Beethoven-Haus Bonn: Eine Spurensuche - Joseph Joachim (1831–1907) Ehrenpräsident des Beethoven-Hauses

Joseph Joachim, Radierung von Gustav Eilers nach einer eigenen Zeichnung, Foto: Beethoven-Haus Bonn

Im Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" widmet sich das Beethoven-Haus Bonn seinem ersten und Ehrenpräsidenten, dem Geiger, Komponisten und Hochschullehrer Joseph Joachim.

Joseph Joachim stammte aus einer jüdischen Wollhändlerfamilie aus Kittsee bei Preßburg, er erhielt seine musikalische Prägung u. a. durch Felix Mendelssohn Bartholdy, der ihn an Beethovens Werk heranführte. Unter Mendelssohns Leitung führte er mit noch nicht dreizehn Jahren 1844 Beethovens Violinkonzert in London auf und verhalf dem bis dahin wenig bekannten und als schwer geltenden Werk zum Durchbruch. Von da an galt Joachims Lebenswerk Beethoven. Als Musiker „entdeckte" er Beethovens Kammermusik, vor allem die Streichquartette, neu, die er in vielen Konzerten überall in Europa aufführte.

Als die zwölf Stifter des Vereins Beethoven-Haus 1889 eine geeignete Persönlichkeit suchten, die ihr Unternehmen, die dauerhafte Förderung des Andenkens Beethovens in Bonn, leiten und repräsentieren und zur Verbreitung ihrer Ziele beitragen konnte, wählten sie Joseph Joachim, seit 1869 Rektor der Musikhochschule in Berlin, zu ihrem Ehrenpräsidenten.

Joseph Joachim hob den Verein Beethoven-Haus von vorneherein auf ein hohes Niveau: er sorgte dafür, dass namhafte Ehrenmitglieder, wie Clara Schumann und Johannes Brahms, ernannt wurden, dass die bedeutendsten Beethoven-Sammlungen sich an der schon ein Jahr nach Gründung stattfindenden, in der Zahl der Objekte bisher unübertroffenen Beethoven-Ausstellung beteiligten, und er machte Bonn zum Zentrum der Kammermusik durch Musikfeste, bei denen ausschließlich Kammermusik aufgeführt wurde – ein Novum für das Orchesterkonzerte gewohnte Publikum. An fünf Tagen in der Woche von Christi Himmelfahrt bot sich der Zuhörerschaft in der Beethoven-Halle ein vielfältiges Programm mit dem Schwerpunkt auf Beethoven, bald auch umrahmt von seinen Zeitgenossen Haydn, Mozart und Schubert und mit Johannes Brahms einem auch für Bonn nicht unbedeutenden Komponisten seiner Gegenwart. An den Konzerten wirkten neben dem Joachim-Quartett international anerkannte Musikerinnen und Musiker mit, sie wurden von den höchsten Kreisen der wilhelminischen Gesellschaft und einem wachsenden Stammpublikum besucht.

Joseph Joachim hat im Beethoven-Haus viele Spuren hinterlassen: In erster Linie etwa 200 Briefe, verteilt auf verschiedene Bestände des Beethoven-Hauses. Sie dokumentieren die Zusammenarbeit zwischen dem Vereinsvorstand und dem Ehrenpräsidenten von den ersten Wochen nach der Vereinsgründung an. Joachim war maßgeblich an der Auswahl der ersten Ehrenmitglieder beteiligt, er stellte in Berlin den Kontakt zu Reichskanzler Bismarck und Generalstabschef Moltke her, die als außerordentliche Ehrenmitglieder die Spitze des Reichs vertreten sollten.

Joachim beriet bei der Formulierung der Zeitungsannonce, die den Verein Beethoven-Haus bekannt machen und zum Beitritt oder Spenden auffordern sollte. Später organisierte er von Berlin aus einen Kompositionswettbewerb, mit dem das Beethoven-Haus seinen Beitrag zur Nachwuchsförderung leisten wollte.

Ein Großteil der im Beethoven-Haus überlieferten Korrespondenz betrifft die Kammermusikfeste. Programmentwürfe wurden hin und her geschickt und Vorschläge diskutiert, man beriet über Zu- und Absagen oder Wünsche der Künstlerinnen und Künstler. Gerade für das letzte Kammermusikfest 1907, einige Wochen vor Joachims Tod, war der Austausch zum Programm und den Engagements besonders intensiv. „Ich habe mir wirklich redlich Mühe gegeben und wenn einer Ihrer und der andern Herren Wünsche unerfüllt bleibt, so bitte ich daran zu denken, daß es wohl, allem Ermessen nach, das letzte Mal sein dürfte, daß Ihr Ehrenpräsident die Ehre hat Programme aufzustellen. Ich finde übrigens die diesjährigen besonders abwechslungsreich und interessant," schrieb Joseph Joachim an den Vereinsvorstand.

