Schätze heben - neue Wege und Möglichkeiten zum Wirksammachen von Kulturgut - Erschließung und Nutzung von Sammlungen und Archiven dokumentarischer Art

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Fachtagung Schätze heben

AsKI-Fachtagung am 21./22. Februar 2002 im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) in Potsdam-Babelsberg

Die erste Fachtagung des AsKI in diesem Jahr soll den Auftakt bilden für eine Folge von interessanten und sich aus den Tagungen und den Wünschen der Mitglieds-Institute ergebenden Themenschwerpunkten.

Als Ausrichterin begrüßte die Geschäftsführerin des AsKI die Teilnehmer dieser Tagung, die auf eine Anregung von Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard, dem seinerzeitigen Direktor des DRA Frankfurt am Main/Potsdam-Babelsberg und amtierenden Vorstandsvorsitzenden des AsKI zurückgeht, der leider kurzfristig hatte absagen müssen.Ihn vertrat der Hausherr und Leiter des DRA Potsdam-Babelsberg und ständiger Vertreter des Vorstandes, Dr. Peter-Paul Schneider. Seine Einführung umriss die Arten von Schätzen, die man gerne als solche bezeichnet, sobald die Begriffe Gold, Kostbarkeit, Rarität genannt werden.

Das Sichtbarmachen von auf den ersten Blick eher unscheinbaren Dingen ist das Ziel, da diese Dinge eine Geschichte erzählen und somit „Schätze" sind oder beinhalten, was zunächst nur dem Fachmann, aber mit dessen Fachkenntnissen und technischem Know-how dann auch der breiten Öffentlichkeit ersichtlich und nutzbar gemacht werden kann. Bezogen auf sein Wirkungsfeld geht es neben Schriften, Büchern, Papier(en) um Ton-, Schall-, Fernseh- und Filmdokumente, wobei die Digitalisierung dabei ein eigenes Thema wäre.

Die Arbeit des Bestandserhalts, der Bestandserschließung, Bestandsvermittlung/-aktivierung (die drei "B's") geht mit einer immer schwieriger werdenden Finanzlage einher. An hauseigenen Beispielen wie etwa dem ‚Dokument des Monats', von Mitarbeitern entdeckt, dokumentiert und vermittelt, werden Erschließungsmöglichkeiten aufgezeigt. Gerade solche kleineren Aktionen ließen sich leichter ‚stemmen' als Großprojekte.

Einblicke etwa in Digitalisierung der Kataloge - die es zeitnah zu aktualisieren gelte, da andernfalls ‚User' rebellieren - bis zu Überlegungen, wie sich ein Verbund wie der AsKI in einer Dokumentation digitaler Art dokumentieren könne, wie man den AsKI als eine Plattform für diese kooperative Vernetzung nutzen können, rundeten seine Ausführungen ab. Der umfassende Rundgang, zum Abschluss des ersten Tages, durch nahezu sämtliche Abteilungen des Rundfunkarchiv gab einen ersten Einblick in die Praxis der Archivierung unterschiedlichster Medien und der schwierigen aber aufschlussreichen Zusammenlegung einstiger DDR-Archive mit dem westdeutschen DRA.

Ein besonderer Dank gilt der „Initiative Fortbildung für wiss. Spezialbibliotheken und verwandte Einrichtungen e.V." für die fachliche Unterstützung der Tagung. Die Geschäftsführerin Evelin Morgenstern hatte mit großem Engagement zum Gelingen der Tagung beigetragen.

Dr. Hans Zotter MAS, Leiter der Abteilung für Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Graz, entwickelte unter der Überschrift "Das Roden des Dornbusches vor dem Kuss. Chancen, Orientierungen, neues Selbstverständnis für Unikaten-Sammlungen" ein Szenario, das er im Jahr 2440 ansiedelte, in dem Krämerseelen, renditesüchtige Betriebswirte Bücher verbrennen, Bibliotheken wie die Bibliothèque Royale auf Kabinettgröße schrumpfen, weil "der rationale Mensch auf alle ,überflüssigen' Informationen verzichte ...".

