Germanisches Nationalmuseum: Reisebegleiter – Koffer-Geschichten 1750 bis heute

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Koffer, um 1920, Foto: Germanisches Nationalmuseum

Fast jeder Mensch besitzt einen Koffer oder eine Reisetasche, und schon Kinder spielen mit Arztköfferchen und Schatztruhen. Doch noch nie ist dieser meist unverzichtbare Reisebegleiter in allen seinen unterschiedlichen Facetten ausführlich beleuchtet worden – in der Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums, die den Ausklang des 175-jährigen Bahnjubiläums bildet, steht er ab 9. Dezember 2010 im Mittelpunkt.

In den letzten drei Jahrhunderten wandelten sich im schnellen Tempo die Fahrzeuge, mit denen sich Menschen auf Reisen begaben. Von der Fuß- zur Kutschenreise, von der Eisenbahn zum Flugzeug: Den Verkehrsmitteln und Bedürfnissen einer immer mobiler werdenden Gesellschaft passten sich auch Gepäck und Gebrauchsgegenstände an, auf die man unterwegs nicht verzichten wollte. Der Rollkoffer, der seinen Siegeszug erst in den 1990er Jahren antrat, ist inzwischen beinahe zu einem selbstverständlichen Teil, zum dritten Bein, von Reisenden geworden. Walter Schnackenberg, Plakat für Gepäckversicherung, Foto: Germanisches NationalmuseumDoch sein Funktionieren hängt entscheidend vom Untergrund ab, auf dem er gezogen oder inzwischen auch geschoben wird. Derartige Fragen beschäftigten im 18. Jahrhundert, als das freiwillige Reisen eher eine Ausnahme bildete, kaum jemanden. Hatte man das Glück eine eigene Kutsche zu besitzen, so konnte man passgenaue Koffer anfertigen lassen und auch noch ein Reiseservice, eine Reiseapotheke und einiges mehr mitnehmen. Ein weiterer wichtiger Faktor auf Reisen stellte das Schreiben dar, denn Reisen, ohne seine Eindrücke festzuhalten, galt lange Zeit als nutzlos und überflüssig.

In der Ausstellung „Reisebegleiter – Koffer-Geschichten 1750 bis heute“ werden nicht nur die Entwicklung des Reisegepäcks von der Gesindetruhe über den Schrankkoffer bis zum Trolley und verschiedene Koffermoden behandelt, sondern auch weitere Themen rund ums Gepäck. Eine zentrale Rolle spielte die Eisenbahn. Der Gepäckverkehr, also der Umgang mit dem Gepäck auf der Bahn, nahm lange Zeit eine wichtige Rolle ein. Im eigens mitgeführten Gepäckwagen war das platzsparende Unterbringen der Koffer eine Grundvoraussetzung. Mit dem zunehmenden Reiseverkehr, nicht zuletzt bedingt durch die Ende des 19. Jahrhunderts allmählich aufkommende Fahrt in die Sommerfrische, wurde das Stapeln des Gepäcks immer notwendiger. Dazu bedurfte es Koffer aus widerstandsfähigem, nicht zu schwerem Material, wie es in den sogenannten Rohrplatten gefunden wurde. Die meist truhenartigen Gepäckstücke hatten normierte Maße und wurden vermehrt in den allmählich entstehenden Kofferfabriken gefertigt, die auch das Militär und Handlungsreisende bedienten. Sie witterten nicht zuletzt Absatzchancen durch die Reisen ihrer Kunden mit „großem Apparat“, vielen Koffern, Hutschachteln etc.

Marlene Dietrich mit großem Apparat auf Reisen, Foto: Germanisches NationalmuseumSo reiste Marlene Dietrich 1936 mit über 80 Koffern, darunter auch die von ihr als Elefanten bezeichneten Schrankkoffer, von denen einer in der Ausstellung zu sehen sein wird. Bis heute ist mit dem Reisen die Befürchtung verbunden, Gepäck zu verlieren. Aus diesem Grund bilden sowohl Reisegepäckversicherungen als auch die Individualisierung der Koffer durch Aufkleber ein Thema. Doch auch die ständige Überlegung, wie der Reisende seinen Koffer packt und Ordnung hält, wird beleuchtet. Koffer von Handlungsreisenden spielen hier eine besondere Rolle.

Der Hauptakzent der Ausstellung liegt auf der Frage, welche Geschichten sich aus den Alltagsgegenständen ablesen lassen. So stehen Gepäckstücke von bekannten Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe, Ludwig Ganghofer, Marlene Dietrich, Thomas Mann oder Hildegard Knef für jeweils unterschiedliche Reisegewohnheiten und drücken ihr persönliches Verhältnis zum Reisen aus. Ein weiterer Aspekt gilt der Frage, was Karl Baedeker mit der Reisetasche zu tun hat ...

 Christian Vogel

AsKI KULTUR lebendig 2/2010

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