Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg: Lovis Corinth und die Geburt der Moderne

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Lovis Corinth, Selbstporträt im weißen Kittel, 1918, Öl auf Leinwand, Wallraff-Richartz-Museum, Köln

Ein französisch-deutsches Kooperationsprojekt entdeckt das brillante Werk eines deutschen Grenzgängers an der Schwelle zur Moderne neu.

Malerei als Abenteuer - dies trieb Lovis Corinth bis an den Rand zum Formlosen und mitten in die Moderne hinein. Dabei blieb er dem Menschen und seinen ewigen Existenzfragen um Eros und Tod, Gewalt und Leidenschaft zeitlebens treu.

Akademiker, Naturalist, Impressionist, Expressionist - wie kaum ein zweiter Künstler verweigerte sich Corinth kunsthistorischen Schubladen, verlieh dem Medium Malerei neue Ausdruckskraft jenseits der Stile und entwickelte ein spannungsvolles Themenspektrum zwischen dionysischer Antike und christlicher Leidensgeschichte, vom intimen Genrebild bis zur subjektiven Landschaftsimpression. 1858 im ostpreußischen Tapiau geboren, gilt Corinth heute einem breiten Publikum und insbesondere auch Künstlern als ein Begründer der Moderne in der Malerei. Sein Lebenswerk liest sich als Versuch einer Selbstbehauptung, der dem Wandel der Zeit auf der Spur bleibt. Der Geburtstag von Lovis Corinth jährt sich im Jahr 2008 zum 150sten Mal.

Drei hochrangige Museen in Frankreich und Deutschland haben sich zusammengetan, um dieses Jubiläum mit einer großen Retrospektive zu feiern. Das Musée d'Orsay in Paris richtete im Frühjahr dem deutschen Künstler die erste französische Ausstellung ein - eine atemberaubende Premiere. Im Sommer folgte die zweite Station im Museum der Bildenden Künste Leipzig. In der ehemaligen DDR und in den aus ihr hervorgegangenen neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland gab es seit 1949 lediglich Corinth-Graphik-Präsentationen. Eine umfassende Corinth-Gedächtnis-Ausstellung im Museum für Bildende Künste gab es letztmalig 1926. Die Ausstellung im Jahr 2008 war das Jubiläumsereignis anlässlich des 150. Jahrestags der Gründung des Museums.

Für das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg - bundesweit einzigartiges Spezialmuseum für deutsche und zeitgenössische Kunst im östlichen Europa - gilt Corinth als Kernfigur in Sammlung und Selbstverständnis. Mit insgesamt 13 Gemälden und über 400 grafischen Arbeiten beherbergt das Kunstforum eine der differenziertesten Corinth-Sammlungen in öffentlicher Hand. Ein monografischer Künstlerraum innerhalb der Schausammlung präsentiert Hauptwerke aus allen Schaffensphasen wie Diogenes (1892), Geschlachteter Ochse (1905), Das große Martyrium (1907), Italienische Strandszene (1914), Selbstbildnis (1920), Geburt der Venus (1923) und Der Jochberg am Walchensee (1924). Seit 1974 wird hier auch der Lovis-Corinth-Preis an herausragende zeitgenössische Künstler verliehen, unter ihnen Oskar Kokoschka, Sigmar Polke und Markus Lüpertz.

Die Regensburger Station der deutsch-französischen Retrospektive lockt mit einem eigenen Profil: Auf knapp 1.200 m2 Ausstellungsfläche im vollständig frei geräumten Erdgeschoss des Museums werden zirka 100 Gemälde gezeigt. Die Schau bietet dem Publikum einen thematisch gegliederten Rundgang, der das gesamte motivische Spektrum des Riesenwerks von Corinth präsentiert und in seiner extremen stilistischen Entwicklung vorstellt. Im Zentrum: die faszinierenden Körperphantasien und Figurenbilder sowie lebensvolle Porträtszenen aus dem privaten Leben des Künstlers. Hier spiegelt sich eine absolut originäre Auseinandersetzung mit biblischen Themen und antikem Mythos als auch mit dem eigenen erotischen Erleben - vor allem in der lebenslangen Liebe zu seiner Frau Charlotte.

Durch monatelange Recherchen und enge Kontakte zu Leihgebern konnte es gelingen, Hauptwerke, die bislang kaum oder überhaupt nicht der Öffentlichkeit bekannt waren, exklusiv für die Regensburger Ausstellung zu gewinnen. Neben dem seit 1945 noch nie in einer Museumsausstellung präsentierten Werk Lebensalter I (1904) aus Münchner Privatbesitz beansprucht vor allem ein Gemäldezyklus von 1913/14 aus der Berlinischen Galerie höchste Aufmerksamkeit. Die sechs Großformate zeigen brachiale Kampfmotive aus der Odyssee und der Rolandssaga.

Corinth schuf sie kurz vor dem Ersten Weltkrieg im Auftrag des Berliner Millionärs Katzenellenbogen definitiv konträr zum Zeitgeist - und erweist sich einmal mehr als brillante Brückenfigur zwischen Tradition und Avantgarde.

Im Nachklang zur großen Retrospektive präsentiert das Kunstforum vom 19. März bis 17. Mai 2009 eine Ausstellung mit seiner erstmals öffentlich präsentierten Corinth-Sammlung. Mit ihren Skizzenbüchern, Zeichnungen und Druckgrafiken öffnet sie den Blick auf die intimsten Werkgeheimnisse des ausdrucksstarken und bis heute irritierenden Grenzgängers auf der Schwelle zur Moderne.

Ulrike Lorenz


Lovis Corinth und die Geburt der Moderne

09.11.2008 - 15.2.2009

Corinth - Arbeiten auf Papier

Die Regensburger Sammlung
19.03. - 17.05.2009

Öffnungszeiten:
Di bis So, 10-17 Uhr, Do 10-20 Uhr

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