kunst.macht.kulturpolitik : Kulturpolitischer Bundeskongress in Berlin

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Das Motto des Kulturpolitischen Bundeskongresses, initiiert von der Kulturpolitischen Gesellschaft in Zusammenwirken mit der Bundeszentrale für politische Bildung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Akademie der Künste, hatte geradezu Tagesaktualität.

Am 7. und 8. Juni 2001 informierten sich über 300 Gäste - weiteren 100 hatte man zuvor bereits absagen müssen - in zehn Veranstaltungen und Foren zu den drei Bereichen Kunst, Macht/machen und Kulturpolitik und deren gesellschaftspolitischem Zusammenspiel. Die tagespolitische Brisanz lieferte die Bundeshauptstadt selbst. Dass ihr Finanzdesaster sofort die Kultur der Stadt, deren Museumsinsel, Theater etc. mit Kürzungen und Baustopps bedrohte, zeigte einmal mehr, wie leicht gerade der Kulturbereich immer wieder als "Spardose" gesehen wird, die man jederzeit plündern bzw. heranziehen kann. Auch die Diskussion um die in der Entstehung begriffene Kulturstiftung des Bundes unter Federführung von Staatsminister Nida-Rümelin lieferte eine Folie für den Bundeskongress.

Bereits die Pressekonferenz verdeutlichte: Berlin ist das kulturpolitische Entscheidungszentrum. Dies machten sich auch die Veranstalter zunutze, die Berlin und nicht beispielsweise Essen als Tagungsort wählten, und so konzentrierten sich die kulturpolitischen Fragen denn auch auf die Sicht, Hintergründe und Einschätzung der Veranstalter zu den tagespolitischen Aspekten.

Daneben waren es die Politiker selbst, die für die aktuelle Bedeutung des Themas standen, wie Staatsminister Nida-Rümelin, Bundespräsident Rau, der zu der Zeit amtierende Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin Christoph Stölzl, die Kultursenatorin der Stadt Hamburg Christina Weiss oder der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg Klaus von Trotha sowie der Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft und Beigeordnete für Schule und Kultur der Stadt Essen Oliver Scheytt, der auch die Tagung leitete.

Die drei Themenbereiche: Wie wird Kunst gemacht? Wie wird Kunst vermittelt? Wie sieht die kulturelle Öffentlichkeit aus? In den Foren wurde immer wieder betont, die Ausgangsbasis aller Überlegungen hätten die Künstler zu sein mit ihrer Kreativität, ihren Ideen, ihrer Sicht der Welt.

Die sechs Foren moderierten Medienvertreter wie Jens Jessen, Feuilletonchef "Die Zeit", die Rundfunk-, Fernseh- und Zeitungsredakteurin Wibke Bruhns oder Moritz Müller-Wirth, Ressortleiter in der "Zeit"-Redaktion Berlin. Tagungsteilnehmer wie auch Forumsdiskutanten waren Vertreter von Kulturinstituten wie der Präsident der Akademie der Künste Berlin, György Konrád; Ivan Nagel, Professor an der Hochschule der Künste, Berlin; Nicolaus Schafhausen, Leiter des Frankfurter Kunstvereins; Jean-Baptiste Joly, Direktor der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart; Bernd Kauffmann, Generalbevollmächtigter des Zentrums Schloss Neuhardenberg und Künstler/innen und Schriftsteller/innen wie Eva Demski, Frankfurt/M., Erich Loest, Michael Schindhelm und die Bühnen- und Kostümbildnerin Rosalie, Stuttgart. Plädiert wurde vehement und einmal mehr für die Schaffung von Räumen, geeigneten Rahmenbedingungen, um Kultur zu ihrem Recht zu verhelfen. Es dürfe nicht länger so sein, dass Kultur nicht gleichrangig neben anderen Ressorts einer Bundesregierung stünde.

Gérard Mortier, Noch-Intendant der Salzburger Festspiele, hob in seinem Auftaktvortrag u.a. auf den klassischen Kanon ab und plädierte dafür, ihn dynamisch, nicht statisch aufzufassen, Traditionen zu überdenken. Sein Bild "Tradition ist Brot, das gebrochen werden muss" impliziert ein Nutzbar-Machen. Kunst sollte als Mittel des Gedächtnisses, der Geschichte begriffen werden. Anhand der "Passion" von Bach fordert er auf zum perspektivischen statt linearen Sehen. Mortier plädierte dafür, eher interdisziplinär als monographisch zu arbeiten, eher interkulturell zu denken als multikulti, Aktualität anzustreben statt einer Sparteneinteilung in U- und E-Musik/Kunst. Er fordert ein Aufbrechen der Traditionen statt der Pflege eines verkrusteten Kanons.

Slavoj Zizek, Professor am Kulturwissenschaftlichen Institut NRW, Essen breitete auf der Basis von Schuberts "Winterreise" sehr drastisch und eindringlich die heutige Beliebigkeit von Werten aus. Die darin beschriebenen ,Grunderfahrungen', so könnte kritisiert werden, seien oberflächlich. Zizek spannt deshalb seinen Bogen bis zur Jetzt-Zeit: Stalingrad, Religionen, Mythen, Sexualität, Film - Themen, die Gefühlswelten prägen - und zu der Sackgasse, die in Isolierung und Vereinsamung führen kann.

Oliver Scheytt stellte in seinem Eröffnungsvortrag die Künste ins Zentrum der Kulturpolitik, wobei er ein Plädoyer für die Bundeskulturstiftung zur Förderung der zeitgenössischen Künste abgab. Abschließend lud er dazu ein, das 25-jährige Bestehen der Kulturpolitischen Gesellschaft mit einem Kulturfest in der Akademie der Künste gemeinsam zu feiern. Ein künstlerisches Rahmenprogramm u.a. mit Pantomimen, Perkussion machte immer wieder augenfällig, worüber gesprochen wurde.

SJ


 AsKI KULTURBERICHTE 2/2001

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