Winckelmann-Museum, Stendal: Satyr, Maske, Festspiel - Aus der Welt des antiken Theaters

Gérard Seiterle, Modell einer griechischen Theatermaske, © Foto: Winckelmann-Museum, Stendal

Das abendländische Theater hat seinen Ursprung in Griechenland. Rituelle Kultspiele zu Ehren der Götter und politische Festversammlungen, Masken und tierohrige Satyrn - vieles unterscheidet das frühe Schauspiel von dem heutigen, erscheint fremd und rätselhaft.

So ist das seit der Antike ungelöste Ursprungsproblem der Theatermaske eng verknüpft mit der Herkunftsdeutung des Theaters allgemein. Das Winckelmann-Museum in Stendal hat dieser Frage eine Ausstellung gewidmet, die noch bis zum 22. Oktober 2006 zu sehen ist. Der Schwerpunkt liegt auf der Rekonstruktion griechischer Theatermasken und Darstellungen antiker Theaterutensilien, um so ein umfassendes wie auch vergnügliches Bild der Welt des antiken Theaters zu vermitteln.

Eine erste Abteilung gibt einen Überblick über die Forschungen Winckelmanns und des 18. Jahrhunderts zum antiken Theater, wie frühe Ausgrabungsberichte, Rekonstruktionsversuche und Interpretationsvorschläge zu antiken Theater-Denkmälern. Die Entwicklung des antiken Theaterbaus im Laufe der Jahrhunderte ist ebenso Thema wie das Bühnenbild und die Bühnenmaschinerien. Ein Blick auf Theaterkostüme und Schauspieler, Dichter, ,Intendanten` und Zuschauer rundet das Bild ab.

Von besonderem Interesse sind zweifelsohne die Theatermasken, deren Herstellung anhand antiker Vorbilder in zahlreichen Exponaten von Gérard Seiterle anschaulich erläutert werden. Der Schweizer Archäologe Seiterle, der von 1986 bis 1999 Direktor des "Museums zu Allerheiligen" in Schaffhausen war, vertritt vor allem einen experimentellen Ansatz in der Archäologie. So sind seine Masken, deren Ursprung er in dem kultisch-rituellen Auftritt von Menschen als Ziegenböcke erkennt, das Ergebnis einer langen Reihe von Versuchen. Dabei wurde das Bocksfell nicht gegerbt, sondern unter dem Gebrauch von Formen getrocknet und das Haar der Figuren direkt aus dem Fell gestaltet. Während seiner Versuchsreihen konnte Seiterle noch entscheidende Erkenntnisse gewinnen, die ihm halfen, seine Theorie zur Entstehung der antiken Tragödie weiter zu untermauern. In der Ausstellung sind diese verschiedenen Stadien der Herstellung von Masken dokumentiert, von den noch recht einfachen "archaischen" ersten Versuchen bis hin zu den schon recht perfekten "klassischen" Stücken der letzten Jahre. Es bietet sich demnach erstmalig in Stendal die Gelegenheit, Seiterles Masken an einem Ort versammelt zu sehen.

Die Ausstellung ermöglicht eine erfrischend neue Sichtweise auf die Entstehung des antiken griechischen Theaters, lässt die Tragödie zu neuen und unerwarteten Ursprüngen gelangen: zu den Initiationsriten junger Griechen im Gewande der Satyrn.


Katalog zur Ausstellung (86 S., 182 Farb- und s/w-Abb.) für 12 Euro im Museumsshop erhältlich.

 

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 3/2006

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