Max-Reger-Institut, Karlsruhe: Neue Schätze. Erwerb von 15 Manuskripten aus dem Schott-Archiv

Max Reger (1896), Foto: Max-Reger-Institut, Karlsruhe

Zum Weihnachtsfest des Jahres 1911 erhielt Max Reger von seinem engen Freund Hans von Ohlendorff ein illustres Geschenk: einen Vitrinenschrank

„zum Aufbewahren meiner Manuskripte; der Schrank ist 18 Centner schwer und waren 7 Mann 5 Stunden lang damit beschäftigt, den Schrank in die 1. Etage zu tragen."(1) Die Anzahl an Autographen, die Reger in das neue „pompöse Möbelstück" einschließen konnte, war freilich noch übersichtlich, denn die meisten Notenmanuskripte (bis Opus 100) befanden sich „in Verlegerhänden".

Insbesondere die Werke seiner Jugendzeit, die von 1890 bis 1898 in Wiesbaden und Weiden entstanden waren, hatte der Komponist nicht nur aus dem Blickfeld, sondern längst aus dem Bewusstsein verloren. Deren Manuskripte verblieben zunächst im Besitz seines ersten Verlegers Augener & Co. in London und wurden, nach der Geschäftsübernahme durch Willy Strecker 1911, den Beständen des Schott-Verlags in Mainz einverleibt und Teil des historischen Geschäftsarchivs, das 85.000 Archivalien von der Verlagsgründung 1770 bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts vereinigt. Im November 2014 wurde dieses Archiv, mittlerweile zum nationalen Kulturgut erhoben, von der Strecker-Stiftung an ein Käuferkonsortium unter der Federführung der Bayerischen Staatsbibliothek und der Kulturstiftung der Länder mit der Zielsetzung veräußert, „im jeweiligen Sammlungskontext die bestmögliche Nutzbarkeit durch die Wissenschaft" (2) zu gewährleisten. In diesem Sinne gelang die Aufteilung des Archivs auf die beiden Staatsbibliotheken (München, Berlin) sowie auf sechs spezialisierte Forschungseinrichtungen, darunter das Beethoven-Haus in Bonn und das Max-Reger-Institut in Karlsruhe.

Max Reger, ‘Fünf Lieder für hohe Singstimme und Klavier‘ op. 8, Nr. 1: ‘Waldlied‘ (Beginn), autographe Stichvorlage, Max-Reger-Institut, KarlsruheDiese konzertierte Kultur-Aktion wäre ohne ebenso vielfältige wie großzügige finanzielle Unterstützung niemals möglich gewesen. Das Max-Reger-Institut ist der Kulturstiftung der Länder, dem Land Baden-Württemberg, der Wüstenrot Stiftung, dem AsKI sowie privaten Spendern, die das finanzielle Kraftpaket zu stemmen halfen, zu großem Dank verpflichtet. So konnten sich Ende November zwei wissenschaftliche Mitarbeiter des MRI auf den Weg nach Mainz machen und die wertvolle Fracht gen Karlsruhe geleiten. Zwar waren keine 18 Zentner zu wuchten, immerhin aber galt es, einen mit 15 Manuskripten randvollen Klimakoffer zu transportieren, der die kompositorischen Anfänge Regers in mehreren Gattungen barg: Sammlungen für Klavier zweihändig (Opera 11, 13, 17, 18, 25 und WoO III/4) bzw. vierhändig (Opera 9, 10) sowie Lieder (Opera 4, 8, 12, 14, 14b, 15) waren als vorweihnachtliche Gaben zu bestaunen, darunter Preziosen wie etwa auch die Stichvorlage der „Drei Chöre" op. 6, bei deren Abfassung – vereinzelt zunächst, dann konsequent – Reger einführt, was dann zum optischen Markenzeichen seiner Manuskripte werden sollte: die tintenfarbliche Unterscheidung von Notentext (schwarz) und Vortragsanweisungen (rot). Als zusätzliche Regeriana erhielt das MRI auch die Korrespondenz des Komponisten mit Schott aus den Jahren 1910–1916, ca. 70 Postsachen umfassend, darunter (im Falle Regers selten) auch Gegenbriefe.

Brief Max Regers vom 3. Oktober 1914 an Willy Strecker (B. Schott’s Söhne, Mainz), Max-Reger-Institut, KarlsruheDie kostbaren Neuerwerbungen sollen freilich nicht nur eine Bereicherung für die Sammlung des MRI darstellen, die in einem einzigen Schrank schon lange nicht mehr unterzubringen ist. Denn noch in diesem Jahr wird die hybrid angelegte Reger-Werkausgabe (RWA), die in ihrer digitalen Sektion alle verfügbaren Quellen zur Einsicht gibt, mit ihrem zweiten Modul – „Lieder und Chöre" – beginnen. Regers Jugendwerke gelangen also bald zurück ins öffentliche Blickfeld – und hoffentlich auch ins Bewusstsein der Musikschaffenden.

Stefan König

 

1 Brief vom 24. Dezember 1911 an Helene Freifrau von Heldburg, zitiert nach Herta Müller, „»... daß ich nie mehr in eine Stadt gehen werde, wo ein „Hof" ist«. Max Reger am Meininger Hof im Konflikt zwischen Zielen und Pflichten", in „Reger-Studien 7. Festschrift für Susanne Popp", hrsg. von Siegfried Schmalzriedt und Jürgen Schaarwächter, Stuttgart 2004 (Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts Karlsruhe, Bd. XVII), S. 434.
2 Zitiert nach der „Einladung zur Präsentation anlässlich des Ankaufs des Historischen Verlagsarchivs der Schott Music GmbH & Co. KG Mainz", Bayerische Staatsbibliothek, München, 3. Dezember 2014.

AsKI KULTUR lebendig 1/2015

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