Beethoven-Haus Bonn : Erwerb zweier bedeutender Beethoven-Handschriften

Lied ‘Ruf vom Berge‘ WoO 147 (S. 1 und 2),  Foto: : Beethoven-Haus Bonn

Auf einer Auktion in Paris konnte das Bonner Beethoven-Haus zwei besondere Beethoven-Autographe erwerben. Beide Originalhandschriften waren bis vor kurzem unbekannt, bei beiden handelt es sich um ein nationales Kulturgut ersten Ranges. Der Ankauf ist auch insofern bemerkenswert, als das Beethoven-Haus in den letzten Jahren häufig das Nachsehen gehabt hatte: Ein Investmentfonds auf Handschriften zahlte nahezu jeden Preis und erhielt deshalb oft den Zuschlag. Nachdem dieser Fonds vom französischen Staat geschlossen worden war, kamen am 20. Juni in Paris auf einen Schlag zahlreiche Komponisten-Handschriften auf den Markt, darunter vier Beethoven-Autographe.

Zwei davon hatte das Beethoven-Haus schon früher zu erwerben versucht – nämlich einen Brief des jungen Beethoven an seinen Bonner Jugendfreund Heinrich von Struve und das Autograph des Liedes „Ruf vom Berge" WoO 147. Dank der Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Kulturstiftung der Länder, die im Rahmen einer Finanzierungskoalition je ein Drittel der Kaufsumme bereitstellten, konnten diese beiden Stücke nun für die Sammlung des Hauses gesichert werden.

„Der Erwerb der autographen Kostbarkeiten ist ein großer Gewinn für das Bonner Beethoven-Haus als Ort der umfassenden Pflege und Vermittlung des Werkes dieses weltweit so bedeutenden Komponisten", erklärt Kulturstaatsministerin Monika Grütters. „Ich freue mich deshalb sehr, dass diese kulturhistorisch wichtigen Originalhandschriften Ludwig van Beethovens mit Mitteln aus meinem Kulturetat angekauft werden konnten. Ein weiteres Mal ist es uns so gelungen, national wertvolles Kulturgut für das Beethoven-Haus zu sichern und dauerhaft der weiteren wissenschaftlichen Aufarbeitung wie auch der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen."

„Das Beethoven-Haus Bonn ist als Archiv und als Forschungsstätte zu Leben und Werk Ludwig van Beethovens weltweit einzigartig. Ich bin froh, dass mit dem vom Land geförderten Ankauf der beiden Autographen die Sammlung in Bonn um zwei wichtige Exponate bereichert werden kann. Im Jahr 2020 wird das Beethoven-Haus in Bonn im Zentrum der Aktivitäten rund um den 250. Geburtstag Beethovens stehen und mit seiner herausragenden Sammlung Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt beeindrucken", sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, begrüßt das Vorhaben des Beethoven-Hauses, die Manuskripte öffentlich zugänglich zu machen: „Die öffentliche Präsentation der beiden bisher unbekannten Handschriften im Original wie auch digital durch das Bonner Beethoven-Haus freut uns sehr. Im Schulterschluss mit Bund und Ländern ist es uns gelungen, Autographen, die jahrelang als Investmentanlagen in Depots lagerten, zugänglich zu sichern."

Brief Beethovens an Heinrich von Struve (S. 1 und 4), Foto: : Beethoven-Haus Bonn

Die Handschrift des Liedes WoO 147 galt seit langem als verschollen und tauchte erstmals 2004 auf dem Autographenmarkt auf. Beethoven hatte diese Niederschrift dem Librettisten seiner Oper „Fidelio", Friedrich Treitschke, geschenkt, der auch den Text des Liedes verfasst hatte. Auf dem Titelblatt hielt Beethoven eine Widmung für ihn fest: „Für Seine Wohlgebohren H: v. Treischke bester Dichter u. Trachter von den Ufern der Wien bis zum Amazonen Fluß. – Von L. v. Beethoven am 13ten WinterMonath [November] 1816". Eine Version des Liedes war 1817 als Musikbeilage in Treitschkes Gedichtband erschienen. Im Beethoven-Haus befindet sich bereits seit 1956 in der Sammlung Bodmer ein Brief, in dem Beethoven den Dichter bittet, die Musikhandschrift dem Verleger Steiner zu übergeben, „damit das Gestochene, welches von Fehlern zerstochen, sogleich wieder, wie es seyn muß, gestochen werden kann, u zwar um so mehr, weil sonst auf das Dichten u. Trachten ganz erschrechlich gestochen u. gehauen wird werden." Entweder hatte Treitschke dieser Bitte nicht entsprochen oder der Verlag hatte kein Interesse, jedenfalls erschien nie eine revidierte Ausgabe des Liedes bei Steiner. Vergleicht man das neu erworbene Autograph mit der bisher bekannten Version des Liedes, so finden sich tatsächlich etliche Varianten im Notentext. „Wir können also nun endlich dem Wunsch Beethovens entsprechen und die Version des Liedes in die Welt bringen, die er veröffentlicht haben wollte", freut sich Julia Ronge, designierte Kustodin des Beethoven-Hauses.

Noch bemerkenswerter ist der Brief Beethovens an Heinrich von Struve. Er tauchte erst 2012 im Autographenhandel auf und war bis dato gänzlich unbekannt. Der Brief hat ein extrem kleines Format, er ist nicht größer als ein Handteller. Sein Inhalt ist dafür umso bedeutender. Struve war wie sein Vater und seine Brüder Diplomat in russischen Diensten. Im Frühjahr 1795 hatte er in Wien seine Freunde Beethoven, Lorenz von Breuning und Franz Gerhard Wegeler besucht und war dann nach Russland weitergereist. Offenbar hatte er nach Wien geschrieben, denn Beethoven bedankt sich zunächst überschwänglich. Was dann folgt, sind rare Einblicke in Beethovens politische Überzeugungen und die Ansichten des Bonner Zehrgarten-Freundeskreises: „du bist also jezt in dem Kalten Lande wo die Menscheit noch so sehr unter ihrer Würde behandelt wird, ich weiß gewiß, daß dir da manches begegnen wird, was wider deine Denkungs-Art, dein Herz, und überhaupt wider dein ganzes Gefühl ist. wann wird auch der Zeitpunkt kommen wo es nur Menschen geben wird, wir werden wohl diesen glücklichen Zeitpunkt nur an einigen Orten heran nahen sehen, aber allgemein – das werden wir nicht sehen, da werden wohl noch Jahrhunderte vorübergehen."

„Mit diesem anrührenden Brief kommen wir der progressiven Haltung Beethovens und seines Bonner Freundeskreises zu den Idealen der französischen Revolution besonders nahe", erläutert Beethoven-Haus-Direktor Malte Boecker die Bedeutung des Briefes.

Ursula Timmer-Fontani
Leiterin Unternehmenskommunikation
Beethoven-Haus Bonn

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2018
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