Kleist-Museum, Frankfurt (Oder): Ein Stück Himmel für Kleist

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Dachfenster Erweiterungsbau Kleist-Museum; Foto: Kleist-Museum, Frankfurt (Oder)

Als Staatsminister Neumann am 4. März 2011 anlässlich der Eröffnung des Kleist-Jahres den 1. Spatenstich für den Erweiterungsbau des Kleist-Museums in Frankfurt an der Oder setzte, war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum „neuen Haus für Kleist" geschafft.

Und spätestens nach Beginn der komplizierten Gründungsarbeiten für den modernen Museumsanbau neben dem sensiblen barocken „Stammhaus" und dem Entstehen einer gewaltigen Baugrube von über 6 Meter Tiefe für den Bau einer „weißen Wanne", die das Kellergeschoss und damit auch die wertvolle Sammlung des Hauses aufnahm und sicher vor klimatischen Schwankungen und insbesondere vor Wassereintritt schützt, waren die einschneidenden Veränderungen in der Geschichte des Kleist-Museums auch für Außenstehende deutlich sichtbar.

Am 13. Juli wurde das von Lehmann Architekten Offenburg/Berlin konzipierte Haus anlässlich des Hansestadtfestes vom Bauherrn, der Kleist-Stadt Frankfurt an der Oder an den Trägerverein des Kleist-Museums übergeben und für die Frankfurter und ihre Gäste erstmals ein Blick hinter die durchaus nicht unumstrittene Fassade des Neubaus möglich: Im Inneren überzeugte der lichtdurchflutete, funktionale und schöne Bau buchstäblich jeden der zahlreichen Besucher. Der Treppenaufgang zur neuen Dauerausstellung lässt den Blick über zwei Geschosse in den Himmel wandern. „Ein Stück Himmel für Kleist" titelte ein Berliner Kulturblogger, und für die Mitarbeiter und die Bestände des Kleist-Hauses, wie das Museum bei den alteingesessenen Frankfurtern immer noch heißt, sind nach vielen Jahren des Provisoriums tatsächlich geradezu paradiesische Zustände eingetreten: Endlich Platz und konservatorische Sicherheit für die Sammlungen und die Bibliothek, endlich gemeinsame Arbeitsräume unter einem Dach, endlich ein variabler Veranstaltungsraum, der die bisher herrschende drangvolle Enge bei zahlreichen Eröffnungen, Lesungen und Konzerten vergessen lässt. Von der gelungenen Verbindung von Schönheit und Funktionalität können sich auch die Besucher der Fachbibliothek und des Archivs überzeugen: Die vier Arbeitsplätze bieten neben allen technischen Notwendigkeiten einen wunderbaren Blick über den Garten des Kleist-Museums und die immer bewegte Oder auf die polnische Nachbarstadt Słubice.

Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt: Seit 18 Monaten arbeiten die Kuratorin Barbara Gribnitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kleist-Museum, und die Ausstellungsgestalter, die ARGE Panatom und valentine koppenhöfer szenographie, konzentriert an der neuen ständigen Präsentation „Rätsel. Kämpfe. Brüche. Die Kleist-Ausstellung". Gribnitz und Panatom zeichneten bereits für die erfolgreiche Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Casa di Goethe in Rom verantwortlich.

Heinrich von Kleist und seine Werke stellen uns immer wieder vor Rätsel. Sowohl sein Leben als auch sein Werk sind durch Kämpfe und Brüche gekennzeichnet, und groß ist die Versuchung, Fehlstellen in der Überlieferung seines Lebensweges durch Interpretationen zu ersetzen oder sein Werk zur Erklärung seiner Motive heranzuziehen. Die neue Kleist-Ausstellung geht das Wagnis ein, Leben und Werk des Dichters an der Schwelle zur Moderne getrennt voneinander zu präsentieren und versucht die Frage „Wie stellt man eigentlich Literatur aus" auf ungewöhnliche Weise, den Besucher ausdrücklich fordernd, zu beantworten. Sie lädt zur Erkundung der einzigartigen Sprache Kleists und zum Eintauchen in seine vielschichtigen Textwelten ein, ermöglicht sinnliche, persönliche Erfahrungen mit den Werken und spiegelt so den Prozess der Literaturentstehung im individuellen Akt des Lesens. Dass die Anstrengungen zum Erfolg geführt haben, werden die Besucher des Museums in den nächsten Monaten und Jahren sicherlich zeigen. Auf die fruchtbaren Diskussionen, die die Ausstellung nicht nur in der „Kleist-Gemeinde" hoffentlich hervorrufen wird, freuen wir uns.

Anette Handke

AsKI KULTUR lebendig 2/2013

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