Germanisches Nationalmuseum: Johannes Grützke – Die Retrospektive in der Reihe des Deutschen Kunstarchivs

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Johannes Grützke: Darstellung der Freiheit, 1972, Öl auf Leinwand, 170,0 x 200,0 cm, Privatbesitz, © Foto Marburg

Noch nie wurde das Werk des in Berlin lebenden Künstlers Johannes Grützke so umfassend in einer Ausstellung präsentiert wie in der Retrospektive, die vom 24. November 2011 bis 1. April 2012 im Germanischen Nationalmuseum zu sehen ist.

In einer breit angelegten Schau wird nicht nur seine Malerei gezeigt, nein, sie umfasst die ganze Bandbreite des universell arbeitenden Künstlers. Johannes Grützke, der 1937 in Berlin geboren wurde, zählt zu den herausragenden Vertretern einer gegenständlichen Malerei in Deutschland. Sein zentrales Thema ist der Mensch, den er in stilisierten Alltagsszenen präsentiert, zu theatralischen Handlungen gruppiert, ihn häufig mit fratzenhaften Mimiken ausstattet und absurde Haltungen ausführen lässt. Vielfach zeigen seine Bilder zur Norm erstarrte menschliche Gefühle und Verhaltensmuster unserer Gesellschaft kritisch auf und machen gleichzeitig das Bedürfnis des Individuums nach Befreiung, Glück, Schutz und Geborgenheit deutlich.

Johannes Grützke, 2010, Foto: Anita Back

Zwischen 1959 und 1964 studierte Grützke an der Berliner Kunsthochschule, wo er sich – neben der Malerei – bereits mit verschiedenen Drucktechniken vertraut machte. Bereits 1965 war er Gründungsmitglied des unkonventionellen Musikensembles „Die Erlebnisgeiger“, das in wechselnder Besetzung bis heute auftritt. 1973 schloss er sich mit drei weiteren Malern zur „Schule der Neuen Prächtigkeit“ zusammen, mit dem Ziel neue Denkanstöße über die gegenständliche, zeitgenössische Kunst zu liefern. Im Rahmen ihrer Treffen führten sie immer wieder unkonventionelle Theaterstücke auf oder präsentierten Performance-artige Auftritte. Die 1980er Jahre waren stark bestimmt von Grützkes Arbeit für das Theater. Vor allem als enger Mitarbeiter und künstlerischer Berater des Regisseurs und Intendanten Peter Zadek machte er sich hier einen Namen. Von zentraler Bedeutung für sein malerisches Werk ist ohne Zweifel das 3 Meter hohe und 32 Meter lange Monumentalwerk „Der Zug der Volksvertreter“, das er zwischen 1987 und 1991 für die Paulskirche in Frankfurt am Main schuf. Als eines der gelungensten Historienbilder des 20. Jahrhunderts trug es wesentlich zur Reputation des Künstlers bei. Von 1992 bis 2002 unterrichtete er als Professor an der Nürnberger Kunstakademie. Johannes Grützke schuf ein immenses künstlerisches Werk, das aus Gemälden, Plastiken, Pastellen, Graphiken, Zeichnungen, Texten und Musik besteht.Johannes Grützke: Der lächelnde Kopf, 1995, weißer Ton, weiße Glasur, 39,0 x 37,0 cm, Privatbesitz, Foto: Monika Runge, Germanisches Nationalmuseum

Die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum gliedert sich auf etwa 1.000 Quadratmetern in sieben Themengruppen: Zunächst gewinnt der Besucher einen Einblick in sein Atelier, lernt den Künstler in Selbstbildnissen kennen, um dann auf den großen Raum mit dem zentralen Thema seiner „Männer und Frauen“ zu stoßen. Ein besonderes Augenmerk liegt im nächsten Saal auf Grützkes Historienbildern. Gezeigt werden sowohl Arbeiten, die sich an die reale Geschichte anlehnen, als auch Kompositionen, die frei erfundene, fiktive Geschichten erzählen. Der anschließende Raum ist seinen Entwürfen für das Theater sowie seinen eigenen Auftritten als Performer, Schauspieler, Redner oder musizierender „Erlebnisgeiger“ gewidmet. Schließlich werden Portraits von Größen aus Politik, Wirtschaft und Kultur zu sehen sein, die bislang noch nie öffentlich gezeigt wurden.

Die Präsentation erfolgt gattungsübergreifend und ermöglicht somit einen vergleichenden Blick auf Grützkes unterschiedliche künstlerische Arbeiten. Neben den oftmals großformatigen Kunstwerken – darunter sechzig Gemälde, zwölf Pastelle, acht Plastiken, fünf mehrteilige graphische Mappenwerke, einundzwanzig Plakate und zahlreiche Zeichnungen – sind in Vitrinen auch viele einmalige, sehr persönliche Dokumente zu entdecken – darunter zahlreiche Fotografien, Typoskripte, Briefe oder Presseausschnitte. In Audio- und Videostationen ist Grützke auch als Redner, Schauspieler und musizierender „Erlebnisgeiger“ zu erleben.

Johannes Grützke: Unser Fortschritt ist unaufhörlich, 1973, Öl auf Leinwand, 205,0 x 240,0 cm, Privatsammlung Berlin,  Foto: Jörg P. Anders, Nuthe-Urstromtal

 Die großzügige Schenkung der privaten Dokumente mit vielen Manuskripten sowie zahlreichen Skizzen durch Johannes Grützke waren willkommener Anlass, die erfolgreiche Reihe „Werke und Dokumente“ des Deutschen Kunstarchivs im Germanischen Nationalmuseum fortzusetzen. Die Kontextualisierung und Verankerung des Künstlers in seiner Zeit ist zentrales Anliegen dieser Reihe, die bereits in den 1970er Jahren ihren Anfang nahm.

Birgit Jooss

AsKI KULTUR lebendig 2/2011

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