Kunsthalle Bremen: Emile Bernard – am Puls der Moderne

Emile Bernard, Die Haschischraucherin, 1900, Öl auf Leinwand, Musée d‘Orsay, Paris © RMN – Grand Palais (Musée d‘Orsay) / Hervé Lewandowski

In Kooperation mit den Musées d'Orsay et de l'Orangerie in Paris präsentiert die Kunsthalle Bremen eine große Retrospektive des französischen Künstlers Emile Bernard (1868–1941), die erstmals auch sein kaum bekanntes Spätwerk einbezieht.

Gezeigt werden hochrangige Leihgaben aus dem Musée d'Orsay und internationalen Sammlungen sowie aus dem Besitz der Nachfahren Bernards. Ausgewählte Arbeiten unter anderem von Paul Gauguin und Vincent van Gogh ermöglichen Vergleiche mit seinen berühmten Künstlerfreunden, mit denen Bernard engen Kontakt pflegte. Zeitlebens stand er im Schatten seiner Zeitgenossen und so würdigt diese Ausstellung Emile Bernard erstmals umfassend als einen der wichtigsten Impulsgeber der bildenden Kunst am Ende des 19. Jahrhunderts.

Emile Bernard, Die Weizenernte, 1888, Öl auf Leinwand, Musée d‘Orsay, Paris © RMN – Grand Palais (Musée d‘Orsay) / Jean-Gilles BerizziDie Ausstellung „Emile Bernard – Am Puls der Moderne" entdeckt diesen von der Kunstgeschichte bisher vernachlässigten Künstler und gibt ihm seinen rechtmäßigen Platz in der Geschichte der modernen Malerei. Sie bietet einen umfassenden Einblick in Bernards vielfältiges Œuvre und präsentiert ihn als einen der innovativsten und zugleich eigensinnigsten Künstler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die ausgestellten Werke verfolgen Bernards Entwicklung von den ersten Versuchen des jungen Künstlers in Paris über die spektakulären Innovationen im bretonischen Pont-Aven bis zum kaum bekannten Spätwerk, das unter anderem in Kairo entstand und sich dem Stil der italienischen Renaissance annähert. Höhepunkt der gesamten Ausstellung sind die farbintensiven, dekorativen Bilder aus den späten 1880er-Jahren, mit denen Bernard – im Dialog mit Gauguin – den Symbolismus in der Malerei begründete: Die Menschen in der Bretagne, ihre Urtümlichkeit und Religiosität, aber auch die raue Natur inspirierten Bernard zu seinen bedeutendsten Werken.

Eine besondere Entdeckung ermöglicht die Ausstellung in Bremen, da hier erstmals ein Album aus dem Kupferstichkabinett der Kunsthalle gezeigt wird, das mit mehr als 850 Zeichnungen Bernards erstaunliche Einblicke in die frühe Entwicklung des Künstlers bietet. Darin finden sich Skizzen seiner Familie, Szenen aus der Schule, aber auch frühe Bildentwürfe, die Bernards rasante stilistische Entwicklung in den Jahren 1884 bis 1888 dokumentieren. Ausgehend von Zeichnungen aus diesem Album wird in der Bremer Ausstellung ebenfalls zum ersten Mal ein Skizzenbuch rekonstruiert, das der 18-jährige Künstler 1886 auf seiner ersten Wanderung durch die Bretagne anlegte: Diese Skizzenbuchblätter veranschaulichen seine intensive Auseinandersetzung mit der Natur und seine frühe Aneignung des Pointillismus.

Einblick in die Ausstellung

Ausgehend von den frühen Zeichnungen verfolgt die Schau die künstlerische Entwicklung Bernards, dessen Kunst und Leben sich von Anfang an durch starke Kontraste auszeichnet. Als junger Kunststudent zog Bernard mit Toulouse-Lautrec durch die anrüchigen Lokale am Montmartre, dann wandte er sich in seinen Bildern der unberührten Natur der Bretagne und der bäuerlichen Landbevölkerung zu. Während diese ersten Arbeiten vor allem die Auseinandersetzung mit dem Pointillismus zeigen, entwickelte Bernard bereits ab 1887 einen neuen Stil, um sich von der übrigen Avantgarde abzusetzen: Farbige Flächen mit dunklen Konturen führten zu der Bezeichnung Cloisonismus für diesen Stil, den die Ausstellung in großartigen Stillleben und Landschaften vor Augen führt. Bernards Freund Vincent van Gogh war von diesen Werken begeistert. Entscheidenden Einfluss aber hatte diese Gestaltung auf Paul Gauguin. Im Sommer 1888 malten Bernard und Gauguin im Künstlerdorf Pont-Aven Seite an Seite neue Bilder, die heute als Gründungswerke des Symbolismus in der Malerei gelten. In ihren farbintensiven, eindrucksvollen Gemälden werden die Bretoninnen mit ihren weißen Hauben zum Symbol eines traditionsreichen, naturverbundenen Lebens.

