Weiterdenken ... Die Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption in Kamenz

Logo Kamenz

Gotthold Ephraim Lessing, nach Anton Graff, 18. Jh., © Lessing-Museum Kamenz

Eine Reihe von plötzlichen Ortswechseln und ständig neuen Beschäftigungen“ – so die Beschreibung des Lebensweges des 1729 in Kamenz geborenen Pfarrerssohnes Gotthold Ephraim Lessing von Hugh Barr Nisbet.

Lebensweg von Gotthold Ephraim Lessing

Eine Reihe von plötzlichen Ortswechseln und ständig neuen Beschäftigungen“ – so die Beschreibung des Lebensweges des 1729 in Kamenz geborenen Pfarrerssohnes Gotthold Ephraim Lessing von Hugh Barr Nisbet.

Nach der Fürstenschule Meißen Studium der Theologie und später der Medizin in Leipzig. Auch, um ‚leben zu lernen‘. Uraufführung des ersten Stückes „Der junge Gelehrte“. Nach der Flucht vor Gläubigern 1748 gelangt er über Wittenberg nach Berlin. 1755 in Frankfurt/O. Uraufführung der Tragödie „Miß Sara Sampson“. Eine Bildungsreise scheitert, schließlich der überstürzte Aufbruch nach Breslau, wo Lessing 1760 bis 1765 Sekretär des preußischen Generals von Tauentzien ist und „Minna von Barnhelm“ entwirft.

1767 erfolgt ein Ruf nach Hamburg. Der Traum von einem „deutschen Nationaltheater“ ist ein kurzer, die Hamburgische Dramaturgie bleibt. 1770 dann als Bibliothekar in Wolfenbüttel, dort 1772 Uraufführung der „Emilia Galotti“. Immer wieder glücklose Versuche im Lotteriespiel. Lessing bemüht sich, woanders Anstellung zu finden, in Mannheim oder Wien. Nach sechsjähriger Verlobung und einer Italienreise Heirat mit Eva König. Die gemeinsame Zeit ist kurz: Der Weihnachten 1777 geborene Sohn überlebt keine 24 Stunden, seine Frau folgt ihm wenig später.

Ab Frühjahr 1778 eine Kräfte zehrende Auseinandersetzung durch den so genannten „Fragmentenstreit“. Nach Entzug der Zensurfreiheit Rückbesinnung Lessings auf die ‚alte Kanzel, das Theater‘. Das Resultat: „Nathan der Weise“. Am 15. Februar 1781 Tod des Dichters in Braunschweig. 1883 Uraufführung von „Nathan der Weise“ in Berlin.

Logo

Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption

Lessings Werte verstehen sich heute allzu leicht von selbst. Sie gedankenlos hinzunehmen, heißt sie zu verlieren. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Schaffung einer Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption in Kamenz, gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Unterstützt wird die Arbeitsstelle durch einen Wissenschaftlichen Beirat. Eine Einrichtung, die anhand aktueller Fragestellungen kulturelle Projekte entwickelt und verwirklicht, um die nachhaltige Wirkung der Ideenwelt Lessings und der Aufklärung zu verdeutlichen. Begonnen hat die Einrichtung ihre Tätigkeit in der jetzigen Struktur 2006 mit einem Fest aus Anlass der 500. Wiederkehr der Auffindung der Laokoon-Plastik.

Zur gleichen Zeit gastierte die Wanderausstellung „Nathans Ende oder Der Schlaf der Vernunft?“ an Lebensstationen Lessings wie Berlin, Hamburg, Wolfenbüttel und Breslau, darüber hinaus auch in Gießen, Görlitz, Hoyerswerda, dem tschechischen Kolin und während der Ruhrfestspiele. Die von einem Katalog begleitete Exposition zeigte die wechselvolle Wirkungsgeschichte und die Aktualität von Lessings „Nathan der Weise“ als Konflikt- und Begegnungsmodell. Sie stellte das dramatische Gedicht in den Kontext religiöser und kultureller Differenzen in einer globalisierten Welt. Anfertigung eines Laokoon-Abgusses, Fa. Bertolin, München, © Foto: Frank HeinemannSeit Ende 2007 widmet sich die Arbeitsstelle der Thematik der ambivalenten Wahrnehmung Lessings in der Zeit des Nationalsozialismus, einem wenig erforschten Thema von hohem Erkenntniswert. Lessing war für die Nazis eine besondere ‚Herausforderung‘. Zu bedeutend, um ihn ignorieren zu können, und zugleich unabdingbar für die historische Legitimation des Regimes. Trotz selektiver Wahrnehmung, Verfälschung und Vereinnahmung gelang es nicht, eine Deutungshoheit über sein Werk zu gewinnen.

Eine Veranstaltungsreihe widmete sich Lessing im Film der NS-Zeit. Gezeigt und diskutiert wurden nicht nur die einzige Werkadaption „Das Fräulein von Barnhelm“ (1940), sondern auch „Komödianten“ (1941) und „Fronttheater“ (1942). Im Herbst 2009 findet das Vorhaben seine Fortsetzung mit einer Wanderausstellung zu „Lessing im ‚Dritten Reich‘“ und einer Tagung zur Wirkungsgeschichte Lessings auf der Bühne und im Film. Einem durchaus brisanten Thema – Lessings Toleranz – nähert sich die Einrichtung durch ein Projekt, das am 9. Mai 2009 mit einer Podiumsdiskussion zu „Lessings Gegenwärtigkeit in Toleranzkonflikten“ beginnt. Gibt Lessings Toleranzmodell heute noch wesentliche Denkanstöße? Obwohl der Toleranzgedanke als ein Kernpunkt abendländischer Ideengeschichte gilt, bleibt seine Umsetzung nicht selbstverständlich. Gäste sind u. a. Henryk M. Broder und Robert Schindel.

Zu den weiteren Vorhaben in diesem Jahr zählt die Mitarbeit an dem Projekt „Nathan der Weise“ – Eine filmmusikalische Toleranzinitiative“. Unter Federführung von ARTE TV wird Manfred Noas „Nathan“-Stummfilm (1922) mit einer neuen Musik von Rabih Abou-Khalil am 24. Oktober in München und am folgenden Tag in Dresden unter Mitwirkung des Bundesjugendorchesters aufgeführt.

Mit einer Textedition, die Aufsätze zu „Minna von Barnhelm“ aus Schulprogrammen zugänglich macht, wird ein Kooperationsprojekt mit der Universität Gießen zu „Lessing im kulturellen Gedächtnis“ fortgesetzt. Des Weiteren entsteht eine Dokumentation zu bildnerischen Darstellungen Lessings. Eine Veranstaltungsfolge zur Thematik „Lessing und das Judentum“ wird im September dieses Jahres mit einer Lesung aus Anlass des 280. Geburtstages von Moses Mendelssohn und Lessing eröffnet.

Die Projekte der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption in Kamenz sind als Einladung zu verstehen, sich in die Welt aufklärerischen Denkens zu begeben – mit Gewinn an Orientierung und kritischem Instrumentarium für die Probleme von heute.

www.lessingrezeption-kamenz.de

Birka Siwczyk und Matthias Hanke

 

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 1/2009

.

xxnoxx_zaehler