Kulturelle Bildung an Ganztagsschulen – Der ausgefüllte Nachmittag

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Kulturelle Bildung an Ganztagsschulen

AsKI-Fachtagung in Zusammenarbeit mit dem Fritz Bauer Institut und dem Erziehungswissenschaftlichen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main

Ende Februar 2005 konnte Gottfried Kößler, Leiter der pädagogischen Abteilung des Fritz Bauer Instituts, mehr als 90 Tagungsteilnehmer und 13 Referenten in der Frankfurter Universität begrüßen.

Im Anschluss daran führte Dr. Sabine Jung, Geschäftsführerin des AsKI, in die Problematik des Themas „Kulturelle Bildung an Ganztagsschulen“ ein. Lehrer seien leider nur unzureichend über die z.T. zwar mangels Kapazität eingeschränkten, aber doch vorhandenen Angebote der Kultur-Einrichtungen in ihrer Umgebung informiert. Sie dankte dem Fritz Bauer Institut, dem Erziehungswissenschaftlichen Seminar der Universität Frankfurt am Main und dem Hessischen Kultusministerium Wiesbaden für die Kooperation bei dieser auch als Lehrerfortbildung anerkannten Fachtagung, die von Volker Bernius, dem zuständigen Redakteur im Hessischen Rundfunk für hr2-Bildung, moderiert wurde.

Jörn Koppmann, abgeordneter Studienrat im Hessischen Kultusministerium Wiesbaden, erläuterte die unterschiedlichen Modelle von Ganztagsschulen in Hessen: Diese Vielfalt im Rahmen des von Kultusministerin Karin Wolff seit vier Jahren getragenen „Ganztagsprogramm nach Maß“ stelle eine Alternative zur verordneten Einheits-Ganztagsschule dar. Für die außerschulische Betreuung würden jährlich 33 Mio. Euro des Landes Hessen in den Haushalt eingestellt.

Petra Wiedemann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sozialpädagogischen Institut NRW (Fachhochschule Köln), stellte die Ergebnisse der QUAST-Studie (Qualität für Schulkinder in Tageseinrichtungen) vor. Diese sollte u. a. die Frage beantworten: „Was brauchen Kinder im Schulalter?“. Wiedemann verdeutlichte den Kriterienkatalog der Untersuchung: Im Focus waren die entwicklungsspezifischen Besonderheiten von 6-12jährigen Schulkindern.

Stephanie Welke von der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ in Hessen präsentierte das Programm „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). In enger Kooperation mit Bund und Ländern hat die DKJS ein Netzwerk für Schulen entwickelt, die ganztägige Bildungsangebote erarbeiten oder bestehende Angebote ausbauen wollen.

Prof. Dr. Holger Höge, Abteilung Umwelt und Kultur des Psychologischen Institutes der Universität Oldenburg, referierte die von ihm im Auftrag des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg erstellte Untersuchung „Schulkinder im Museum – Ergebnisse der Ausstellungsevaluierung“. Diese ermittele in Stichproben am Beispiel von Hauptschülern (Grund- und Realschule) im Alter von 12-14 Jahren.

Workshop I: „Was leisten Schule und Museum?“

In ihrem Beitrag „Das fliegende Klassenzimmer“ stellte Irmgard Gercke, Leiterin der Pädagogischen Abteilung im „Ludwig Forum für Internationale Kunst der Stadt Aachen“ die Frage, ob es den Lehrern gelingt, „das Klassenzimmer zu öffnen“, d. h. andere Bildungsinstitutionen aufzusuchen sowie deren Inhalte in die Curricula einzubinden.

Dr. Thomas Brehm, Leiter des Kulturpädagogischen Zentrums (KPZ) in Nürnberg, stellte seine Institution vor und berichtete im Referat „Museumspädagogen – Dienstleister für Schulen?“ über Erfahrungen aus seinem unmittelbaren Arbeitsfeld. Die Lehrkräfte präferieren bei Museumsangeboten Lehrplanbezogenheit und methodische wie soziale Impulsgebung, so Brehm.

Hans-Joachim Westholt, Kurator am Haus der Geschichte (HdG), Bonn, thematisierte die Problematik: Wie lassen sich Freiwilligkeit von Museumsbesuchen und Lernaufenthalte vereinbaren? Das HdG sei seit Jahren außerschulischer Lernort für Kursteilnehmer wie für Schulklassen der Großregion Bonn und Umgebung. Geschulte Begleiter stünden für zielgruppenorientierte Führungen zur Verfügung, d.h. zugeschnitten auf das Alter der Schüler, auf Schulart, Anlass des Rundgangs und Zeitfenster.

