Kleine Nachrichten: Fritz Bauer Institut

Veränderungen / Dokumentations- und Forschungsprojekt des Fritz Bauer Instituts: Die fiskalische Ausplünderung der Juden in Hessen 1933-1945

Zehn Jahre nach den ersten konzeptionellen Vorarbeiten und fünf Jahre nach der offiziellen Gründung begann für das Fritz Bauer Institut im letzten Herbst ein neuer Abschnitt seiner Geschichte. Nachdem der Förderverein auf der Basis einer ausführlichen Diskussion mit großer Mehrheit sein Plazet für eine Reihe tiefgreifender Veränderungen gegeben hatte, trat mit dem 1. Oktober 2000 nicht nur eine veränderte Stiftungsverfassung in Kraft. Förderverein und Stiftungsrat haben sich darüber hinaus einem Plan angeschlossen, den der neugewählte Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Prof. Dr. Steinberg, entwickelt hat und der folgende Eckpunkte enthält:

  • Das Fritz Bauer Institut wird bei voller Wahrung seiner Unabhängigkeit, die in einem Kooperationsvertrag festgelegt ist, ein sogenanntes "An-Institut" der Frankfurter Universität. Es wird unentgeltlich von einem amtierenden Professor im Rahmen seiner Dienstpflichten geleitet und im Frühjahr 2001 in angemessene, gänzlich neu ausgestattete Räume im ehemaligen "IG-Farben-Haus" - gelegentlich auch nach seinem Architekten als "Poelzig Bau" bezeichnet - umziehen. Durch diesen Umzug werden jährlich Mittel von beinahe 150.000,- DM eingesparter Miete frei, die der Forschung, Präsentation und Bildungsveranstaltungen zugeführt werden.
  • Seit Beginn des Jahres 2001 stellt das Land Hessen - einer der Stifter - auf Dauer die finanziellen Mittel einer C4-Professur für historische und interdisziplinäre Forschung zur Verfügung, die für eine rotierende Gastprofessur namhafter in- und ausländischer Gelehrter verwendet werden.
  • Künftig ist die Universität Frankfurt mit zwei Stimmen im Stiftungsrat vertreten, und zwar durch den Präsidenten der Universität und den Dekan des Fachbereichs, dem der jeweils das Institut leitende Professor angehört.
  • Die Unabhängigkeit des Instituts ist dadurch garantiert, dass die Bestellung sowohl des Direktors/der Direktorin als auch der Gastgelehrten nicht gegen die Vertreter des Fördervereins als Repräsentanten des bürgerschaftlichen Engagements getroffen werden kann.
  • Als nächster Direktor, nach dem Gründungsdirektor Dr. Hanno Loewy und der interimistisch leitenden Frau Dr. Irmtrud Wojak, wurde Prof. Dr. Micha Brumlik für die nächsten fünf Jahre bestellt.
Neue Hausadresse:
Fritz Bauer Institut, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt am Main
Tel. 069/798322-40
Fax 069/798322-41
E-Mail: info@fritz-bauer-institut.de
Internet: www.fritz-bauer-institut.de

Im Herbst 1998 zeigte das Stadtmuseum Düsseldorf die Ausstellung "Betrifft: 'Aktion 3' - Deutsche verwerten jüdische Nachbarn". Sie dokumentierte erstmals die Rolle der Finanzverwaltung bei der Entziehung und Verwertung "jüdischen Vermögens" unter der NS-Diktatur. Das starke Echo, das diese Ausstellung in der Öffentlichkeit gefunden hat, und die daraufhin einsetzende Diskussion über die Mitwirkung des Fiskus am Holocaust, veranlasste damals die hessische Landesregierung, Mittel in Höhe von DM 200.000 für ein auf Hessen bezogenes Dokumentations- und Forschungsprojekt zu dieser Thematik bereitzustellen und hiermit das Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main zu beauftragen.

Das Projekt wird nun seit Mitte März 2000 in enger Zusammenarbeit mit dem Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden durchgeführt. Dort werden in erheblichem Umfang einschlägige Akten des Oberfinanzpräsidiums Kassel, der Devisenstellen Kassel und Frankfurt am Main sowie einzelner Finanzämter aus der NS-Zeit aufbewahrt. Zugleich sind allerdings Aktenverluste in größerem Ausmaß festzustellen. Dies gilt vor allem für die mit der Verwertung des entzogenen Vermögens beauftragten Stellen der Finanzämter sowie für die Dienststellen der Gestapo. Die betreffenden Unterlagen sind teils durch Kriegseinwirkung in Verlust geraten, teils vor Kriegsende absichtlich vernichtet worden.

Ziel des auf zwei Jahre angelegten Projekts ist es zum einen, eine wissenschaftliche Darstellung der Folgen der nationalsozialistischen Steuergesetzgebung für die jüdische Bevölkerung und der Beteiligung der Finanzverwaltung an der Entrechtung und Ausplünderung der Juden zu erarbeiten - jeweils bezogen auf die konkrete Situation im Gebiet des heutigen Landes Hessen. Zum anderen sollen die hierzu in den staatlichen Archiven aufbewahrten Aktenbestände - einschließlich der umfangreichen Unterlagen aus dem Bereich der Wiedergutmachung - eingehend beschrieben und näher erschlossen werden. Die Ergebnisse sollen veröffentlicht werden und künftig als Handreichung für die Forschung zur Verfügung stehen.

Ansprechpartner: Frau Dr. Irmtrud Wojak vom Fritz Bauer Institut (Tel.: 069/9758110; Fax: 069/97581190) sowie Herr Dr. Volker Eichler vom Hessischen Hauptstaatsarchiv (Tel.: 0611/881119; Fax: 0611/881145)

AsKI KULTURBERICHTE 1/2001

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