Archiv der Akademie der Künste, Berlin: Heartfield Online - www.heartfield.adk.de

Startseite von ‘Heartfeld Online‘ mit der Fotomontage von John Heartfeld, ‘Krieg und Leichen – Die letzte Hoffnung der Reichen‘, 1932, Foto: John Heartfeld, Originalmontage für den Gedichtband ‘Und sie bewegt sich doch! Freie Deutsche Dichtung‘, London 1943, Foto: Akademie der Künste Berlin © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn; Kunstsammlung der Akademie der Künste - Webdesign von Heimann + Schwantes, Berlin

Online-Datenbanken und Bestandskataloge sind als zentrale Recherchemittel integrale Bestandteile unserer Kulturlandschaft. Die virtuelle Publikation künstlerischer Werknachlässe stellt in vielerlei Hinsicht eine Chance, oft aber auch eine besondere Herausforderung dar.

Sie müssen den Ansprüchen der individuellen Bestände und gleichermaßen den jeweiligen Erwartungen der Nutzer und Nutzerinnen entsprechen. So wurde bereits eine Reihe von Präsentationstools entwickelt, die es erlauben, Digitalisate, angereichert mit den entsprechenden Normdaten unter Einsatz eines relativ überschaubaren Arbeits- und Kostenaufwands, online zu präsentieren. Stetig wachsende Online-Plattformen, wie die Deutsche Digitale Bibliothek oder Europeana, ermöglichen den Datenexport über VPN-Schnittstellen und stellen Bilder und Text der Allgemeinheit zur Verfügung. Nutzen und Vorteile solcher Präsentationsformen sind nicht von der Hand zu weisen. Für die geplante Präsentation eines der prominentesten und mit rund 6.200 Objekten umfangreichsten Bestände der Kunstsammlung der Akademie der Künste, des grafischen Nachlasses John Heartfields (1891-1968), erwiesen sich die Möglichkeiten vorhandener Online-Datenbanken jedoch in vielerlei Hinsicht als zu limitiert. Es war uns wichtig, die qualitativ sehr hochwertigen Digitalisate bestmöglich zu präsentieren und einen internationalen, sehr diversen Nutzerkreis – Schüler, Studenten, Heartfieldforscher, Experten und interessierte Laien – ein auf ihre Bedürfnisse ideal abgestimmtes Recherchewerkzeug zur Verfügung zu stellen.

Im Rahmen eines von der Ernst von Siemens Kunststiftung geförderten Forschungs- und Erschließungsprojekts gelang es uns, innerhalb von drei Jahren, eine optimale Präsentationsform für diesen herausragenden Bestand als Best-Practice-Modell zu entwickeln, der unter www.heartfield.adk.de ab sofort kostenlos zur Verfügung steht.

John Heartfeld, Originalmontage für den Gedichtband ‘Und sie bewegt sich doch! Freie Deutsche Dichtung‘, London 1943, Foto: Akademie der Künste Berlin © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn; Kunstsammlung der Akademie der Künste

Eine systematische Verzeichnung garantiert, dass komplexe Bild- und Sachzusammenhänge präsentiert und auf der Website kompakt gebündelt werden. Um sich von jedem Punkt des Kataloges explorativ durch das Schaffen Heartfields bewegen zu können, sind die Seiten und Werke in vielfacher Weise miteinander verlinkt. In einer Lightbox kann man tief in die hochaufgelösten Scans hinein zoomen und die Objekte drehen. Interaktive Elemente wie die Teilen-Funktionen oder ein eigenes Portfolio, in dem Werke in persönlichen Alben gespeichert und im Leuchttisch miteinander verglichen werden könne, erhöhen zusätzlich die Attraktivität des Kataloges. Neben dem explorativen Zugang verfügt er über verschiedene Suchfunktionen: Eine klassische Freitextsuche über alle Felder mit Booleschen Operatoren und verschiedenen Filtermöglichkeiten sowie eine Zeitstrahlsuche, die sich an den Lebensstationen Heartfields orientiert. Hier können Zeiträume eingegrenzt und die Werke nach Objekttypen gefiltert werden.

Die visuelle Darstellung der Werke ermöglicht es, die im Original mitunter fragilen Kunstwerke mithilfe von Zoom- oder Vergleichsfunktionen en détail zu untersuchen, gegenüberzustellen oder Alben zu kreieren. Die sich überschlagenden politischen Ereignisse der Weimarer Republik bewegten Heartfield, den Meister der politischen Fotomontage, dessen Ruhm zunächst primär auf seinen Buchumschlägen für den Malik-Verlag fußte, sich verstärkt der politischen Agitation zu widmen. Seine Fotomontagen aus den 1930er-Jahren gehören zu den Ikonen des antifaschistischen Widerstands. Dementsprechend war es uns ein besonderes Anliegen, diese Werke zu erläutern, sie in Bezug zu seiner Biografie zu setzen und einer heterogenen Nutzergruppe eine kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Werken, aber auch mit übergeordneten (kultur)historischen Themen zu ermöglichen. Der mit Fotos und Zitaten angereicherte Lebenslauf, eine Bibliografie und ein Glossar sorgen für die nötige Kontextualisierung.

John Heartfeld, Buchgestaltung für ‘Deutschland, Deutschland über alles‘ von Kurt Tucholsky, 1929, Akademie der Künste, Berlin © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn; Kunstsammlung der Akademie der Künste

Wichtig war uns auch, Heartfields Arbeitsprozesse und Bezüge zwischen den einzelnen Werken zu visualisieren. Die vom Künstler zusammengetragenen Montagematerialien, also seine gesammelten und nicht sämtlich genutzten fotografischen Quellen, werden ebenso präsentiert wie viele bisher unbekannte, mitunter vor der Publikation verworfene Bildeinfälle oder die Entwürfe für Buchumschläge, die sich entsprechend der Editionshistorie aber auch als Reaktion auf Zensurmaßnahmen wandeln.

Durch die systematische Erschließung des bildkünstlerischen Nachlasses treten nun auch weitere überraschende Aspekte seines künstlerischen Schaffens zu Tage, die nur selten mit Heartfields Schaffen assoziiert werden, beispielsweise hunderte von Skizzen für Kostüme und Bühnenbilder, sowie Entwürfe für Spielzeug oder Keramik.

In einem nächsten Schritt erarbeitet die Akademie eine virtuelle Ausstellung Kosmos Heartfield, die sich dem kreativen Netzwerk John Heartfields im Spiegel der Nachlassbestände im Archiv der Akademie der Künste widmet. 2020 können sich Heartfield-Fans auf die Eröffnung der großen Retrospektive „Fotografie plus Dynamit" am Pariser Platz freuen, in der u.a. die Ergebnisse des Forschungs- und Erschließungsprojekts präsentiert werden.

Meike Herdes und Anna Schultz
Mitarbeiterinnen in der Kunstsammlung
Archiv der Akademie der Künste, Berlin

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2019

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