Maecenas-Ehrung 2001 : Udo van Meeteren - ein Düsseldorfer Unternehmer und Mäzen

Udo van Meeteren,  Maecenas-Preisträger 2001 (r.) Prof. Dr. Günther Pflug, Ehrenvorsitzender des AsKI, © Foto Ulrich, Stendal

Es ist schwer, über einen Menschen in dessen Gegenwart zu sprechen, es ist selbst dann schwer, wenn man ihn rühmen möchte.

Dies liegt an der primären Eigenschaft von Sprache als Kommunikationsmittel überhaupt, denn sie ist auf die verbale Interaktion von Ich und Du gerichtet, bewegt sich also auf der Ebene natürlicher, demokratischer Gleichberechtigung. Ihre sekundäre Eigenschaft jedoch, die Bezeichnung, hierarchisiert, gibt Macht über das Bezeichnete. Das Märchen von Rumpelstilzchen macht dies am Beispiel der Namensgebung und Namenskenntnis auf volkserzählerischer Ebene deutlich, doch reicht dieses Phänomen bis in die höchsten Formen des Geistes hinein, lässt die Stofflichkeit nach ihrer Verwandlung ins Sprachliche im Sinn von Negation aufgehoben sein. Dem Dilemma, vor dem ein Laudator steht, möchte ich dadurch entkommen, dass ich die Abbildung von Person und Leistung Udo van Meeterens in eine Art Gespräch mit ihm verwandele, einen inneren Dialog herstelle, in dem die eigene Darstellung als Frage begriffen wird, die auf Antwort angelegt ist.

Als erste Annäherung scheinen mir solche Sprachüberlegungen zudem schon einen Zugang zu seiner Persönlichkeit möglich zu machen, denn der zu Ehrende weiß mit dem Wort wohlabgewogen umzugehen, hält Gespräch, Entscheidung und Schweigen in einer klugen Balance.

Doch was macht ihn eines Preises würdig, der in der Nachfolge von Maecenas steht, jenem römischen Freund des Augustus, der Horaz und Vergil gefördert hat? Drei Qualitäten gehören dazu, so wollen es verschiedenen Erfindern zugeschriebene Anekdoten: Reichtum, Kunstsinn, Abgabebereitschaft. Eine vierte möchte ich noch hinzufügen: eine Persönlichkeit von Ausstrahlung. Er verkörpert die so selten gewordene Gestalt des Patriziers. Gelassen, aufrecht und prüfend geht ein Mann der Wirtschaft seinen Gang als Förderer von Kunst, Wissenschaft und Naturpflege.

Wie sich persönliche Eleganz mit Bescheidenheit verbinden kann, möchte ich an zwei Exempeln verdeutlichen:
Exempel 1: Für den Anfang Februar 2001 verstorbenen, ihm in Freundschaft verbundenen Architekten Helmut Hentrich hat van Meeteren die Gedenkfeier ausgerichtet. In dem Gedenkheft wird man einen Beitrag von ihm vermissen, obwohl er bewegende Worte aus diesem Anlass gefunden hat.
Exempel 2: Goethe hat sich für den historischen Hintergrund des Freiheitskampfs im Trauerspiel "Egmont" in den Werken eines Emanuel van Meteren umgetan, in einer "Historia und Abcontrafeytungh der niderländischen Geschichte", 1595 erschienen, und "Commentarien ofte Memorien van den nederlandischen Staet - Handel - Oorlogen ende Geschiedenissen van onzen tijden", vier Jahre später publiziert. Als ich Udo van Meeteren auf die doch auffällige Namensgleichheit angesprochen habe, gab er die souverän-selbstironische Antwort: "Ja, das ist der vornehme, der niederländische Zweig unserer Familie."

Dass sich Bescheidenheit durchaus mit großer Autorität verbinden kann, konnte ich wiederholt im Kreis bedeutender Wirtschaftsführer erleben. Waren bei Diskussionen die kontroversen Standpunkte vehement vorgetragen worden, so konnten einige Worte von ihm auf den entscheidenden Gesichtspunkt zurückführen. So hatte sich im Anschluss an einen Vortrag des damaligen Bundesbankpräsidenten Tietmeyer eine Art Stimmung gegen die Ablösung der D-Mark durch den Euro entwickelt. Den vielen sachlichen Einwänden stellt er mit dem nüchtern-schlichten "Pacta sunt servanda" die eigentliche Aufgabe wieder vor Augen.

