Kunsthalle Bremen : Hans Christian Andersen. Poet mit Feder und Schere

Hans Christian Andersen, Mann mit Tablett auf dem Kopf, darauf Gebäude und Schwan, o. J., Scherenschnitt, Foto: Odense City Museums

Mit Märchen wie „Des Kaisers neue Kleider", „Die Prinzessin auf der Erbse" oder „Die kleine Meerjungfrau" erlangte der dänische Dichter Hans Christian Andersen (1805 – 1875) bereits zu Lebzeiten größte Berühmtheit. Noch heute zählt sein Werk zur Weltliteratur. Nahezu unbekannt ist in Deutschland jedoch, dass Andersen zeitlebens den inneren Drang verspürte, auch bildkünstlerisch zu arbeiten.

Die Kunsthalle Bremen präsentiert das überraschende Werk dieses „anderen Andersen" in einer der größten Ausstellungen, die je außerhalb Dänemarks zu Andersens Kunst gezeigt wurden.

Der Bremer Kunsthistoriker Detlef Stein wurde auf die Scherenschnitte und Zeichnungen des Dichters in Odense, Andersens Geburtsstadt, aufmerksam. Zusammen mit Anne Buschhoff, Kustodin an der Kunsthalle Bremen, wurde ein Konzept entwickelt, dass die feinsinnigen und aus heutiger Sicht erstaunlich modern anmutenden Arbeiten auf Papier in historische, aber auch aktuelle Kontexte setzt. Auch die Pop-Art Ikone Andy Warhol legte eine Spur zu Andersens Werk: Er hielt Andersen und dessen Scherenschnitte in farbstarken Siebdrucken fest und leistete damit einen illustren Beitrag zu der künstlerischen Andersen-Rezeption, die bis in die Gegenwart anhält.

Hans Christian Andersen, Der Botaniker, 1848, Scherenschnitt, Königliche Bibliothek Kopenhagen

Viele der filigranen Scherenschnitte erzählen motivisch indirekt aus Andersens Leben. So etwa verweisen die zahlreichen Ballerinen und Theaterbühnen darauf, dass er mit vierzehn Jahren den ärmlichen Verhältnissen seiner Kindheit in Odense entfloh, um in Kopenhagen eine Bühnenkarriere zu machen. Dieser Traum zerschlug sich. So verlegte sich Andersen auf das Schreiben von Theaterstücken und wurde schließlich ein berühmter Dichter und gern gesehener Gesellschafter an zahlreichen europäischen Herrenhöfen und am dänischen Königshaus. Wenn er seine Märchen erzählte, schnitt Andersen dabei Scherenschnitte und versetzte sein Publikum in Verblüffung, indem er beides gleichzeitig abschloss. Gerne trug er das Märchen vom hässlichen Entlein vor, das sich letztlich als schöner Schwan entpuppt, und zementierte damit den romantischen Mythos von seiner eigenen, märchenhaften Dichterkarriere. Schwäne erscheinen auch in seinen Scherenschnitten. Diese zeigen jedoch nicht nur Schönes und Liebliches, sondern auch gruselige Teufel und dämonische Wesen, die noch daran erinnern, dass Andersen in einer Umgebung aufwuchs, die für Aberglauben sehr empfänglich war.

Neben Andersens Kunst und deren Rezeption wird die Ausstellung auch die Aufenthalte des Dichters in Bremen dokumentieren: Vor 175 Jahren kam er auf der Durchreise von Kopenhagen nach Paris zum ersten Mal nach Bremen, wo er unter anderem auch die dritte Ausstellung des Kunstvereins in Bremen besuchte. Viele seiner Reiseetappen waren wenig angenehm, über die Hansestadt jedoch heißt es in seinem Tagebuch: „...Bremen tauchte als Oase auf, das machten die freundlichen Gesichter, die ich dort traf".


Kunsthalle Bremen
Hans Christian Andersen. Poet mit Feder und Schere
20. Oktober 2018 – 24. Februar 2019
www.kunsthalle-bremen.de
Zur Ausstellung ist im Wienand Verlag ein Katalog erschienen
mit Texten von Ejnar Stig Asgaard, Anne Buschhoff, Klaus Müller-Wille, Detlef Stein.
300 Seiten, zahlr. Farbabb, Preis 32 €
ISBN 978-3-86832-451-8

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2018

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