2002 - Jubiläen im AsKI: 150 Jahre Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg II

Die Entstehung der Sammlung

Schon der erste Katalog von 1855/56 listete Tausende von Objekten auf, Originale ebenso wie Abgüsse. Zeitlich war die Sammeltätigkeit auf die Epochen des Mittelalters und der frühen Neuzeit "vorläufig bis um 1650" beschränkt. Einige Jahre nach Gründung des Museums wurde der Auftrag um den Bereich der Vor- und Frühgeschichte erweitert, wodurch man in direkte Konkurrenz zum Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz trat - mit dem Erwerb einer großen Privatsammlung 1881 konnte man auch hier die führende Rolle übernehmen. In den 80er und 90er Jahren erschien eine Reihe von Bestandskatalogen aus allen Bereichen der Kunst- und Kulturgeschichte.

Direktor des Germanischen Nationalmuseums war von 1866 bis 1892 August von Essenwein, ihm folgte 1894 bis 1920 Gustav von Bezold, beide waren als Architektur- und Bauhistoriker bekannt geworden. Ihnen ist es zu verdanken, dass das Museum nicht mehr vorwiegend Kopien, Abschriften, Abgüsse im Sinne eines Repertoriums sammelte, sondern sich vielmehr um die Originale bemühte. Diese kamen in großer Zahl und nicht zuletzt dank ungeheurem Bürgerengagement ins Museum, das binnen weniger Jahrzehnte auch seinen Anspruch als Nationalmuseum von europäischem Rang durch die Bedeutung seiner Exponate begründen konnte. Heute wäre es selbst mit erheblichem Geldaufwand nicht mehr möglich, eine Sammlung ähnlicher Qualität zusammenzustellen. Beide Direktoren legten außerordentlichen Wert darauf, dass nicht die "Ereignisgeschichte", die im 19.Jahrhundert sonst so sehr interessierte, im Mittelpunkt der Sammeltätigkeit stand, sondern die "materielle Kultur". Gemälde, Skulpturen und Kunsthandwerk, vor- und frühgeschichtliches Grabungsgut, volkskundliche Objekte und Musikinstrumente, Objekte der Zunft, der Rechtsaltertümer und des Handels sollten das Leben der Menschen in den vergangenen Epochen dokumentieren. Aspekte des Hausbaus und der Architektur blieben dabei natürlich nicht ausgespart.

Armilla (Oberarmschmuck), Kupfer, vergoldet, Email, Rhein-Maas-Gebiet, 1170-80, Germanisches Nationalmuseum © Foto: J. Musolf / Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Zum Nachfolger Gustav von Bezolds wurde 1920 Ernst Heinrich Zimmermann bestellt, bei Amtsantritt erst 33 Jahre alt und damit der jüngste Direktor, den das Museum jemals hatte. Von der Ausbildung her Kunsthistoriker, wandelte er das Konzept der Sammlung stark in diese Richtung ab. Sammlungen wie die zum Bereich der Architektur gerieten in der folgenden Zeit ins Hintertreffen. Von Bedeutung war aber die Erweiterung des Sammlungskonzeptes um den Barock, also bis in die Jahre um 1800: Malerei und Skulptur dieser Zeit sammelte Zimmermann in großem Umfang - mangels eines Etats allerdings oft im Tausch mit ihm weniger wichtig erscheinenden gotischen Bildwerken aus Nordwestdeutschland. Die dadurch entstandenen Lücken sollen sich erst jetzt nach mehr als 75 Jahren schließen.

1936 wurde Heinrich Kohlhausen zum Direktor gewählt. Zu seinen Leistungen zählt es, das Museum auf einer Gratwanderung durch die Zeit des Nationalsozialismus gebracht zu haben, ohne die politischen Machthaber gegen sich aufzubringen, aber auch ohne sich zu sehr in ihre Abhängigkeit zu begeben. Während Nürnberg zur Stadt der Reichsparteitage erkoren wurde und die verbrecherischen Rassegesetze seither mit dem Namen der Stadt untrennbar verbunden sind, blieb das Haus von offiziellen "Führerbesuchen" verschont. Das Germanische Nationalmuseum wurde für die Nationalsozialisten zwar kein Identifikationspunkt, es ganz zu ignorieren, konnten sie sich allerdings auch nicht erlauben - dies mag die Zwitterstellung des Museums in der Zeit des Dritten Reichs erklären.

Nach den Angriffen deutscher Bomber auf Spanien 1937 und England 1940 geriet das Museum in eine Zwickmühle: Maßnahmen zur Sicherung gegen Bombenangriffe hätten signalisiert, dass man der nationalsozialistischen Propaganda misstraute, der Verzicht auf diese Maßnahmen hätte jedoch die Preisgabe wertvollsten Kulturgutes bedeutet. Kohlhausen gelang es allen Widrigkeiten zum Trotz, den größten Teil des wertvollen Museumsbestandes in einem Umkreis von rund 100 km um Nürnberg in Auslagerungsdepots sicherzustellen und vor Schaden zu bewahren. Gravierende Zerstörungen erlitt allerdings das Museumsgebäude selbst durch mehr als 1000 Treffer von Granaten und Bomben. Viele der nicht ausgelagerten oder nicht auslagerungsfähigen Objekte gingen verloren, darunter wesentliche Teile der Gipsabguss-Sammlung und das berühmte Heilsbronner Kirchenportal. Von den Auslagerungsstätten brannte eine aus (die Cadolzburg), eine andere wurde geplündert (die Plassenburg), möglicherweise von den mit der Auslagerung Beschäftigten selbst, evtl. aber auch bei Kriegsende von ausländischen Truppen - der Verbleib der wertvollen Elfenbeinsammlung des Museums ist daher bis heute ungeklärt. Da Kohlhausen auch für die Auslagerung der Kunstschätze der Stadt Nürnberg zuständig war, wurden die Ausstattungen der bedeutenden Kirchen und der von den nationalsozialistischen Machthabern nach Nürnberg verschleppte Krakauer Marienaltar des Veit Stoß ebenfalls gesichert.

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AsKI KULTURBERICHTE 2/2002

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