Weiterhin verdankt die Sammlung des Beethoven-Hauses Joseph Joachim, der selbst leidenschaftlich Autographe und Beethoven-Werke sammelte, einige wichtige Handschriften und Objekte als Schenkungen.

Brief vom 27. April 1889, Foto: Beethoven-Haus Bonn

Es sind dies die Stimmenhefte zu den beiden Streichquartetten op. 130 und 132, die einst dem Auftraggeber Fürst Galitzin gehörten, und der letzte Brief Beethovens vom 6. März 1827 an Sir George Thomas Smart, den Direktor der Philharmonic Society in London, wovon sich der schwerkranke Komponist finanzielle Unterstützung erhoffte, sowie ein Brief an den Bonner Verleger Nikolaus Simrock vom 4. Oktober 1804 zur Drucklegung der „Kreutzer-Sonate", die Joseph Joachim selbst viele Male, oft mit Clara Schumann zusammen, aufgeführt hat. Auch ein paar Strähnen von Beethovens Haupthaar sind ein Geschenk Joseph Joachims.

Bei Joseph Joachims Bedeutung für Bonn spielt die Beziehung zu Robert und Clara Schumann eine große Rolle. Sie fand in einer handschriftlichen Widmung von Clara Schumann ihren Niederschlag: Als Dank für die Unterstützung, die Joseph Joachim ihr während Roberts Klinikaufenthalt in Endenich geleistet hatte, eignete Clara Schumann ihm die Suite des Etudes d'après des Caprices de Paganini ihres Mannes kurz nach dessen Tod 1856 zu.

Widmung von Clara Schumann ‘An den treuen Freund Joseph Joachim‘, März 1856, Foto: Beethoven-Haus Bonn

Auch die Notendrucksammlung birgt Erinnerungen an Joseph Joachim mit Widmungswerken wie der szenischen Dichtung Damajanti für Sopran, Chor und Orchester von Max Bruch, einer Bach-Bearbeitung des Klavier-Konzerts c-moll für 2 Violinen und Pianoforte von
Conrad Berner und – den Bogen zu Beethoven spannend – einer Suite für Violine und Klavier von Franz Ries, einem Neffen des Beethoven-Freundes Ferdinand Ries.

Spuren finden sich auch aus der unrühmlichen Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung. Nach seinem Tod 1907 blieb der Ehrenpräsident in Form einer Büste von Otto Lessing im Beethoven-Haus präsent. Dies war nach 1933 politisch inopportun und unerwünscht. Ludwig Schiedermair, der damalige Vorsitzende des Vereins Beethoven-Haus, der sich gerne mit Bayreuth und Salzburg messen wollte, ließ die Büste in vorauseilendem Gehorsam entfernen. Um das erhoffte Wohlwollen der politischen Machthaber zu gewinnen, wurde der Ehrenpräsident zur persona non grata erklärt.

Umso erfreulicher, dass Joachim nach dem Krieg in Form weiterer Beethoven-Handschriften aus seiner Sammlung sowie durch einige Neuerwerbungen von Briefen und Fotografien wieder ins Beethoven-Haus kam.

TSURIKRUFN! Erinnern an Joseph Joachim

Das Beethoven-Haus erinnert an Joseph Joachim in seinem Beitrag zum AsKI-Gemeinschaftsprojekt tsurikrufn!. Aus der in­ten­siven Beschäftigung mit den Spuren, die der Ehrenpräsident im Beethoven-Haus hinter­lassen hat, wird zudem eine – ebenfalls vom AsKI geförderte – Publikation hervorgehen, in der die verschiedenen Bestände in Einzelbeiträgen vorgestellt werden.

Auch musikalisch bildet Joseph Joachim in diesem Festjahr einen Schwerpunkt. Der frühere Ehrenpräsident steht im Zentrum der BTHVN-Woche 2021, die in der Tradition der Joachimschen Kammermusikfeste im Mai stattfinden soll.

Daniel Hope, Präsident des Beethoven-Hauses Bonn, Foto: Nicolas Zonvi

Unter der Leitung des neuen Präsidenten, des Geigers Daniel Hope, der sich als Musiker und als Präsident Joseph Joachim besonders verbunden fühlt, wird das Programm des ersten Konzerts der Kammermusikfeste vom 11. Mai 1890 noch einmal aufgeführt. Es folgen Konzerte mit Musik von Johannes Brahms und Beethoven sowie Franz Schubert, ebenfalls mit Programmen nach den Kammermusikfesten von 1897 und 1899.

 Dr. Maria Rößner-Richarz | Archivarin,
Beethoven-Haus Bonn

AsKI kultur leben 1/2021

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