Wartburg-Stiftung, Eisenach : Zwischen Kunst, Handwerk und Industrie. Carl Alexander und die Vision von der Schönheit der Dinge

‘Frühlingsfahrt auf die Wartburg‘ mit den Wartburg-Motorwagen der Eisenacher  Fahrzeugfabrik im März 1900,  Wilhelm Hermann, 1900, Fotografie, Wartburg-Stiftung Eisenach

Der am 24. Juni 1818 geborene Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach galt gegen Ende des 19. Jahrhunderts manchem seiner Zeitgenossen als „Innbegriff eines großen Herrn der alten Zeit", als „Letzter, der aus Goethes Tagen" unter ihnen wandelte.

Während seiner Lebenszeit wurde er Zeuge des ungeheuren Wandels, der sich in rasanter Geschwindigkeit in Industrie, Technik, Forschung und Gesellschaft ebenso wie in der Kunst vollzog. Wer hätte bei seiner Geburt ahnen können, dass der Fürst zwei Jahre vor der Jahrhundertwende in einem Wartburg-Motorwagen sitzen und die Wartburg mit elektrischem Licht beleuchtet sein würde?

Die Wartburg war für Carl Alexander nationales Eigentum, Denkmal in wörtlichem Sinne, Museum und privates Refugium zugleich. Im mittelalterlichen Palas und in den Zimmern der Vogtei ließ er die Geschichte seines Landes, seiner Dynastie, ja ganz Deutschlands auferstehen. In den Privatgemächern nebenan genoss er es, in einer Atmosphäre „mit und mitten in der Vergangenheit" zu leben. Dazu gehörten ausdrücklich das Mobiliar und die Kunstsammlung, die er im Lauf der Jahrzehnte auf der Burg zusammentrug. Gemälde, Skulpturen, Tapisserien und Kunsthandwerk verwoben sich mit ihren eigenen Geschichten zu einem neuen Ambiente.

Aus den mehr als 10.000 Objekten der bis heute ständig erweiterten Wartburgsammlung werden im Museum bedeutende Kunstwerke präsentiert. Ein Raum ist allein dem Kunsthandwerk gewidmet, das mit den Objekten aus Glas, Metall, Holz, Keramik und Elfenbein die größte Gruppe des unter Carl Alexanders Regentschaft erworbenen Sammlungsbestandes bildete. Viele Stücke hatten ihren Platz in der sogenannten Schauküche in der unteren Etage des Palas. In diesem vom Großherzog als Speisesaal für sich und seine geladenen Gäste genutzten Privatgemach offenbarte er wohl am deutlichsten seine Vorliebe für die hochwertig gestalteten und repräsentativen Objekte der kleinen Kunst, die aufgestellt auf Truhen und Schränken aus der Zeit um 1500 die Ausstattung des Raums bildeten. Dass hierzu spätestens seit 1875 auch ein ansehnlicher Bestand an Humpen und Willkomm-Gefäßen verschiedener Zünfte des Großherzogtums gehörte, erweist sich bei genauer Betrachtung als merkliches Zeichen des fortschreitenden gesellschaftlichen Wandels.

Hans W. Schmidt,  Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-  Eisenach in der Eisen-  gießerei Stieberitz in Apolda  1889, Öl auf Leinwand, Klassik Stiftung Weimar, Foto: Roland Dreßler

Mit der 1862 eingeführten Gewerbefreiheit war die Zeit des zünftig organisierten, traditionellen Handwerks zu Ende gegangen, die Vereinigungen lösten sich auf, ihre Besitztümer wurden zu Zeugnissen der Vergangenheit. Welche Geschichten die bislang kaum wahrgenommenen und in diesem Rahmen erstmals aufgearbeiteten und nun gezeigten Zunftschätze über die Eisenacher Böttner, die Zeugmacher oder andere Gewerke zu erzählen wissen, ist Gegenstand der Ausstellung und des begleitenden Bandes und bildet sozusagen die Brücke aus der Vergangenheit in die Moderne.

Für Carl Alexander mag der Erwerb der Zunftobjekte ein Stück thüringische Traditionspflege bedeutet haben, verbanden sich für ihn doch auf der Wartburg „Erinnerung und lebende Gegenwart" miteinander. Das Gedenken an Vergangenes muss zuweilen wehmütig gewesen sein, da er an seiner Zeit Unsittlichkeit, Religionsverlust, Effekthascherei oder Profitgier beklagte und noch Schlimmeres befürchtete; der Zukunft und dem Neuen verschloss sich der Fürst deshalb nicht. Den Bau der Eisenbahn als wichtigstem Motor für die Industrialisierung hat er unterstützt, in seinen letzten Lebensjahren zahlreiche Fabriken besucht und sich dabei auch für die sozialen Fragen der Arbeiter interessiert. Letztlich spielte in Carl Alexanders Wirklichkeit jedoch die Schönheit der Dinge eine Hauptrolle, nach seinen Visionen sollte sie überall bestimmend werden und alles Hässliche, Unlautere und Gemeine verdrängen. Unter diesem Aspekt ist sein Lebenswerk zu betrachten: Weimars „Silbernes Zeitalter" und die erneuerte Wartburg als „unablässige ernste Mahnung an die idealen Aufgaben, deren Erfüllung das Vaterland und die ganze gebildete Welt" erwarteten.

Wie sich „Erinnerung und lebendige Gegenwart" gegen Ende des 19. Jahrhunderts schließlich verbanden, als der technische Fortschritt die Wartburg erreichte, wird nun auch erstmals erzählt. Zur Freude des alternden Burgherrn floss ab 1887 aus den Hähnen das Wasser, 1898 erhellten die ersten Glühlampen die Räume der Burg. Davon, dass von Bahnen oder Aufzügen zur besseren Erreichbarkeit der Burg 1883 schon ebenso geträumt wurde wie heute noch zeugt das Projekt einer dampfbetriebenen Zahnradbahn vom Eisenacher Pfarrberg bis zum Gasthof unter der Burg. Indem die Sonderausstellung der Wartburg Carl Alexanders Verhältnis zu Kunst, Handwerk und Industrie nachspürt, verbindet sie das Themenjahr 2018 „Industrialisierung und soziale Bewegungen in Thüringen" mit der Würdigung des 200. Geburtstags des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach.

Dr. Grit Jacobs
Wissenschaftliche Leitung und
Museumspädagogik, Wartburg-Stiftung


Wartburg Eisenach
Zwischen Kunst, Handwerk und Industrie. Carl Alexander und die Vision von der Schönheit der Dinge
bis 28. Februar 2019
Zur Ausstellung ist im Schnell & Steiner Verlag, Regensburg, ein Begleitband erschienen,
hg. von Grit Jacobs und Günter Schuchardt.
232 Seiten, 138 Abb., Preis 15 €
ISBN: 978-3-7954-3374-1

AsKI KULTUR lebendig 2/2018

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