Es gehe aber gerade um die Erinnerung und das Wissen, das Wissen als bewältigte Information. Es gehe um den Umgang mit Originalen und deren Inhalte, aber auch um deren Gebrauchsspuren. Vielerorts seien Bibliotheken ,Horte vergrabener Schätze, schwer zugänglicher Pfründe`, die durch die Digitalisierung erstmals nicht nur publik, sondern auch populär und damit bearbeitbar würden.

Hans Zotter erläuterte das ,Gebäude`, das die unterschiedlichen Informationsebenen Bild, Schrift, materieller Bestand, historische Spuren, Bibliotheksambiente u. Ä. ergibt. Digitalisierte Handschriften seien ein ideales Nutzmedium und weniger ein Archivmedium. Eine ganz wesentliche Bereicherung der Forschung ist das Nutzbarmachen von Beständen durch Digitalisierung, denn nur ein Bruchteil ist bisher bekannt und damit verfügbar.

Praktische Hinweise aus langer Erfahrung auf dem Gebiet der Digitalisierung, gerade von mittelalterlichen Handschriften, flankierten den Vortrag: Ob TIFF-, BITMAP-Dateien oder CD-ROMs für komprimierte Bilddateien, die Nutzung sei vorsorglich vertraglich zu regeln. Angaben, ab wann man mit CD-ROMs dieser Art in die Gewinnzone rückt, gehörten ebenso dazu wie Hinweise zu handschriftengerechten Kamera-Tischen in Graz und Göttingen.

Er verwies auch auf den Umstand, dass eine digitale Dokumentation dynamisch ist, d. h., dass Neuerungen schnell integrierbar sind, um für die Forschung immer hoch aktuell zu sein. Genau das aber liege meist im Argen, so Zotter, da die Projektarbeit, innerhalb derer die Digitalisierung geleistet wird, nach Beendigung zumeist ohne kontinuierliche Weiterbetreuung und somit nachhaltige Konzepte bleibe. Das Bewusstsein der Eventkulturorientierten Entscheidungsträger gelte es für Grundlagenarbeit dieser Art zu sensibilisieren.

Vieles von diesen Ausführungen konnte Dr. Maria Effinger aus ihrer Erfahrung als Fachreferentin für das Sammelgebiet Kunstgeschichte an der Universitätsbibliothek Heidelberg bestätigen. Unter dem Titel "Wie kommt die tobende Minne ins Internet? Zur Digitalisierung spätmittelalterlicher Bilderhandschriften aus der Bibliotheca Palatina", einem DFG-geförderten und von Frau Effinger geleiteten Projekt, berichtete sie über ihre Erfahrungen und Schwierigkeiten sowie die Erfolge gerade hinsichtlich einer verstärkten Wahrnehmung ihrer Arbeit seit der Präsentation ihrer Projektergebnisse.

Sie erläuterte die Präsentation in der Handschriftendatenbank. In 2001 begann die Universitätsbibliothek Heidelberg mit der Digitalisierung von 27 ihrer 848 deutschsprachigen Handschriften. Ziel des auf zwei Jahre befristeten Unternehmens ist es, der Forschung sowohl die Digitalisate der Texte und Bilder der Manuskripte als auch die dazugehörigen kodikologischen und kunsthistorischen Informationen kostenlos zur Verfügung stellen zu können.

Für die Präsentation der Handschriftendatenbank wird die Eingabe der Katalogisate in das speziell für diese Datenbank entwickelte Programm HiDA3 inklusive der Kodierung der Bildthemen und Motive mit Notationen in ICON-CLASS verwendet.

