Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf: "Highlights" der "Brücke" aus dem Brücke Museum Berlin

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Ernst Ludwig Kirchner, Artistin - Marcella, 1910 Öl auf Leinwand, Brücke Museum Berlin, © Ingeborg Henze-Ketterer und Dr. Wolfgang Ketterer, CH-Wichtrach/Bern"Mit dem Glauben an die Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen, und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt."

So kühn und hoffnungsvoll wandte sich die Künstlergruppe "Brücke" in ihrem Manifest von 1906 an ihr Publikum. Im Juni 1905 hatten sich vier junge Architekturstudenten der Technischen Hochschule Dresden, Ernst Ludwig Kirchner (geb. 1880), Fritz Bleyl (geb. 1880), Erich Heckel (geb. 1883) und Karl Schmidt (geb. 1884) zu dieser Künstlergemeinschaft zusammengeschlossen.

Der Name ging auf Karl Schmidt zurück, der sich von nun an nach seinem Geburtsort "Schmidt-Rottluff" nannte. Der Begriff "Brücke" war angeregt von Friedrich Nietzsches "Also sprach Zarathustra" und sollte den Übergang von der alten zu einer neuen Kunst versinnbildlichen. Die Gruppe verstand ihn als "vielschichtiges Wort", der "ein Programm bedeuten, aber doch gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen" würde.

Die Gründung der "Brücke" markiert den Aufbruch zum Expressionismus. Gemeinsam entwickelten die jungen Künstler, die keine akademische Kunstausbildung genossen hatten, einen Stil, der hergebrachte Vorstellungen und den überkommenen Kanon hinter sich ließ. Ihre Malerei zwang zu einem neuen Sehen und wurde wegweisend für die Stile, die danach in der deutschen Kunst aufkamen. Bis heute begeistern ihre Gemälde in ihrem Drang zum Elementaren, ihrer strahlenden Farbigkeit und der Kraft des Ausdrucks. Es ist die sichtbare Spontaneität und auch Subjektivität der Gestaltung, die unvermindert und "unmittelbar" noch immer zu uns spricht.

Die Ausstellung, die in drei Sälen sowie dem langen Barockkorridor im Südflügel von Schloß Gottorf bis zum 25. Mai gezeigt wird, umfasst zentrale Werke der "Brücke" in den maßgeblichen künstlerischen Techniken. Am Beispiel der Landschaftsmalerei sowie dem für die "Brücke" zentralen Thema "Mensch und Natur" wird exemplarisch ihre stilistische Entwicklung vor Augen geführt. Landschaften von Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff verdeutlichen den Weg von dem "monumentalen Impressionismus" der Anfangszeit - so Kirchner in seiner Chronik von 1913 - bis zu der Malerei, die wir mit dem reifen "Brückestil" verbinden. Zunächst wurde die Kunst der französischen Neoimpressionisten aufgegriffen. Einen wichtigen Impuls gab dann die Kunst von van Gogh, dessen Werk Ende 1905 in Berlin ausgestellt wurde. Im Jahr 1906 war Schmidt-Rottluff zu Gast bei Emil Nolde auf Alsen, der in diesem Jahr der "Brücke" beitrat. Ergebnisse dieses Aufenthaltes und der gemeinsamen Arbeit in der Auseinandersetzung mit dem Werk van Goghs sind Teil der Ausstellung.

1909 fand eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dem französischen Fauvismus statt. Im Sommer gingen Heckel, Kirchner und Pechstein zu gemeinsamen Malaufenthalten in der freien Natur an die Moritzburger Teiche bei Dresden. Besonders diese ungebundenen Wochen förderten die Entwicklung eines gemeinsamen Stils. Bei Schmidt-Rottluff waren es seine sommerlichen Aufenthalte an der Nordsee in Dangast, die seinen Durchbruch zu seinem eigentlich expressionistischen Stil beförderten. Drei seiner Schlüsselgemälde von 1910 sind dafür, im wahren Sinne des Wortes, leuchtendes Beispiel. Nicht mehr die Realität, sondern die Empfindung des Naturgegenstands wird Thema seiner Bilder. Sie bestechen durch großzügige Farbflächen in leuchtenden Tönen und kompakten Formen.

