Kleist-Museum Frankfurt (Oder) - "Literatur ist machtlos" - Erinnerungen an Johannes Bobrowski (1917-1965)

Logo Kleist

Johannes Bobrowski, © Kleist-Museum, Frankfurt (Oder)

"Die Deutschen und der europäische Osten", so hat Johannes Bobrowski einmal das zentrale Thema seiner schriftstellerischen Arbeit zusammengefasst.

"Zu schreiben habe ich begonnen am Ilmensee 1941, über russische Landschaft, aber als Fremder, als Deutscher. Daraus ist ein Thema geworden, ungefähr: die Deutschen und der europäische Osten. Weil ich um die Memel herum aufgewachsen bin, wo Polen, Litauer, Russen, Deutsche miteinander lebten, unter ihnen allen die Judenheit. Eine lange Geschichte aus Unglück und Verschuldung, seit den Tagen des deutschen Ordens, die meinem Volk zu Buch steht. Wohl nicht zu tilgen und zu sühnen, aber eine Hoffnung wert und einen redlichen Versuch in deutschen Gedichten."

Das Memelgebiet hat der 1917 in Tilsit geborene Dichter nach 1945 nicht wieder gesehen, doch es wurde seine literarische Landschaft, prägte sein Bemühen, den "Landsleuten etwas zu erklären, was sie nicht wissen, möglichst vielen Leuten ein Nachdenken beizubringen". Vor allem in seinen ersten beiden Gedichtbänden, "Sarmatische Zeit" und "Schattenland Ströme", versucht Bobrowski eine Annäherung an die gemeinsame Geschichte der Deutschen und ihrer östlichen Nachbarn, ein Erinnerungsprojekt, das er später in seiner Prosa weiterführt. Zur Umschreibung seiner Erinnerungslandschaften greift Bobrowski auf den spätantiken Begriff "Sarmatia" zurück, doch bezeichnet dieser Begriff bei ihm nicht nur den geographischen Raum Osteuropa wie in der Antike, sondern ist auch Raum für eine bis in die mythische Vorgeschichte reichende Vergangenheit. Sein Mühen um die Pruzzen, die uns unbekannten Ureinwohner jenes Landstrichs zwischen Weichsel und Wolga, um ihre gestorbene Sprache, bestimmt das Werk Johannes Bobrowskis. Und: Immer wieder behandelt er das Schicksal der Juden im europäischen Osten, wagt mit seinen Texten eine Aufarbeitung, es entstehen die Widmungs- und Personengedichte über berühmte wie vergessene jüdische Gestalten aus Geschichte und Literatur.

Anlässlich des 90. Geburtstags von Johannes Bobrowski soll dieser Raum, aus dem seine Dichtung kommt, in einer Ausstellung (noch bis 13. Mai 2007) vorgestellt werden, soll zum Nachdenken über die östlichen Nachbarn, dem vielleicht ein Verstehen vorausgeht, angeregt werden. Die Ausstellung, eine Zusammenarbeit des Kleist-Museums und der Johannes-Bobrowski-Gesellschaft e.V., will mit dem Erinnern Leseneugier und Lesevergnügen bei Interessierten anregen oder wieder neu beleben; denn nur Leser verhindern das Vergessenwerden der Schriftsteller.

Hans-Jürgen Rehfeld


Anlässlich der Ausstellung erscheint das Frankfurter Buntbuch Nr. 42 - Klaus Völker. "Johannes Bobrowski in Friedrichshagen". Der Autor, von 1993-2005 Rektor der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", las daraus zur Ausstellungseröffnung.

 

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 1/2007

.

xxnoxx_zaehler