Kunsthalle Bremen: Rückkehr verschollener Kunstwerke - Das Ende einer Odyssee: Rückkehr von Dürers "Johannes" aus Tallinn/Estland

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Nach den schwierigen und langwierigen Verhandlungen, die nötig waren, um die im ersten Beitrag erwähnten Zeichnungen über Baku, Tokio und New York nach Bremen zurückzugewinnen,

nach der fast zehnjährigen Verhandlungs- und Wartezeit, die es brauchte, bis die sogenannte Sammlung 101 mit ihren kostbaren Druckgraphiken, Zeichnungen und - besonders zu erwähnen - einem Landschaftsaquarell von Dürer (Das Felsenschloß, 1494) wieder in der Kunsthalle Bremen eintraf, und auch nach zahlreichen, manchmal sogar erfolgreichen Einzelverhandlungen mit privaten "Besitzern" um Bremer Kriegsverluste (so etwa um eine Gewandstudie Dürers auf blaugrünem Papier), ist es ungemein wohltuend, nun von einer anderen, glücklicheren Art Rückführung berichten zu können.

 

Albrecht Dürer, Der heilige Onuphrius, um 1503/05, Öl auf Lindenholz, Vermächtnis Dr. Hieronymus Kugkist 1851, © Foto: Kunsthalle BremenAlbrecht Dürer, Der heilige Johannes der Täufer, um 1503/05, Öl auf Lindenholz, Vermächtnis Dr. Hieronymus Kugkist 1851, © Foto: Kunsthalle Bremen

 

Sie betrifft ein Gemälde von Dürer mit der Darstellung eines Johannes als Täufer und Eremit. Das Gemälde, wegen des kleinen Formates (59:21,7 cm) mit der Bremer Sammlung von Zeichnungen und Druckgraphik in Karnzow, Mark Brandenburg, ausgelagert, ging wie diese im Mai 1945 verloren. Obwohl das Bild 1991/92 in einem russischen Dokumentarfilm über ein Moskauer Restaurierungszentrum gesichtet (und reklamiert) worden war, wissen wir über die Irrwege des Bildes nach 1945 und über den damaligen "Besitzer" nichts. Das Bild wurde erneut erst wieder im vergangenen Sommer im Depot des Kadriorg Kunstmuseums in Tallinn/Estland von einer holländischen Forschergruppe identifiziert. Hier hatte es fast zehn Jahre unerkannt gelagert, nachdem es durch die estnischen Zollbehörden bei einer illegal geplanten Ausreise einer uns unbekannten, russischen Privatperson beschlagnahmt worden war. Der spontanen Hilfsbereitschaft und Bereitwilligkeit der Museumsleitung und dem Entgegenkommen der Ministerien in Tallinn ist es zu verdanken, dass das Gemälde jetzt, nach fast sechzig Jahren, nach Bremen zurückkehren kann.

Albrecht Dürer, Die Apokalyptischen Reiter Holzschnitt, 1582, Monogramm AD, © Foto: Kunsthalle Bremen Doch zuvor wird es gemeinsam mit seinem "Bruderbild" aus Bremen, einer Darstellung des "Heiligen Eremiten Onuphrius", das nach Kriegsende nicht verloren ging, im Kadriorg Kunstmuseum, einer ehemaligen, gerade prächtig renovierten Sommerresidenz Zar Peters I., in Tallinn ausgestellt werden, begleitet von rund achtzig druckgraphischen Arbeiten Dürers aus dem Bremer Kupferstichkabinett. Die Auswahl umfasst die drei großen Holzschnittfolgen des Künstlers: die "Apokalypse", das "Marienleben" und die "Große Passion", aber auch einzelne Holzschnitte wie das "Männerbad", das "Rhinozeros", der "Heilige Georg zu Pferde" oder Werke aus Dürers Lehrbüchern zur Perspektive, dazu die wichtigsten Kupferstiche: die "Drei Meisterstiche" mit "Melancholie", "Ritter, Tod und Teufel" und "Hieronymus im Gehäuse", auch die hervorragenden Stiche "Adam und Eva", "Das Große Glück", einige "Wappenbilder", "Madonnen" und Bildnisse der berühmten Humanistenfreunde Dürers, Philipp Melanchthon und Erasmus von Rotterdam - alles in allem Werke, die den Ruhm des Künstlers schon zu Lebzeiten begründeten und die auch heute nichts von ihrer formalen Schönheit und inhaltlichen Gültigkeit verloren haben.

