AsKI e.V.: Covergirl, Reise­reporterin, Mäzenin - Erinnerung an eine ungewöhnliche Frau

Herta Gumprecht bei der Maecenas-Ehrung für Dr. Christian Dräger in Lübeck, 2013, Foto: Margret Witzke, Lübeck

Ein großzügiges Geschenk stand am Anfang einer besonderen Beziehung: 1997, zur Eröffnung der vom AsKI getragenen Casa di Goethe in Rom, erschien dank der mäzenatischen Un­terstützung von Herta Gumprecht eine Faksimile-Ausgabe von Goethes Reise-Tagebuch, einer Ikone der europäischen Literatur- und Kulturgeschichte.

 Ein passendes Geschenk für ein neues Haus an einem zentralen Lebensort des Dichters. Ein Geschenk, das aber auch bestens zu der Person passte, der es sich verdankt: Herta Gumprecht war ihr ganzes Leben lang eine leidenschaftliche Reisende und eine ebenso leidenschaftliche Goethe-Verehrerin.

Herta Klier, am 6. Januar 1922 geboren, wuchs in Berlin auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den sie zum Teil in Paris verbracht hat, absolvierte sie im Rheingau eine Ausbildung als Lehrerin. Eine prägende Erfahrung wurde ihre Begegnung mit dem Germanisten und Goethe-Forscher Ernst Beutler, der seit 1925 Direktor des Freien Deutschen Hochstifts war. Als Teilnehmerin seiner Delegation erlebte Herta Klier als junge Frau Thomas Manns legendären Deutschlandbesuch von 1949 und konnte die Feiern in Ost und West und die zweimal gehaltene Goethe-Rede Manns bei der Verleihung des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt und des Goethe-Nationalpreises in Weimar unmittelbar miterleben. Von diesen Erlebnissen hat sie oft erzählt. Sie waren der Grundstein für ihr besonderes lebenslanges Interesse an Literatur.

Titelstory der Revue Nr. 5 vom Februar 1952: „ ‚Mit 182.50 Mark nach Australien ... das kann jede Frau!‘ sagt Herta Klier, die um die halbe Welt trampte, Foto: wirtschaftswundermuseum.de

In diese Zeit fallen auch zahlreiche, zum Teil monatelange und abenteuerliche Reisen als freie Fotoreporterin für eine deutsche Zeitschrift nach Australien, Ägypten, Syrien, Palästina. Mit ihren Bildreportagen und Erlebnissen auf dem fünften Kontinent schaffte sie es auf das Cover der Illustrierten: „'Mit 182,50 Mark nach Australien ... das kann jede Frau!' sagt Herta Klier, die um die halbe Welt trampte", titelte die REVUE im Februar 1952. „Übertriebene Sorgen machte ich mir nicht, denn ich hatte arbeiten gelernt. Ich konnte nicht nur waschen, kochen und stricken, sondern auch holzhacken, Elektriker spielen, Kinder versorgen und Corned Beef verkaufen. Ich machte die angenehme Erfahrung, daß ich mit diesen Fähigkeiten im Ausland einigermaßen leben und mein Reisegeld verdienen konnte."

Bereits im Sommer 1950 begleitete sie mit ihrer Leica Konrad Adenauer während seines ersten Urlaubes als Bundeskanzler am Vierwaldstättersee in der Schweiz. Die Negative der stimmungsvollen Aufnahmen schenkte sie 2008 der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf.

1953 heiratete Herta Klier in Montevideo und lebte mit ihrem Mann anschließend fünf Jahre in Südamerika und fast sieben Jahre in den Niederlanden. Das Paar unternahm viele Reisen, Italien nahm dabei einen besonderen Stellenwert ein.

