Traumhaft schön - Bilder von Binette Schroeder und Quint Buchholz - Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum Hannover / Deutsches Museum für Karikatur und kritische Grafik

Quint Buchholz aus: Der Sammler der Augenblicke, München/Wien 1997, © Wilhelm-Busch Gesellschaft, Hannover

In einer Doppelausstellung würdigt das Wilhelm-Busch-Museum zwei sehr unterschiedliche und doch verwandte Künstler, die vor allem durch ihre Kinderbuch-Illustrationen bekannt sind: Binette Schroeder und Quint Buchholz.

Diese Ausstellung für Groß und Klein soll gerade in der vorweihnachtlichen Zeit zum Erzählen über Bilder, mit Bildern und in Bildern anregen. Im Alter von zwölf Jahren entwarf die 1939 in Hamburg geborene Binette Schroeder ihr erstes Kinderbuch: "Kasperl kommt nach Afrika". Auf dem Titelblatt hat sich der Kasper zusammen mit einem zahmen Löwen auf einen Käfig mit einem großen Krokodil gesetzt, ein Affe hat sich auf einem Bananenbaum mit Futter versorgt, ein anderer hockt am Fuß einer Palme - eine bemerkenswerte Zeichnung, die die spätere Profession schon erahnen lässt. Zuerst absolvierte Binette Schroeder jedoch ihr Studium der Gebrauchsgrafik an einer privaten Kunstschule in München, dann an der Schule für Design in Basel. Binette Schroeder aus: Lupinchen, Mönchaltorf + Hamburg, 1969, © Wilhelm-Busch Gesellschaft, Hannover1969 marschierte sie mit zwei Bildern auf die Frankfurter Buchmesse: Auf dem einen war ein kleines Mädchen namens Lupinchen mit dem Vogel Robert zu sehen, auf dem anderen machten Mister Humpty Dumpty und Herr Klappaufundzu Lupinchen ihre Aufwartung. Der Verleger des schweizerischen Nord-Süd-Verlags war begeistert. Binette Schroeder lieferte am nächsten Morgen die Geschichte zu den Bildern und in den folgenden Monaten die restlichen Illustrationen. Ende 1969 erschien "Lupinchen" als ihr erstes Kinderbuch. In den folgenden Jahren wurde es mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem "Goldenen Apfel" auf der BIB (Biennale des Bilderbuchs) in Bratislava. Nacheinander erschienen in den nächsten Jahren Kinderbücher wie "Florian und Traktor Max", "Lelebum", "Ratatatam, die seltsame Geschichte einer kleinen Lok", "Krokodil, Krokodil" oder "Laura". Einige dieser immer wieder mit internationalen Preisen ausgezeichneten Kinderbücher sind gemeinsame Projekte mit ihrem Ehemann Peter Nickl, der für die Texte verantwortlich zeichnet oder für Textbearbeitungen, wie bei "Die wunderbaren Reisen und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen" oder "Die Schöne und das Tier". Für jedes ihrer Kinderbücher wählt Binette Schroeder eine ganz eigene künstlerische Ausdrucksweise, variiert ihre Blätter mit Gouache, Aquarellkreiden und -stiften auf weißem oder farbigem Karton und kreiert mit ihren Bildräumen kleine ,Bühnen der Fantasie', auf denen - das ist ihr Ziel - die Kinder (und die Erwachsenen) in eine ganz andere, geheimnisvolle Welt eintauchen können. Binette Schroeder, aus: Krokodil, Krokodil, Mönchaltorf + Hamburg 1975, © Wilhelm-Busch Gesellschaft, Hannover

Der Schweizer Kinderbuchexperte Hans ten Doornkaat hat Binette Schroeders Verfahren in ihren Bilderbüchern treffend so beschrieben: "Sie zeigen eine klare Entscheidung für eine bestimmte stilistische Ausdrucksweise, Farbatmosphäre und Dramaturgie: Blau-Violett-Grün sind die magischen Farbtöne in "Die Schöne und das Tier", und die Ikonographie ist hier inspiriert von Gemälden der italienischen Renaissance und holländischer Genremalerei. Das Rokoko formte den "Münchhausen", nicht einfach als Formenfundus, sondern durch eine in ausführlichen Recherchen erworbene, atmosphärische Wesensverwandtschaft, jenseits raschen Nachzeichnens. Dann wieder, um Michael Endes "Vollmondlegende" gerecht zu werden, bedient sich die Künstlerin der Grisaille-Technik. Immer aber, irgendwo sichtbar in den durchdachten Kompositionen, ist auch eine andere Kraft da, die im expressiven Stil der Landschaften in die Bilder drängt. Surrealismus als Möglichkeit, gegensätzliche Kräfte zu vereinen."