1910 kam die Entdeckung der außereuropäischen Kunst als Inspiration hinzu. Vereinfachungen der Form, die Spontaneität der Pinselführung und warme, leuchtende Farben bestimmen nun den "Brücke-Stil". Zu den bevorzugten Themen gehörten die Landschaft und der Akt und besonders der Mensch im Einklang mit der Natur. Entsprechend ist ein besonderer Akzent der Ausstellung auf diese Bilder gelegt. Eine wichtige Quelle der Inspiration war die weitgehend unberührte Natur Norddeutschlands: Für Kirchner war es die Landschaft von Fehmarn, wohin er 1908 und dann 1912 bis 1914 für mehrere Wochen reiste. Für ihn war die ursprüngliche Landschaft der Insel von "Südseereichtum", der ihn künstlerisch enorm anregte. Etwa die Hälfte all seiner Werke 1912 und 1913 zeigen Motive von Fehmarn. Für Heckel bot die Landschaft von Osterholz an der Flensburger Förde eine Inspiration. Bis in die 40er Jahre hielt er sich im Sommer regelmäßig dort auf.

1910 trat die Gruppe geschlossen der Berliner "Neuen Sezession" bei, die von Pechstein mitbegründet worden war. Im Herbst 1911 zogen die Künstler von Dresden in die pulsierende Großstadt Berlin. Entsprechend zeigt die Ausstellung im letzten Saal die Bilder aus der Berliner Zeit. Nolde und Bleyl waren inzwischen ausgeschieden, als neues Mitglied war Otto Mueller hinzugekommen. Das Heitere und Unbeschwerte der Dresdner Jahre verliert sich in Berlin, die Kunst der "Brücke" wird ernster, die Formen nervöser, zerrissener. Neben dem Akt in der freien Natur treten Aktdarstellungen im Atelier. In der Großstadt entdecken die Künstler neue Bildthemen, die eine Kritik an der Gesellschaft beinhalten. Aus dem Kollektivstil entwickeln sich eigenständige Stile. Einen letzten Höhepunkt findet die "Brücke"-Kunst in den Straßenszenen Kirchners. Die von Kirchner verfasste "Chronik der Brücke" führte 1913 zum Bruch. Die anderen Mitglieder stimmten seiner Darstellung nicht zu, die ihn und seine Programmatik zu sehr ins Zentrum rückte. Der Erste Weltkrieg unterbrach auch die künstlerische Tätigkeit. Nach 1918 entwickelten sich die jeweiligen Stile individuell fort. Bis auf die Ausnahme von drei großformatigen Ölgemälden von Otto Mueller, die exemplarisch die Utopie des Menschen im Einklang mit der Natur zeigen, beschränkt sich die Ausstellung deshalb auf die Jahre von 1905 bis 1913/14.

Parallel zu den Sälen mit den Gemälden und großformatigen Arbeiten auf Papier wird in dem barocken Korridor die Druckgraphik der "Brücke" gezeigt. In der chronologischen Abfolge wird die rasante künstlerische Entwicklung sichtbar, die die Holzschnitte der "Brücke" zu einem Höhepunkt nicht nur innerhalb des eigenen Schaffens, sondern in der Klassischen Moderne Deutschlands überhaupt werden lassen. Zu ganz neuen Ergebnissen führte die Umsetzung von Malerei in den Holzschnitt. Pinselstriche wurden in bewegte Schnitte umgesetzt. Die Gegenüberstellung von Schmidt-Rottluffs "Vareler Hafen" im Holzschnitt und im Aquarell macht dies exemplarisch deutlich.

Die tiefgehende Verbindung der Künstler zur Landschaft Schleswig-Holsteins und ebenso die Tradition von Ausstellungen der "Brücke" am Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte - hier wurde 1957 die erste große Ausstellung der "Brücke" nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt - legte den Grundstock für die fruchtbare Kooperation mit dem Brücke Museum Berlin, die schon seit einigen Jahren Bestand hat. Das 40-jährige Bestehen des Brücke Museums gab 2007 den Anlass zu einer umfassenden Präsentation der "Highlights" aus den reichen Museumsbeständen, die weltweit einmalig sind. Eine eigene Auswahl von über 100 Werken mit einem Akzent auf der "Brücke"-Zeit von 1905 bis 1913 und auf der Inspiration durch Norddeutschland ist auf Schloß Gottorf noch bis zum 25. Mai zu sehen - eine weitere Station gibt es in Deutschland nicht.

Besonderer Dank gilt Frau Prof. Moeller, der Direktorin des Brücke Museums Berlin, dafür, dass es für die Auswahl keinerlei Einschränkungen gab. So kann die Ausstellung zu den oben genannten Themenschwerpunkten zentrale Arbeiten zeigen und eine reiche Schau bieten über das Schaffen von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Fritz Bleyl, Max Pechstein, Emil Nolde und Otto Mueller in allen relevanten Techniken.

Uta Kuhl

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 1/2008

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