Kunsthalle Bremen: Eine Frage der Herkunft - Drei Bremer Sammler und die Wege ihrer Bilder im Nationalsozialismus

Logo Kunsthalle Bremen

Arnold Blome, Die Kugel rollt, 1934, schwarze Kreide und rote Tusche auf Papier, 44,8 x 52,7 cm, Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein Bremen, Foto: Karen Blindow

Woher kamen eigentlich die Bilder? Dies mag sich der eine oder andere Besucher der Kunsthalle Bremen fragen beim Anblick der vielen Kunstwerke, die einst von Bremer Privatsammlern erworben wurden.

Eine große Ausstellung der Kunsthalle gibt nun eine ausführliche Antwort auf die Frage zur Herkunft der Gemälde, Skulpturen und Papierarbeiten, die seit 1932 über Arnold Blome (1894 – 1972), Heinrich Glosemeyer (1896 – 1969) und Hugo Oelze (1892 – 1967) in die Sammlung gelangt sind.

Von den drei Bremer Privatsammlern, die sich im Nationalsozialismus zumindest teilweise professionell im Kunsthandel betätigten, erwarb der Kunstverein in Bremen in Form von Ankäufen, aber auch durch großzügige Schenkungen und Vermächtnisse zahlreiche Landschaftsdarstellungen und Porträts aus der Zeit des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Besondere Höhepunkte verkörpern die Gemälde und Zeichnungen deutscher Impressionisten, wie Max Liebermann, und der Brücke-Künstler Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff. Darüber hinaus bilden die Bremer Künstler, wie Dora Bromberger, Karl Dannemann und Kurt Edzard, einen weiteren Schwerpunkt.

Mit der Ausstellung möchte die Kunsthalle Bremen an diese historischen Privatsammlungen erinnern und die große Bedeutung dieser drei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten für die Kunsthalle honorieren. So ist Arnold Blome in der Ausstellung auch als Künstler zu entdecken. Seine bisher in der Öffentlichkeit kaum bekannten Gouachen, Collagen und Zeichnungen spannen den Bogen vom Expressionismus über den Konstruktivismus bis zu dadaistischen Wortbildern mit kritischen Kommentaren zur Zeitgeschichte.Max Liebermann, Papageienallee, 1902, Öl auf Leinwand, 88,1 x 72,5 cm, Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen, 1955 erworben von H. Glosemeyer, Bremen, Foto: Lars Lohrisch

Die Ausstellung basiert auf den Ergebnissen eines mehrjährigen Forschungsprojekts zur Provenienzforschung, das von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung beim Staatsminister für Kultur gefördert wurde. Dabei wurden insgesamt 84 Gemälde, fünf Skulpturen und 56 Zeichnungen daraufhin untersucht, ob es sich um Raubkunst handelt, die während des Nationalsozialismus enteignet oder abgepresst wurde. Aufwändige Einzelanalysen kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Herkunft von rund einem Drittel der Werke als unbedenklich einstufen lässt. Sie konnten vom Verdacht der Raubkunst vollständig entlastet werden. Dies betrifft unter anderem auch das berühmte Gemälde „Die Papageienallee" von Max Liebermann. Das Bild stammte ursprünglich aus der Sammlung des jüdischen Bankiers Eduard Arnhold in Berlin und musste daher mit besonderer Sorgfalt unter die Lupe genommen werden. Nun stehen alle Details der Herkunftsgeschichte fest und beweisen, dass die Papageienallee Teil des Erbes der so genannten arischen Stieftochter des Bankiers war und von dieser 1940 legal an den Bremer Sammler Heinrich Glosemeyer verkauft worden war.

In einem Fall bestätigte sich dagegen der Verdacht auf Raubkunst. Arnold Blome hatte die Handzeichnung Rückenfigur einer Frau des italienischen Barockmalers Giacomo Cavedone ursprünglich 1938 auf einer Auktion bei Weinmüller in München ersteigert und an die Kunsthalle verkauft. Im Rahmen der Provenienzforschung konnte zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die bezaubernde kleine Zeichnung aus der renommierten Sammlung des jüdischen Anwalts Michael Berolzheimer stammte, der bei seiner Emigration in die USA große Teile seines Kunstbesitzes ohne Entschädigung zurücklassen musste. Demzufolge wurde die Papierarbeit an die Erben restitutiert und anschließend vom Kunstverein mit Mitteln der Schenkung Mathilde und Fritz Müller-Arnecke zurückerworben.

Die Herkunftsgeschichte der meisten untersuchten Kunstwerke weist trotz der intensiven Recherche mehr oder weniger große Lücken in der Besitzerabfolge während des Nationalsozialismus auf. Häufig liegt dies an fehlenden Dokumenten, wie Rechnungen, Ankaufsbelegen und annotierten Auktionskatalogen, die Auskunft über die ehemaligen Eigentümer geben könnten. Obwohl sich bei diesen Kunstwerken keinerlei Verdachtsmomente gezeigt haben, lässt sich demnach ein verfolgungsbedingter Entzug nicht ausschließen. Um auch diese Lücken für den Besucher transparent zu machen, ist jedes Ausstellungsobjekt mit detaillierten Angaben zur Objektbiografie beschildert. Neben spannenden Geschichten vom Kunsthandel im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit vermittelt die Ausstellung damit in der Art eines „Work in Progress" den aktuellen Stand der Provenienzforschung in der Kunsthalle und möchte die Besucher zum Dialog mit der Geschichte der Kunsthalle einladen.

Darüber hinaus widmet sich die Ausstellung dem Thema Provenienzforschung auch grundlegend, das nicht erst seit dem sogenannten Münchner Bilderfund, der spektakulären Wiederentdeckung der verschollenen Sammlung des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt in aller Munde ist. Neben wichtigen Informationen und Erklärungen, wie etwa dem Unterschied zwischen Raubkunst und Beutekunst oder der Geschichte der Aktion „Entartete Kunst", werden die unterschiedlichen Arbeitsmethoden dieses neuen Wissenschaftszweigs veranschaulicht und die Kriterien zur Restitution eines Kunstwerks vermittelt.

Zudem präsentieren weitere Bremer und Oldenburger Museen und Bibliotheken ihre Forschungen zur Provenienz der Objekte, die sie als Vermächtnis Helene und Arnold Blome nach dem Zweiten Weltkrieg erworben haben.

Der umfangreiche Begleitkatalog, der die Biografien der Sammler und die Wege ihrer Bilder dokumentiert, bietet ebenso wie das reichhaltige Rahmenprogramm mit Vorträgen, Führungen, Kunstpausen und Podiumsdiskussionen die Möglichkeit zur vertieften Information und zum gegenseitigen Austausch.

Brigitte Reuter


 

Eine Frage der Herkunft: Drei Bremer Sammler und die Wege ihrer Bilder im Nationalsozialismus

Kunsthalle Bremen
22.10.2014 bis 4.1.2015

AsKI KULTUR lebendig 2/2014

.

xxnoxx_zaehler