Emile Bernard, Die blaue Kaffeekanne, 1888, Öl auf Leinwand, Kunsthalle Bremen, Foto: Lars LorischDer neue Stil wurde jedoch schon bald allein Gauguin zugeschrieben, was den jungen Bernard kränkte. Es kam zum Bruch zwischen den beiden. Gauguin zog sich in die Südsee zurück, Bernard wandte sich 1893 in den Orient und lebte für etwa zehn Jahre in Kairo. Bernards Odalisken auf farbigen Diwanen scheinen Bilder von Henri Matisse vorwegzunehmen. Eine Reise nach Spanien 1896/97 brachte neue künstlerische Impulse. Inspiriert von Velázquez und Zurbarán begann Bernard von nun an klassischer zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Kairo gewinnen seine Akte an Sinnlichkeit und Volumen, umrahmt von dekorativen Stoffen mit feinen Mustern.

1904 kehrte der Künstler nach Frankreich zurück. Zunächst besuchte Bernard Paul Cézanne. Dessen Werke, die stets einen markanten Einfluss auf ihn hatten, schätzte er zeitlebens sehr. Sein „Cézannismus" erwachte zu Beginn des 20. Jahrhundert aufs neue, um bald wieder vom klassischen Ideal eingeholt zu werden. Diesmal war es der Zauber Venedigs, der Bernard für die italienische Kunst der Renaissance begeisterte, einem Stilideal, mit dem er sich bis zu seinem Lebensende auseinandersetzte.

Bernards eigensinnige Suche nach idealer Schönheit

Bei all seinen stilistischen Wandlungen suchte Bernard stets, seine Vorstellung von idealer Schönheit auszudrücken. Dies tat er anfangs durch radikale Vereinfachung und bewusste Verstöße gegen das verbreitete akademische Ideal. Nach der Wende ins 20. Jahrhundert, als die Avantgarde bereits zum guten Ton gehörte und die akademische Malweise verpönt war, wandte er sich hingegen der Klassik zu: Mutig und konsequent positionierte er sich gegen den Trend und scheute nicht davor zurück, sich als Außenseiter gegen den Pariser Kunstbetrieb zu stellen.

So erweist sich Bernard als ein höchst innovativer Künstler, der mutig dem Zeitgeist trotzte und stets seinen eigenen Weg ging. Entscheidend prägte er die Avantgardemalerei vom Post-Impressionismus bis zum Symbolismus, bis er sich dem klassischen Stil zuwandte: Ein rasanter Ritt durch die Kunstgeschichte und zugleich ein Leben voller Brüche und Visionen, aus dem ein berührendes und faszinierendes Werk entstand.

In der Ausstellung sind gut 120 Arbeiten von Emile Bernard zu entdecken, darunter Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Buchillustrationen und kunsthandwerkliche Arbeiten. Ausgewählte Werke seiner Zeitgenossen Henri de Toulouse-Lautrec, Vincent van Gogh, Paul Gauguin und Paul Cézanne werden im Dialog zu Bernards Kunstwerken gezeigt. Die Ausstellung wurde vom 17. September 2014 bis 5. Januar 2015 unter dem Titel „Emile Bernard (1868–1941)" im Musée de l'Orangerie in Paris präsentiert und ist noch bis zum 31. Mai 2015 in der Kunsthalle Bremen zu sehen.

Katalog

Der Katalog zur Ausstellung ist im Wienand Verlag erschienen. Es ist die einzige aktuelle Publikation in deutscher Sprache über Emile Bernard. Sie bietet neben einer Biografie und Aufsätzen von Dorothee Hansen, Fred Leeman und Rodolphe Rapetti anschauliche Einzelanalysen sämtlicher ausgestellten Werke nebst wissenschaftlicher Dokumentation. Der Katalog umfasst 256 Seiten sowie zahlreiche farbige Abbildungen. Erhältlich im Museumsshop der Kunsthalle Bremen (29 Euro) oder im Buchhandel (ca. 39,80 Euro).


Kunsthalle Bremen
Emile Bernard – am Puls der Moderne
Sonderausstellung 7. Februar bis 31. Mai 2015
Blog
Artikel auf dem Blog der Kunsthalle Bremen führen in das Werk von Bernard ein:
www.kunsthalle-bremen.de/blog/kategorien/sonderausstellungen
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Mit freundlicher Unterstützung von:
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Ernst von Siemens Kunststiftung
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AsKI KULTUR lebendig 1/2015

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