Rudi Kienzle, Fachberater Deutsch am Friedrich-Schiller-Gymnasium Marbach und mit einem Teildeputat am Deutschen Literaturarchiv Marbach zuständig für das Schulprogramm, entwickelt Strategien zur Vermittlung von Literaturausstellungen für Schulen. „Wie kommen die Lehrer ins Museum?“ – so auch der Titel seines Beitrags. Die Geschichte des Hauses und der Sammlung sollte zum Verständnis der wissenschaftlichen/didaktischen Struktur einer Ausstellung führen.

Workshop II: „Beispiele aus der Praxis“

Claudia Ohmert sprach als Leiterin der Museumspädagogischen Abteilung und des Kreativservice der Kunsthalle in Emden über „Kunst aktiv“. Innovative Kunstvermittlung im Museum stehe in der Kunsthalle auf drei Standbeinen: Malschule, Museumspädagogik und Kreativ-Service. Außerdem gebe es Kooperationen mit der Kinderuniversität Oldenburg und der Europäischen Junioruniversität Salzgitter sowie Projekttage für Schulen, Audio-Guides für Kinder/Jugendliche und Führungen ‚Kinder für Kinder’.

Horst Walther, Gründer und Leiter des „Instituts für Kino und Filmkultur“ (IKF), Köln, erläuterte die von ihm bereits erprobte Zusammenarbeit mit Schulen in 11 Bundesländern unter dem Motto ‚Kino als Lernort‘, u. a. mit Kinoseminaren, Filmgesprächen und bundesweiten Schulfilmwochen mit einem Innovationspreis. Dies führte insgesamt 600.000 Schüler und Lehrer zusammen.

Jörg Naumann, Leiter der Museumspädagogik am Deutschen Hygiene-Museum Dresden, stellte seine Arbeit in dem interdisziplinären Wissenschaftsmuseum vor. Die Dauerausstellung „Der Gläserne Mensch“ sei konzipiert als Forum für fachübergreifendes und fächerverbindendes Lernen. Angesprochen würden für Klassen aufbereitete Fächer/ -kombinationen, wie Geschichte, Kunst, Religion, Deutsch, Ethik, Biologie.

Resümee der Fachtagung: Anderes und anders lernen im Museum

Kooperationen verschiedener Instanzen: Wünschenswert seien sowohl die Einbindung der Lehrer in die Programmplanung der Museen wie auch die Unterrichtung der Museumsleitung und -Pädagogen in die Schul-Curricula. So könnten gezielt gemeinsam Angebote für Ganztagsschulen erarbeitet werden, die finanziell ausreichend gefördert werden müssten.

  • Bildungspolitische Perspektiven: Unklar sei nach wie vor die Zielsetzung der Ganztagsschule in den nächsten 10-15 Jahren. Wird es eine Schulzeitverkürzung geben, womit u. a. eine grundsätzliche Neuausrichtung einherginge, z.B. beim Lehrplan?
  • Alltagsbezug und Lehrplanverständnis: Es wurde für eine selbstkritische Sicht der museumspädagogischen Arbeit plädiert, die besonders auf das Bedürfnis der Schüler nach Autonomie eingehen soll.
  • Dem Museum nicht die Seele nehmen: Die Besonderheiten des „Lernortes Museum“ solle gegenüber dem „Lernort Schule“ noch klarer herausgearbeitet werden. Im Vergleich zu nüchternen Schulräumen sei die Aura eines Museums einzigartig. Seine originalen Exponate stünden in ihrer Authentizität im Kontrast zu einer Welt von Kopien und Virtuellem.
  • Produktivität zeigen: Nicht Ausstellungsästhetik sei für Kinder und Jugendliche von Bedeutung, sondern die Produktivität des Museums, als Anregung, selber produktiv zu werden. Sie schauten viel lieber hinter die Kulissen, liebten den Werkstattcharakter, wollten wissen, wie was gemacht wird: künstlerisch, technisch und organisatorisch. Inhaltlich könne die Begegnung mit Künstlern – Schriftstellern, Malern, Musikern – und Museumsfachleuten – Kuratoren, Archivaren, Restauratoren – sehr zur Motivierung beitragen. So entstehe aus einer „Zwangsveranstaltung“ freiwilliges Lernen und damit auch eine Nachhaltigkeit des Erlernten.

Sabine Jung


In einer ungekürzten Fassung können hier Referenten-Beiträge abgerufen werden.

 

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 2/2005

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