2002 - Jubiläen im AsKI: Blechtrommeln für Goethe

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Lesung in der Casa di Goethe am 11. Juni 2002: Günter Grass signiert 'Im Krebsgang'; © Foto: Utta Wickert-Sili, Rom

"In gemischter Gesellschaft": Mit einer Grass-Ausstellung feiert die römische Casa di Goethe ihren fünften Geburtstag

Rom sei, so schrieb Goethe 1787 an Frau von Stein, "der einzige Ort auf der Welt für den Künstler und ich bin doch einmal nichts anders." Auf diesen Spuren zu wandeln ist auch für einen Nobelpreisträger wie Günter Grass, der im Herbst seinen 75. Geburtstag feiert, nicht ohne Reiz. So hat er die Einladung der römischen Casa di Goethe angenommen, in der Via del Corso einen Teil seiner Arbeiten als bildender Künstler zu zeigen.

In der Ausstellung: Ute und Günter Grass mit Ursula Bongaerts; © Foto: Utta Wickert-Sili, Rom

Die Ausstellung von Grafiken, Bildern und Plastiken, die von ersten Skizzen für den 1956 erschienenen Lyrikband "Die Vorzüge der Windhühner" über den legendären "Pariser Koffer" mit einem signierten und datierten Typoskript einer frühen Fassung der Blechtrommel (Leihgabe Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg) bis zu großformatigen Aquarellen für "Mein Jahrhundert" reicht, ist aus den Beständen des neu gegründeten Lübecker Grass-Hauses zusammengestellt worden. Das ist gleichsam eine Generalprobe auf fremder Bühne, denn das Grass-Haus wird als Forum für Literatur und bildende Kunst erst im Oktober in Lübeck eingeweiht. Eröffnung der Grass-Ausstellung am 30. Mai 2002: Staatsminister Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin; Ministerialrätin Dr. Monika Palmen-Schrübbers, BKM; Dr. Hans Wißkirchen, Leiter der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck; © Foto: Utta Wickert-Sili, Rom"In gemischter Gesellschaft" lautet der Titel der Grass-Ausstellung, die am 30. Mai von Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin und dem römischen Bürgermeister Walter Veltroni eröffnet wurde und noch bis zum 9. September zu sehen ist. Der Nobelpreisträger selbst kam zu einer Lesung am 11. Juni nach Rom.

Mit diesen Veranstaltungen feiert die Casa di Goethe, das einzige deutsche Museum außerhalb der Bundesrepublik, ihr fünfjähriges Bestehen. Nachdem es bereits in den siebziger Jahren zeitweilig ein vom Frankfurter Freien Deutschen Hochstift betreutes Museum im selben Gebäude gegeben hatte, konnte die Wohnung, in der Goethe von 1786 bis 1788 bei seinem Malerfreund Tischbein gelebt hatte, mit Hilfe der damaligen Daimler-Benz AG von der Bundesrepublik erworben und restauriert werden. In einer Zeit, in der man sonst nur über Kürzungen der Finanzmittel oder gar über die Schließung von öffentlichen Einrichtungen diskutiert, war das ein ungewöhnlich ermutigender Vorgang.

Günter Grass im Atelier, 2000; © Foto: Hans Grunert, Berlin

Unter der Leitung der Historikerin Ursula Bongaerts hat sich die Casa die Goethe auf nur 600 Quadratmetern dann sogar zu einem kleinen Treffpunkt europäischer Kultur entwickeln können. Die Dauerausstellung von Bildern, Büchern und Objekten zum Romaufenthalt Goethes und zur Werkrezeption zieht jährlich rund 22.000 Besucher an, davon fast die Hälfte Italiener. Die Bibliothek (auf der Basis der Sammlung Dorn) mit Erstausgaben und reicher Sekundärliteratur, die inzwischen auf 10.000 Bände angewachsen ist, gibt die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung - und sprengt bereits die Räumlichkeiten. Eine Stipendiatenstelle, die alle halbe Jahre neu vergeben wird (u.a. genutzt von dem Fotografen Martin Zeller, der Illustratorin Siglint Kessler, dem Autor F. C. Delius oder dem Redakteur Jürg Dieter Kogel, der auch die Grass-Ausstellung initiiert hat), sorgt für interdisziplinären Umgang mit dem Erbe Goethes. Vielleicht am wichtigsten aber sind neben den üblichen Lesungen, Vorträgen, Konzerten und Tagungen die wechselnden Ausstellungen aus der bildenden Kunst (zuletzt Katharina Sieverding), der Fotografie (Fridhelm Volk), des Comics (Papan) oder der Literaturgeschichte (Marie Luise Kaschnitz). So ist diese Casa di Goethe - unter der Trägerschaft des Arbeitskreises selbständiger Kultur-Institute (AsKI) - mit einem frischen Programm von Anfang der Falle entgangen, als museale Stätte der Goethe-Verehrung Langeweile zu verbreiten. Und wenn Ursula Bongaerts einen Wunsch frei hätte, dann wäre das neben weiteren Räumen für die Bibliothek der Ankauf eines kleinen Ladens im Erdgeschoss. Da ließe sich denn eine Art Goethe-Shop einrichten, wo man mitten in Rom für die deutsche Kultur werben und den "Werther" verkaufen könnte - und dann und wann auch eine "Blechtrommel".

Leicht erweiterte Fassung eines Beitrags, zuerst erschienen in der Süddeutschen Zeitung vom 29./30. Mai 2002

Henning Klüver
Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Mailand/Italien

Im Tischbein-Atelier: WM-Spiel Deutschland/Kamerun am 11. Juni 2002 v.l.: Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard, amtierender Vorsitzender des AsKI, Generalsekretär des Goethe-Instituts InterNationes; Prof. Rudolf Hoberg, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache; Ute Grass; Ursula Bongaerts; Günter Grass; Enrico Ganni, Verlag Einaudi


Günter Grass. In gemischter Gesellschaft
Eine Ausstellung der Casa di Goethe, Rom und des Günter Grass-Hauses Lübeck in Zusammenarbeit mit der Günter Grass Stiftung Bremen und Radio Bremen
Kurator der Ausstellung: Kai Artinger
Leihgeber: Günter Grass, Lübeck; Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg; Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin; Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin
Eine zweisprachige Publikation (88 S., zahlreiche Farbabb.) kann über die Casa di Goethe oder den AsKI-Shop zum Preis von 11,- EUR erworben werden.
  • Rom, Casa di Goethe 31.5. - 9.9.2002
  • Günter Grass Stiftung Bremen, Stadtwaage 29.9. -15.12.2002 (in veränderter Form)
Zum fünfjährigen Bestehen der Casa di Goethe erschien die erste vollständige italienische Übersetzung von Goethes "Reisetagebuch" und seinen Briefen aus Italien mit einem umfassenden Kommentarteil. Johann Wolfgang Goethe, "Diari e lettere dall'Italia", hrsg. von Roberto Venuti, Artemide Edizioni 2002 kann über die Casa di Goethe zum Vorzugspreis von 25,- € bestellt werden.
Anlässlich ihres Geburtstages präsentierte die Casa di Goethe auch das von ihr konzipierte Gedächtnisspiel MEGOMO, das mit 30 verschiedenen Abbildungen Einblick in die Aktivitäten des römischen Goethe-Museums vermittelt. (12,- €)

 

AsKI KULTURBERICHTE 2/2002

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