Ende Mai 2004 werden die beiden kleinen Gemälde (sowie die Holzschnitte und Kupferstiche) wieder in Bremen sein - Grund für eine Präsentation im eigenen Hause. Denn beide Tafeln teilen ein gemeinsames Schicksal, zumindest bis zum Ende des 2. Weltkrieges.

Eine erste Erwähnung beider Tafeln findet sich 1616 im Nachlass-Inventar des Nürnberger Kaufmannes Paulus II. Praun (1548-1616). Über einige, gut dokumentierte Auktionen und Verkäufe gelangten die Bilder in den 1830er Jahren an Dr. Hieronymus Klugkist, den Bremer Sammler und Mitbegründer des Kunstvereins. Sie waren neben einem kleinen Gemälde eines "Salvator mundi" (das bis heute mit der Sammlung Baldin vermisst wird) die einzigen Gemälde Dürers in der an Zeichnungen, Aquarellen und Druckgraphiken überaus reichhaltigen Dürer-Sammlung Klugkists, die er 1851 dem Kunstverein Bremen vermachte. Erst im Mai 1945, kurz nach Kriegsende im Auslagerungsort Schloß Karnzow in der Mark Brandenburg, wurden die Tafeln getrennt und nahmen unterschiedliche Wege.

 

Auch andere Gemeinsamkeiten in der Maltechnik, den hochinteressanten Unterzeichnungen, im (leider recht schlechten) Erhaltungszustand, wie auch die Ikonographie der Eremiten sowie Stil und Funktion der Tafeln sollen in der kleinen Präsentation aufgezeigt und beschrieben werden. Gleichzeitig wird man auch der Frage nachgehen können, ob die beiden Bremer Tafeln möglicherweise die Seitenflügel zu einem Mittelbild des "Salvator mundi" sind, das sich, ebenfalls aus einer alten Nürnberger Privatsammlung stammend, seit Beginn des 20. Jahrhunderts im Metropolitan Museum in New York befindet.

Dies wäre - nach den Ausstellungen zum "Frauenbad" 2001 und "Künstler und Kaiser - Albrecht Dürer und Kaiser Maximilian I.", die um die monumentale Ehrenpforte Dürers herum installiert war, in kurzer Zeit die dritte Ausstellung zum Werk Dürers, die aus der trotz aller Kriegsverluste immer noch reichen Dürer-Sammlung der Kunsthalle Bremen erarbeitet werden konnte. Man wünscht sich in näherer Zukunft eine vierte mit den Zeichnungen und Aquarellen Dürers der immer noch vermissten und viel diskutierten Baldin-Sammlung.

 

Anne Röver-Kann

Dr. Anne Röver-Kann ist Kustodin des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle Bremen

Die Dürer-Ausstellung in Tallinn wird vom 8.4. - 9.5.2004 gezeigt.
Adresse: Väliskunsti Muuseum/Kadriorg Art Museum
Weizenbergi 37, 10127 Tallinn/Estland
Tel. +372 - 606 6400
muuseum@kadriorg.ekm.ee
www.ekm.ee/kadriorg

 

Anschließend vom 24.5. - 4.7.2004 in der Kunsthalle Bremen die Ausstellung
Albrecht Dürer. Der heilige Johannes - aus Tallinn zurück - der heilige Onuphrius und andere Eremiten


Rembrandt (1606-1669), Stehende Frau mit erhobenen Händen (Saskia?), Feder in Braun, stellenweise laviert, Deckweiss Alter Bestand vor 1900, © Foto: Kunsthalle Bremen

 

 

AsKI KULTURBERICHTE 1/2004

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