Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt a. M.: „Und merkt euch, wie der Teufel spaße“. Bernhard Heisig & Goethes ‚Faust‘

Bernhard Heisig, Illustration zu Goethes Faust I, Frontispiz, Feder in Schwarz, © Frankfurter Goethe-Museum

Wenn Bernhard Heisig (geb. 1925), der Mitbegründer der legendären „Leipziger Schule“, Bilder zum ersten Teil des ‚Faust’ entwirft, darf man gespannt sein:

Der Maler und Grafiker, der mit explosiver Dynamik die brisanten Themen der Zeit unter der Maske der Historie aufgreift, bringt in die lange Tradition der Faust-Illustrationen einen neuen Ton ein. Für die 2002 erschienene Faust-Ausgabe des Verlags Faber & Faber Leipzig hat Heisig 50 Federzeichnungen geschaffen, die das Frankfurter Goethe-Museum mit Hilfe der Hessischen Kulturstiftung sowie der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen/Thüringen 2007 erwerben konnte. Damit wurde der Sammelschwerpunkt der Faust-Illustrationen aktualisiert und um ein wichtiges Zeugnis der Gegenwartskunst bereichert. Es ist der erste große Faust-Zyklus des 21. Jahrhunderts, der nun in der Ausstellung „Und merkt euch, wie der Teufel spaße“. Bernhard Heisig & Goethes ‚Faust’ im Original präsentiert werden soll (17. Mai - 30. August 2009).

Die Illustrationen begleiten in loser Folge Goethes Text und entwickeln sich in direktem Dialog mit ihm, wobei der Künstler die Kernszenen herausgreift und ein sicheres Gespür für die Dramatik und die hintergründige Psychologie der Dichtung beweist. Bei der Wahl der Motive schließt er sich zwar bewusst an die Bildtradition an, gestaltet sie aber mit den Mitteln seiner Zeit und vor der Folie seiner Lebenswelt neu. So entsteht eine schlüssige, authentische Interpretation, an der sich wieder einmal die zeitlose, überzeitliche Wirkungskraft von Goethes ‚Faust’ erweist. Manche Blätter knüpfen stark an Theaterszenen an, andere tendieren zu symbolhafter Gestaltung. Durchgehend steht die menschliche Figur, die pointierte Charakterisierung der Protagonisten im Mittelpunkt, die Heisig nie auf bloße Rollen- oder Kostümbilder reduziert, sondern in ihrem Zwiespalt, ihrem Changieren zwischen Gewalt und Verletzlichkeit als Typen unserer Gegenwart erfahrbar macht. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Stilmittel der Ironie, mit der Heisig das Pathos verfremdet, das die Rezeption von Goethes Dichtung so lange geprägt hat.

Das Illustrieren eines Textes nimmt in Heisigs Werk, das vor allem durch die ungeheure Farbkraft seiner Gemälde präsent ist, einen weniger spektakulären, doch gewichtigen Platz ein. 1965, im Jahr, in dem er den Preis des Illustratoren-Wettbewerbs der Internationalen Buchausstellung in Leipzig für seine Illustrationen zu Bertolt Brechts ‚Mutter Courage und ihre Kinder’ entgegennahm, äußert Heisig sich in dem Aufsatz ‚Über die Kunst der Illustration’ explizit zum Thema: „Illustration, aus dem Lateinischen kommend, heißt eigentlich ‚erläutern’. Einen Text erläutern, ihn bebildern, damit sich der Leser [...] ein Bild machen kann. Oder einen Text deuten, damit es dem Leser leichter falle, den verborgenen Sinn zu finden, oder noch weiter gehend, dem Text mit Hilfe der Illustration einen ergänzenden, zusätzlichen, mitunter sogar der literarischen Vorlage entgegen gesetzten Sinn unterzulegen, wie wir es teils schon bei Menzel, später bei den Gesellschaftskritikern, z.B. bei Grosz sehen“.1

