Kunsthalle Bremen: Auguste Rodin. Meisterwerke zum 100. Todestag

Auguste Rodin, Johannes der Täufer, 1878-80  Bronze, grün und schwarz patiniert, © Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Fotos: Lars Lohrisch

Der französische Bildhauer Auguste Rodin (1840–1917) gilt als bedeutender Wegbereiter der Moderne. Mit seinen für die Zeitgenossen irritierend realistischen und oftmals fragmentarischen Skulpturen revolutionierte er die Bildhauerkunst der Jahrhundertwende.

In den Jahren um 1900 erlebte der bereits sechzigjährige Rodin zum ersten Mal eine Welle internationaler Aufmerksamkeit und Anerkennung, die den Beginn seiner bis heute anhaltenden Popularität markiert. Dabei waren es auch deutsche Museumsdirektoren wie der erste Direktor der Kunsthalle Bremen Gustav Pauli, Sammler wie der Bremer Philipp Johann Sparkuhle, Künstlerkollegen und -kolleginnen wie die Bremer Bildhauerin Clara Rilke-Westhoff und Schriftsteller wie Rainer Maria Rilke, die zu Rodins Anhängern der ersten Stunde zählten. Sie halfen, sein Werk auch in Deutschland bekannt zu machen.

Auguste Rodin „Das Eherne Zeitalter“, 1875/76, Bronze, braun, grün und schwarz patiniert, © Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Fotos: Lars LohrischVon dieser Begeisterung zeugen die früh für die Sammlung des Kunstvereins in Bremen angekauften Rodin-Skulpturen, die anlässlich des 100. Todestags des Bildhauers in einer Ausstellung in der Kunsthalle Bremen präsentiert werden (7. März bis 11. Juni 2017). Zu den zwischen 1905 und 1911 von Gustav Pauli direkt beim Künstler für den Kunstverein erworbenen Güssen zählen bedeutende Werke wie das „Eherne Zeitalter" und „Johannes der Täufer", aber auch die Bildnisbüste des Bildhauers „Dalou" und drei Figuren aus dem „Bürger von Calais"-Denkmal.

 

Die im Archiv der Kunsthalle aufbewahrten und in einer Auswahl in der Ausstellung präsentierten Briefe zwischen Rodin und Pauli dokumentieren die Verhandlungen über die Ankäufe, die technische Abwicklung der Güsse sowie inhaltliche Auseinandersetzungen über die spezifische Bedeutung der bestellten Figuren. So bezeugt etwa ein Brief Paulis vom 29. Januar 1906 die anhaltende und kontroverse Diskussion über den Inhalt des „Ehernen Zeitalters". Kurz nach Eintreffen der Figur in Bremen fragt er beim Bildhauer nach: „‚ Das Eherne Zeitalter ' war für mich vor allem ein Bild des Lebens mit dieser Unentschlossenheit, dieser Komplikation der – wunderbaren – Gebärde, die die Bewegung von Menschen kennzeichnet, die nicht arbeiten. Ich habe geglaubt, darin etwas wie das Erwachen aus einem tiefen und schweren Schlaf sehen zu dürfen. Jetzt sagt man mir, das sei ein Verwundeter. Und wahrhaftig trägt er über seiner linken Schläfe etwas wie eine Wunde. Ich gebe zu, daß die Gebärde die eines Mannes sein könnte, dem ein fürchterlicher Schlag das Bewusstsein geraubt hat. Aber haben Sie das ausdrücken wollen?" Rodins damaliger Sekretär, Rainer Maria Rilke, übermittelt kurz danach in einem Brief vom 4. Februar 1906 die Antwort des Bildhauers: „Wer darin [im „Ehernen Zeitalter"] einen Verwundeten sieht, entfernt sich ein wenig vom Gehalt und von der Empfindung, die für M. Rodin – wie übrigens auch für Sie – sein Werk atmet. Tatsächlich ist es eher das Erwachen, die langsame Rückkehr aus einem tiefen und schweren Schlaf, die von der noch traumbefangenen Geste dieses Jünglings beschworen wird."