Nach dem Tod ihres Mannes setzte Herta Gumprecht die Reisen alleine fort, oft war sie in ihrem Privat-PKW auch über lange Strecken unterwegs, regelmäßig reiste sie in Städte, die sie besonders liebte und in denen sie mit Kultureinrichtungen , die sie unterstützte, eng verbunden war. Die Goethe-Stätten in Weimar, Rom und Düsseldorf gehörten genauso dazu wie etwa auch das Bauhaus Archiv in Berlin und das Buddenbrookhaus in Lübeck, alle Einrichtungen sind Mitgliedsinstitute des AsKI. Die Feiern zum Goethe-Geburtstag am 28. August in Düsseldorf gehörten zu ihren festen Fixpunkten.

Max Eugen-Kemper, Prälat und langjähriger Geistlicher Gesandter der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl, hatte Mitte der 1990er-Jahre die Verbindung zwischen Herta Gumprecht und dem römischen Goethe-Haus hergestellt. Ihm und Konrad Scheurmann, dem damaligen Geschäftsführer des AsKI, gelang es, Herta Gumprecht für die Idee einer Faksimilierung von Goethes Reisetagebuch zu gewinnen. Es kam zu zahlreichen Treffen in Bonn und in Rom, wo sie mich als gerade bestellte Gründungsdirektorin kennen lernen wollte. Gespräche, die oft erst spät in der Nacht in der Bar des Hotels Santa Chiara am Pantheon, wo sie während ihrer Rom-Aufenthalte immer wohnte, endeten. Herta Gumprecht wollte nicht nur einfach Geld geben. Sie investierte viel Zeit und Energie, erwartete ein entsprechendes Engagement aber auch von der anderen Seite und forderte eine persönliche Beziehung geradezu ein. Unzählige anregende, aber manchmal durchaus auch anstrengende Begegnungen prägten über viele Jahre unsere Zusammenarbeit.

Zu wichtigen Terminen kam sie persönlich nach Rom, zu Ausstellungseröffnungen, Festen und auch Veranstaltungen, die durch ihre Unterstützung ermöglicht worden waren. Dazu gehörten beispielsweise Präsentationen von zwei Publikationen, die Herta Gumprecht maßgeblich finanziert hat: eine von Roberto Venuti 2002 herausgegebene italienische Ausgabe von Goethes Reisetagebuch und seiner Briefe aus Italien sowie ein Band mit Briefen von Friedrich Bury aus Italien an Goethe und Anna Amalia. Bury war nicht nur ein römischer Hausgenosse des Dichters, sondern auch sein bevorzugter Schützling. Die 2007 im Wallstein Verlag erschienene Edition dieser Briefe ging auf Vorarbeiten zurück, die der Germanist und Kunsthistoriker Martine Dönike als Stipendiat der Casa di Goethe in den Räumen anstellen konnte, in denen die Briefe 200 Jahre zuvor geschrieben worden waren.

Diese Besuche verbanden wir mit zahlreichen Ausflügen in die Umgebung von Rom, in die Albaner Berger, an den Nemi-See, zu den Etrusker-Stätten im Norden. Die Erweiterung der Casa di Goethe im Jahr 2012 hat Herta Gumprecht noch erlebt, persönlich konnte sie sich aber die neuen Räumlichkeiten zu ihrem großen Bedauern nicht mehr ansehen.

Mit Herta Gumprecht blieb ich auch nach 2013, als ich meine Tätigkeit als Leiterin der Casa di Goethe nach sechzehn Jahren beendete und nach Deutschland zurückkehrte, in regelmäßigem Telefonkontakt. Am Ende war es eine freundschaftliche Beziehung.

Im Dezember 2019 starb sie kurz vor ihrem 98. Geburtstag in ihrem Haus in Rinteln bei Hannover. Die Klassik Stiftung Weimar und andere Institutionen und Personen bedachte sie in ihrem Testament, darunter auch die Casa di Goethe, der sie einen sechsstelligen Euro-Betrag hinterließ, mit dem gleichen DM-Betrag hatte ihre Unterstützung für die Casa di Goethe begonnen. So schließt sich der Kreis.

 Ursula Bongaerts | Leiterin
Programm-Management und Evaluation bei der
Kulturstiftung des Bundes in Halle an der Saale ·
Leiterin der Casa di Goethe von 1997–2013

 

AsKI kultur leben 1/2020

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