Bernhard Heisig, Illustration zu Goethes ‚ Faust I, Auerbachs Keller, Feder in Schwarz laviert, © Frankfurter Goethe-MuseumHeisig ist ein Illustrator, der mit seiner Kunst dem Text durchaus dienen, sich ihm aber nicht unterwerfen will. Er stellt sich selbstbewusst in die Tradition von Goya, Doré, Daumier und Menzel, für die ein belangloser Buchschmuck ebenso wenig in Frage gekommen wäre. Er erkennt aber auch die Grenzen heutiger Illustration, die sich nur schwer gegen die neuen Medien Foto und Film durchsetzen kann – „denn, nur mit der Zeichenfeder bewaffnet, als Illustrator gegen die Plastizität der Fülle z. B. einer guten Romanverfilmung entgegentreten zu wollen, könnte schon als hoffnungsloses Unterfangen angesehen werden“.2

Dennoch vertraut Heisig auf die künstlerischen Mittel, mit denen der Illustrator einen Text nicht nur kongenial bebildern, sondern auch bereichern und über die Darstellungsmöglichkeiten von Foto und Film hinaus erschließen kann. Die Zyklen, die er u. a. zu Emile Zolas ‚Germinal’, Anna Seghers ‚Das siebte Kreuz’, Heinrich Manns ‚Der Untertan’, Theodor Fontanes ‚Schach von Wuthenow’, Georg Büchners ‚Woyzeck’ und Hanns Eislers ‚Johann Faustus’ schuf, bezeugen, wie souverän Heisig mit dem Medium Illustration umzugehen versteht.3 Heisig, dem besonders die Rolle Mephistos liegt, setzt sich schon lange mit Goethes ‚Faust’ auseinander; seine Faust-Lithographien aus den 90er Jahren werden ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sein. Dazu kommen neuere Gemälde zum ‚Faust’, deren Farbkraft das Genre der Illustration sprengt. Um das Fundament zu zeigen, von dem Heisig ausgeht, werden ausgesuchte Faust-Illustrationen der Moderne – von Max Slevogt über Ernst Barlach und Josef Hegenbarth bis zu Beispielen aus Max Beckmanns Zyklus zu ‚Faust II’ von 1943/44 – gegenübergestellt. Die innere Verwandtschaft der Kunst Heisigs mit derjenigen Beckmanns wird oft betont; der kongeniale Umgang der Künstler mit dem Text, aber auch ihr unterschiedlicher Zugriff wird gerade an diesen Arbeiten deutlich.

Heisig nennt Max Beckmann den „letzten großen Bildermacher der Moderne“. Dahinter scheint ein Verständnis von Kunst und Künstler auf, das die Herkunft von Goethes Leitbild der Form und der Aneignung des Neuen durch Umgestaltung der Tradition nicht verleugnet: „Als junge Maler, unsichere Realisten“, schreibt Heisig, „versuchten wir uns nach dem Krieg aus dem Chaos der Kunsturteile und Prognosen auf eine Plattform zu retten. In einer Zeit also, wo es von den Leinwänden spritzte und tröpfelte und das Arbeiten mit der menschlichen Figur als niedrigste Form der Kunstübung galt. Da war die Begegnung mit Beckmann eine hilfreiche Erleichterung. Hier war etwas herübergerettet von den Alten und der Mensch das ausdrucksfähigste, bezugreichste Medium geblieben. Von da aus gab es noch die Verantwortung zur Form. Bilde Künstler, rede nicht“.4

Petra Maisak


1 Bernhard Heisig, Ruhig mal die Zähne zeigen. Über Kunst, Künstler und Gesellschaft, hrsg. von Peter Engel, Rüdiger Küttner und Dieter Brusberg, Berlin 2005, S. 92-108 (S. 96)
2 Ebd., S. 97
3 Vgl. Dietulf Sander, in: Bernhard Heisig, Schutzversuche 1963–2001, hrsg. von der Galerie Berlin, Berlin 2001, S. 5. Vgl. auch Dietulf Sander, Bernhard Heisig als Buchillustrator, Berlin 2007
4 S. a.a.O, Anm. 1, S. 62

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