Doch was sind seine mäzenatischen Taten selbst? Die wichtigsten gehen von der am 8. September 1980 errichteten "Stiftung van Meeteren" aus, gegründet ein Jahr nach dem Verlust des Sohnes Georg-Michael und zur Erinnerung an den hundertsten Geburtstag seines Vaters Georg. Das Stiftungskapital, das van Meeteren nach der Vollendung des 75. Lebensjahres am 26. Mai dieses Jahres auf ca. 100 Mio. DM aufgerundet hat, ermöglicht im Jahr 2001 die Ausschüttung von gut 3,565 Mio. DM, die im Sinne der Zielsetzung zur "Linderung von Armut, Not und Krankheit", zur "Erhaltung einer gesunden Natur und Umwelt" und zur "Förderung des Gemeinwohls und menschlicher Werte im besten Sinne des Wortes" eingesetzt werden. Die Verteilung an gemeinnützige Institutionen oder Vorhaben erfolgt nach einem Schlüssel, der 25% für "Wissenschaft und Forschung" vorsieht, dieselben Anteile für "soziale und karitative Zwecke" und für "Natur- und Umweltschutz". Jeweils 12,5% sind für Aufgaben im Sinn der "Völkerverständigung" und für "kulturelle Zwecke" vorgesehen. Innerhalb des Stifterverbandes ist seine Stiftung die größte private. Dr. Arend Oetker - selbst Maecenas-Preisträger - konnte ihm für sein außergewöhnliches Engagement die Richard-Merton-Ehrennadel des Verbands am 18. Mai 2000 mit den Worten anstecken: ein "Mäzen, wie er im Buche steht."

Die geistige Grundhaltung Udo van Meeterens ist durch seinen christlichen Glauben geprägt, und die Diakonie-Bewegung kann auf ihn als Unterstützer rechnen. Sein Menschheitsbewusstsein hat hier seinen Kern, und die Wachheit, mit der er auf die Beschleunigungsvorgänge unserer jetzigen Welt reagiert, gewinnt aus der Humanitätsvorstellung die notwendigen sittlichen Maßstäbe, durch die ja auch die Renaissance der Ethik als philosophische Disziplin eingesetzt hat, wenn auch zunächst meist nur postmodern-sektoral.

Die Ausrichtung am eigenen Lebensumfeld gibt dieser Haltung ihre "Bodenhaftung". Die Errichtung des Naturschutzgebietes Mehlental in der Eifel geht auf ihn zurück, weil dort das Wochenendhaus den Ort Wallersheim von Jugend auf zu seiner zweiten Heimat gemacht hat. Die Jagd dort hatte der Vater, den van Meeteren als 18-Jähriger verloren hat, 1926 übernommen, und das Gefühl innerer Dankbarkeit gegenüber seinem Elternhaus hat Udo van Meeteren sich stets bewahrt.

Der Vater, zunächst im Bankwesen, dann in der ost- und westdeutschen Kohlebergbau-Industrie engagiert, muss ihm als persönliche Erscheinung ganz ähnlich gewesen sein, wenn man einer Beschreibung Erich Pfeiffer-Bellis aus dem Jahr 1942 vertrauen darf. Tatkraft, Verantwortungsbewusstsein, rheinische Lebenskunst haben ihre vorbildliche Kraft für ihn behalten, nur, dass er die Spaziergänge durch ein Sportprogramm, Tennis- und Golf-Spiel sowie Skiabfahrten, erweitert hat. Die musikalische Mutter Olga hat die Verbin dung zu verschiedenen Kulturinstituten Düsseldorfs gepflegt, zugleich aber die Freude an der Natur bei ihren Kindern zu fördern gewusst. Ihre wohltätige Hand in der Eifel wurde von dem Sohn Udo - der ältere Bruder ist im Krieg umgekommen - so effektiv über Jahrzehnte fortgesetzt, dass ihm im Mai 2001 der Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz zugesprochen worden ist.

Als Düsseldorfer Unternehmer hat er auch für seine Heimatstadt viel getan. Heimatstadt - das muss man in seinem Fall erläutern, denn er wurde am 26. Mai 1926 in Mühlheim an der Ruhr geboren. Weil ein Hausbau sich verzögert hatte, konnte die Familie erst vier Wochen später nach Düsseldorf übersiedeln, wo Udo van Meeteren im Hofgartenviertel aufwuchs. Die Verleihung des Großen Ehrenrings des Rats der Stadt Düsseldorf im April 2000 hat etwas von der Dankbarkeit zurückgegeben, die er gegenüber dieser Stadt empfindet. Unübersehbar ist im Hofgarten die eindrucksvolle Großplastik "Der Mahner" von dem russischen Künstler Vadim Sidur (1924-1986), die seine Stiftung der Landeshauptstadt geschenkt hat. Jährlich sind es etwa 300.000 DM, die er für kulturelle und soziale Zwecke in der Stadt zur Verfügung stellt. Sie könnte ihren Aufgaben in diesen Zeiten wirtschaftlicher Bedrängnis nicht mehr ausreichend nachkommen, wenn es nicht diesen Mäzen gäbe. Die Erneuerung des Ostflügels von Schloss Benrath ist das jüngste Großobjekt, an dem er beteiligt ist. Zusammen mit seiner Fau Irmel, geb. Hecker, ist er eine Erscheinung auf dem Düsseldorfer Parkett, auffällig nur dem, der seine Sonderrolle im Leben der Stadt kennt.