Am darauf folgenden Tag hielten sich Theorie und Praxis die Waage:

Dr. Ewald Brahms, Leiter der Abteilung „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme", stellte unter der Überschrift „Und wie lässt sich so etwas finanzieren? Fördermöglichkeiten der DFG" die Arbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft vor, zeigte Projekte, die gerade in diesem Bereich der Digitalisierung gefördert werden, und ermunterte insbesondere die entsprechenden Museumsbereiche, sich um Zuschüsse zu bewerben. Er erläuterte den Voraussetzungskatalog für eine Antragstellung, schilderte, wie eine entscheidungsreife Eingabe aussehen sollte, um zügig und erfolgreich bearbeitet werden zu können.

Gabriele Beger gab als Bibliothekarin und Juristin unter dem Titel „Kulturgut im Internet - schön und gut. Wie sehen die rechtlichen Aspekte der Internet-Nutzung aus?" wichtige Hinweise zu aktuellen Ständen hinsichtlich der Nutzungen im Intranet und im Internet. Sie zeigte u. a. am Beispiel des „Berlin-Handbuches"(1992, Herausgeber: Staatskanzlei Berlin) die Schwierigkeiten einer Nutzung von Gedrucktem, Publiziertem, das nachträglich ins Internet gestellt wird, auf. Dieses nach wie vor neue Rechtsfeld lässt viele Rechtsfragen offen, was einen wenn auch unsicheren, aber dennoch nutzbaren Handlungsspielraum ergibt.

Kenneth Gorbey, der Projektdirektor des Jüdischen Museums Berlin, gebürtiger Neuseeländer, mit Erfahrungen als Museumsmann und Ausstellungsmacher in Neuseeland und Australien sowie in Europa, führte durch das Labyrinth des Neubaus von Daniel Libeskind. Das Museum ist zum eigenständigen Nationalmuseum geworden. Das Ausstellungskonzept, unter dem Direktor Michael Blumenthal festgelegt, wurde in knapp anderthalb Jahren von Kenneth Gorbey realisiert. Dieses Ausstellungskonzept wird dennoch offen gehandhabt, so betonte Gorbey. Was die Besucherbedürfnisse anlangt, so ist das anfängliche ,Zuviel' an Exponaten weitestgehend einer sparsameren Bestückung gewichen. Das Haus ist kein Holocaust-Museum, vielmehr galt es eine lebendige Zeitreise durch fast zwei Jahrtausende deutsch-jüdischer Geschichte zu inszenieren. Museumsdidaktisch sollen von der Großeltern- bis zur Enkelgeneration alle angesprochen und gemeinsam zur Erkundung angeregt werden. Die eigentlichen Sammlungsgegenstände reichen von unspektakulären Erinnerungsstücken über Kunstwerke, etwa das „Gefallene Laub" von Menashe Kadishman, bis zu großenteils gestifteten Kostbarkeiten. Sie alle erzählen Geschichten, die sich inszeniert dem Betrachter als ,Schätze' erschließen.

Auf wenigstens zwei Begriffs- und Verständnisebenen (Eltern und Kinder) wird erprobte Museumstechnik zu einem sinnlich erfahrbaren, taktilen, akustischen und natürlich visuellen Erlebnis. Das Rafael Roth Lernzentrum sowie das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt und die Kooperation mit dem Leo Baeck Institut ergänzen die Einrichtung. Eine lebhafte Fragerunde beschloss die Tagung.

Den Vorzug einer persönlichen Führung durch Kenneth Gorbey, wissend, dass er Berlin voraussichtlich im Herbst dieses Jahres verlassen wird, nahmen die interessierten Teilnehmer besonders gerne an.

In einer Kurzevaluierung wurden im Wesentlichen drei große Bereiche für weitere Fachtagungen genannt: Recht, Öffentlichkeitsarbeit (Öffentlichkeitsarbeit im Museum - Das Werben/Umwerben von Besuchern), Erschließung von Sammlungsgut („Wie nutzen wir Geschichte?").

Alle Referenten verweisen auf ihre entsprechende Homepages und stehen den AsKI-Instituten für Fragen auch über die Tagung hinaus zur Verfügung.

Dr. Sabine Jung
Geschäftsführerin des AsKI e.V.

AsKI KULTURBERICHTE 1/2002

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