Als Pendant für die Figur des „Ehernen Zeitalters" bestellte Pauli 1910 bei Rodin einen Abguss der Skulptur „Johannes der Täufer", der 1911 ausgeführt und nach Bremen gesandt wurde. Rodin zeigt den asketischen Einsiedler und Prediger in der Gestalt eines muskulösen und sehnigen Mannes. Nicht durch Attribute, sondern durch das Bewegungsmotiv wird die Figur als Johannes charakterisiert. Mit dem doppelten Zeigegestus verweist er zugleich auf den Himmel und die Erde – eine Inspiration, die Rodin vermutlich durch die Bronzestatue des Täufers über dem Nordportal des Florentinischen Baptisteriums erhielt. Im ausgreifenden Schreitmotiv entfernte sich Rodin von klassischen Kontrapost-Darstellungen und zeigt Bewegung als eine Entwicklung zwischen zwei Gleichgewichten. Die Pose verdeutlicht den Eindruck eines unaufhaltsamen Vorwärtsschreitens von Johannes, dem Vorläufer und Wegbereiter Christi. Die gemeinsame Aufstellung des „Ehernen Zeitalters" und der „Täufer"-Figur in der Kunsthalle Bremen dokumentiert ein Foto von 1911, dass der Kunsthallen-Direktor dem Bildhauer als Beleg zukommen ließ (Archiv des „Musée Rodin", Paris).

Bereits seit 1905 bemühte sich Pauli, die Statuengruppe „Bildhauer und seine Muse", die damals noch unter dem Titel „Der Traum des Bildhauers" firmierte, in einer Marmorfassung für sein Museum zu erwerben. In dieser eindrücklichen Skulptur beschreibt Rodin ein ambivalentes Verhältnis zwischen Muse und Künstler. Denn die Muse inspiriert den Bildhauer und bedrängt ihn zugleich körperlich: Sie scheint ihm ins Ohr zu flüstern, während sie sich drängend auf seinem Schoss abstützt. Der Bildhauer hält sich mit geschlossenen Augen den Mund, als wolle er einen Schrei unterdrücken. Nicht Pauli, sondern dem Bremer Sammler Philipp Johann Sparkuhle gelang es 1907/08 eine Bronzeversion der Figurengruppe beim Künstler zu erwerben. Erst 1956 konnte sie von der Kunsthalle Bremen für ihre Sammlung aus dem Nachlass Sparkuhles angekauft werden.

Zu den weiteren Ankäufen unter Pauli gehören drei Figuren aus dem „Bürger von Calais"-Denkmal. Rodin erhielt 1884 vom Bürgermeister von Calais den Auftrag, ein Denkmal zur Erinnerung an ein bedeutendes Ereignis während des Hundertjährigen Krieges zu gestalten: 1347, nach langer Belagerung der Stadt durch englische Truppen, erklärten sich sechs Bürger von Calais bereit, dem siegreichen englischen König die Schlüssel der Tore und damit symbolisch die Stadt selbst zu übergeben. Sie nahmen ihre Hinrichtung in Kauf, um ihre Mitbürger vor Strafen durch die Sieger zu bewahren. Auf Bitten der englischen Königin wurden sie schließlich begnadigt. Rodin schuf ein unkonventionelles Denkmal, das aus sechs gleich hohen und für sich autonomen Figuren besteht. Er setzte sich damit von der im 19. Jahrhundert für öffentliche Denkmäler üblichen Pyramidenform ab. Rodins Thema ist nicht das Pathos triumphierenden Heldentums, sondern das innere Drama des Individuums, das sich seinem Tod gegenübersieht. Pauli gab verkleinerte Ausführungen von drei Figuren aus dem Calais-Denkmal beim Künstler in Auftrag, als er 1905 dessen Atelier persönlich besuchte.

Die Werke Rodins werden in der Ausstellung ergänzt durch ausgewählte Arbeiten seiner Schülerinnen und Mitarbeiterinnen wie Camille Claudel und Clara Rilke-Westhoff, seiner Mitarbeiter und Künstlerkollegen wie Emile Antoine Bourdelle und Jules-Aimé Dalou. Den „Bürger von Calais"-Figuren werden zeitgenössische Fotografien von Candida Höfer gegenübergestellt, die in ihrem Zyklus „Zwölf" aus dem Jahr 2000 Rodins Denkmal an seinen zwölf Standorten weltweit fotografisch festgehalten hat.

Dr. Eva Fischer-Hausdorf
Kuratorin der Ausstellung
Kunsthalle Bremen

Kunsthalle Bremen

Auguste Rodin. Meisterwerke zum 100. Todestag

Ausstellung 7. März bis 3. September 2017

AsKI KULTUR lebendig 1/2017

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