Eines der schönsten Bücher von Quint Buchholz (Text und Illustrationen) trägt den Titel "Der Sammler der Augenblicke". Es ist die Geschichte einer Entdeckung: der des Sehen-Lernens. Ein Geige spielender Junge ("In der Schule wurde ich oft gehänselt wegen der altmodischen Drahtbrille, die ich tragen musste, und auch, weil ich ein bisschen dick war") erzählt darin von seiner Freundschaft mit dem Maler Max, der ihm erklärt: "Jedes Bild muss ein Geheimnis bewahren. Auch für mich. Andere können vielleicht viel mehr in meinen Bildern entdecken als ich selbst. ...Ich bin nur der Sammler. Ich sammle Augenblicke." Und am Ende begreift der kleine Junge: "Die Antworten auf all meine Fragen fanden sich in der langen Zeit, die ich vor den Bildern verbrachte, von allein." Zeichnungen illustrieren die Erzählung, die geträumte, fast surreale Bilder einzufangen scheinen: "Ich sah den Leuchtturm unserer Insel ja fast jeden Tag, aber so, wie Max ihn in den Nebel gemalt hatte, hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich holte meine Geige und versuchte, die Musik zu spielen, die ich aus dem Bild hörte. Es wurde eine sanfte, vergnügte Melodie."

Quint Buchholz wurde 1957 in Stolberg bei Aachen geboren. Nach einem Studium der Kunstgeschichte an der Universität München studierte er Malerei und Grafik an der Akademie für Bildende Künste in München bei Prof. Gerd Winner. Seit 1988 entstanden eigene Kinderbücher und Illustrationen, Einbandentwürfe und Plakate. Auf die erste Auszeichnung noch während seines Studiums, den Förderpreis der Stadt Augsburg, folgten zahlreiche, auch internationale Preise: 1994 wählte die New York Times sein Buch "Schlaf gut, kleiner Bär" (Sleep well, little bear) zum "Outstanding Book of the Year", und 1997 wurde "Nero Corleone" als das empfehlenswerteste Kinderbuch für Sieben- bis Zehnjährige vom französischen Kultur- und Erziehungsministerium ausgezeichnet. Quint Buchholz aus: Nero Corleone. Eine Katzengeschichte, Text: Elke Heidenreich, München/Wien 1995, © Wilhelm-Busch Gesellschaft, HannoverLust auf Abenteuer, Mut, eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und ein gesunder Appetit: all dies zeichnet den italienischen Kater Nero Corleone aus, Held der gleichnamigen Erzählung von Elke Heidenreich. In den Illustrationen von Quint Buchholz erhält er bildliche Gestalt, erkundet als noch kleiner Taps den Hühnerstall, verführt bei Mondschein eine bildschöne Kartäuser-Katze und träumt - älter geworden - zusammengerollt unter italienischem Sternenhimmel von vergangenen Taten.

Auch die Bilder von Quint Buchholz - ob für Kinderbücher oder als Umschlagillustrationen entstanden - lassen wie die von Binette Schroeder viel Raum für die eigene Fantasie, fordern geradezu heraus, die zwischen zwei Buchdeckel gebundene Geschichte weiterzuspinnen. Vielleicht trägt dazu auch seine Zeichentechnik bei: Schicht für Schicht arbeitet der Künstler mit farbiger Tusche und dünnster Zeichenfeder über einem mit Fixativzerstäuber und farbiger Tusche besprühtem Grund die Zeichnung heraus, modelliert atmosphärisch Licht- und Schattenpartien, so dass der Eindruck einer imaginären Realität entsteht.

Dr. Gisela Vetter-Liebenow,
stellvertretende Direktorin, Wilhelm-Busch-Museums Hannover
Deutsches Museum für Karikatur und kritische Grafik

 

Die Ausstellung "Traumhaft schön. Bilder von Binette Schroeder und Quint Buchholz" wird unterstützt von der HannoverStiftung - Stiftung der Stadtsparkasse Hannover und ist noch zu sehen bis zum 26. Januar 2003.

 

AsKI KULTURBERICHTE 3/2002

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