesserten Bedingungen, weil nun ein eigenes (und sehr schönes) Apartment zur Verfügung steht.

Ein besonderer Glücksfall ist es, dass die Casa di Goethe den kulturhistorisch bedeutsamen Altbestand der 1821 gegründeten deutschen Künstlerbibliothek übernehmen konnte, der das Glanzstück dieser neuen Räume ist. Diese Bibliothek ist als Spiegel der Leseinteressen speziell der Deutschrömer im 19. Jahrhundert ein Zeitdokument ersten Ranges. Die Bestände wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auf verschiedene deutsche Institute in Rom verteilt, Anfang der 1980er Jahre aber wieder zusammengeführt und seither - bis auf einen kleinen, in der Villa Massimo gelagerten Restbestand - im Deutschen Archäologischen Institut aufbewahrt. In der Casa di Goethe hat die besitzerlose Bibliothek nun ihr definitives Domizil gefunden und wird damit erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

J.W. Goethe, Felsentor und Parkweg, 1787; Foto: Klassik Stiftung WeimarDie Bibliotheca Hertziana / Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte hat diese Übergabe zum Anlass genommen, den Nachlass des 1845 in Rom gegründeten Deutschen Künstlervereins, der sich bisher in der Obhut ihres Hauses befand, ebenfalls an uns zu geben und damit das graphische und archivalische Material gleicher Provenienz mit der Bibliothek zusammenzuführen. Die Archivalien erlauben einen einzigartigen Einblick in das Vereinsleben der deutschen Künstler in Rom. Herzstück des insgesamt fast dreihundert Blätter umfassenden graphischen Nachlasses ist ein Album mit gut 140 Porträtzeichnungen von Künstlern, die überwiegend in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Ewigen Stadt gelebt haben. Vier dieser Porträts finden Sie im zweiten Raum.

Ich freue mich, dass wir an diesem besonderen Tag auch eine besondere Ausstellung mit bisher noch nie gezeigten Originalzeichnungen Goethes aus dem Besitz der Klassik Stiftung Weimar eröffnen können. Für diese Auswahl von italienischen Zeichnungen kann ich mir keinen besseren Ort als Goethes ehemalige römische Wohnung vorstellen und keinen schöneren Anlass als die Vergrößerung des an seinen Italienaufenthalt erinnernden Gedenkortes in Rom.

Dass wir zum diesjährigen fünfzehnjährigen Bestehen der Casa di Goethe so viele Gründe zum Feiern haben, verdankt sich der Unterstützung, dem Engagement und dem Wohlwollen sehr vieler Menschen. Das bringt mich, liebe Freunde der Casa di Goethe, in Verlegenheit. Wen soll ich namentlich erwähnen? Herr Hansen hat mir diese schwierige Aufgabe dankenswerter Weise am Anfang abgenommen. Erlauben Sie mir aber bitte doch noch ein paar Worte.

Wir feiern heute die Erweiterung eines deutschen Museums in Italien. Dies in einer Zeit, in der die europäische Wirtschaftskrise die Beziehungen zwischen den Ländern und Menschen nicht gerade erleichtert. Nicht zuletzt Johann Wolfgang Goethe erinnert uns daran, dass unsere gemeinsame Kultur für das Zusammenleben der Menschen und Völker wichtiger ist als der Finanzmarkt. Ich freue mich deshalb, dass die Kulturminister unserer beiden Länder uns heute die Ehre ihrer persönlichen Anwesenheit geben. Mein herzlicher Dank geht an Minister Ornaghi und Staatsminister Neumann sowie an alle Freunde und Förderer in Italien und Deutschland.

Die überaus angenehme und konstruktive Zusammenarbeit mit unserem Architekten Alessandro Casadei und allen an der Baumaßnahme Beteiligten - genannt werden müssen hier vor allem der Statiker Marco Barone und der Bauleiter Angelo Navarra - hat zu dem herausragenden Ergebnis geführt, über das wir uns alle freuen können. Es sind helle, funktionale und technisch hervorragend ausgestattete Räume geworden, in denen man sich sofort wohlfühlt. Dafür gebührt ihnen besondere Anerkennung! Herzlichen Dank vor allem an Sie, lieber Herr Casadei!

Mein ganz persönlicher Dank geht an meine Mitarbeiter, die die mit der Umstrukturierung und dem Umbau verbundenen Aufgaben zusätzlich zum normalen Arbeitspensum mit Bravour gemeistert haben. Vor allem in den letzten Wochen hat das kleine Team Unglaubliches geleistet. Ich möchte sie hier einzeln nennen: Dorothee Hock und Domenico Matilli, die seit Anfang an dabei sind, ebenso wie Renata Crea, die uns Ende letzten Jahres verlassen hat, Isolde Hendel und Suzanne Mille sowie die beiden Praktikantinnen Jill Giljan und Anina Pommerenke. Ihnen bin ich von Herzen für ihr großartiges Engagement dankbar.

Und erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung zum Schluß: Ich bin nicht nur seit der Eröffnung der Casa di Goethe für dieses Haus tätig, sondern war zuvor auch als Mitarbeiterin des AsKI am Aufbau beteiligt. Mehr als 23 Jahre meines Berufslebens waren bisher Goethe in Rom gewidmet. Niemals hätte ich mir träumen lassen, dass die Schlagzeile des heutigen Tages lauten könnte: „Mehr Platz für Goethe in Rom!" Für mich ist es ein deutsch-römisches Wunder und ein bewegender Tag.

Ich danke Ihnen allen!

AsKI KULTUR lebendig 2/2012

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