Hier hat er mit 17 Jahren auf dem Prinz-Georg-Gymnasium ein Vollabitur abgelegt, um sich in die Welt aufzumachen. Die sah 1944 zunächst ein Semester an der TH Aachen für ihn vor, dann die Einberufung als Funker zur Luftwaffe. Vor der Gefangennahme durch die US-Streitkräfte wurde in seiner Gruppe schon in den Wochen zuvor nur noch Englisch gesprochen - mit einem augenzwinkernden "für den Endsieg". Auf abenteuerliche Weise, wie er noch lebendig zu erzählen weiß, wurde er bei Cherbourg im August 1945 an die Franzosen übergeben und musste in der Nähe von Biarritz an Räumkommandos teilnehmen, bei denen 80% der Soldaten getötet wurden. Die guten Französischkenntnisse verhalfen ihm, als Dolmetscher diese Zeit zu überleben.

Nach der Entlassung im Januar 1948 konnte er in einem Düsseldorfer Unternehmen der Metallverarbeitung beginnen, wobei ihm die Minderheitsbeteiligung des Vaters an westdeutschen Bergbauunternehmen zugute kam. Praktika bei einer Hamburger Großbank und in den USA öffneten zusätzlich den Sinn für Kenntnis durch Erfahrung, und so kommt seine Förderung von Stipendiaten oder etwa die Begleitung des wissenschaftlichen Strukturwandels in den neuen Bundesländern nicht von ungefähr. Weltoffenheit lässt die Freude erkennen, mit der er von einem persischen Schulfreund erzählt, der ihn in der Kriegsgefangenschaft besucht hat und - in vortouristischer Zeit - den Weg zur Seidenstraße, zu den Salzwüsten und dem Grabdenkmal für Hafis in Schiraz gewiesen hat. Das Musikerleben im Zeichen Robert Schumanns führte ihn nach seiner Rückkehr mit seiner späteren Ehefrau 1952 zusammen. Von den alsbald geborenen drei Kindern, Illiana und Corinna heißen die Mädchen, kann das Ehepaar schon fünf Enkel vorweisen, die in den USA bzw. zurzeit in London leben.

Der berufliche Weg führte steil aufwärts. 1952 erfolgte der Eintritt in den Michel-Konzern, innerhalb dessen der knapp 30-Jährige mit den Stimmen der Arbeitnehmer bei dem Braunkohlewerk Neurath AG in den Vorstand berufen wurde. Leitende Stellungen nahm er als Vorstand, in der Geschäftsführung, im Aufsichtsrat in verschiedenen Konzernbereichen bis 1969 ein. Auch dort ist die Bereitschaft zur Übernahme zusätzlicher sozialer Verpflichtungen erkennbar, denn er erklärt sich bereit, unterstützt von seinem Mentor Prof. Dr. Dr. h.c. Ernst Georg Schneider (1900-1977), verschiedene führende Positionen in Wirtschaftsverbänden ehrenamtlich anzunehmen. Die glückliche Hand seines Vaters beweist er selbst in Immobiliengeschäften, von 1959 bis 1980 ist er Kommadantist des Bankhauses Trinkhaus & Burkhardt, und unter seinen zahlreichen Beteiligungen seien elektronische Firmen und die Dortmunder "Brau und Brunnen" hervorgehoben.

Welch einer vorbildlichen Erscheinung wir als Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute einen symbolischen Preis verleihen, möchte ich abschließend in einer persönlichen Beobachtung zusammenfassen: Ich habe noch niemals jemanden getroffen, der schlecht über ihn gesprochen hätte. Er ist unter uns. Wir zeichnen wahrlich eine rare, eine sokratische Persönlichkeit aus.

Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Volkmar Hansen,
Vorstand und Direktor des Goethe-Museums / Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung,
Düsseldorf

AsKI KULTURBERICHTE 3/2001

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