Frankfurter Goethe-Haus - Freies Deutsches Hochstift : Goethe und das Geld. Der Dichter und die moderne Wirtschaft - Sonderausstellung

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Capital-Buch, Catharina Elisabeth Goethe (1731-1808), Frankfurt am Main, 1780-1808 © Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv

Es ist der breiten Öffentlichkeit bisher wenig bekannt, dass Goethe zeit seines Lebens über das Geld nachdachte und sich intensiv mit wirtschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzte.

Diese Beschäftigung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu durchleuchten, ist das Ziel einer groß angelegten Ausstellung, die das Frankfurter Goethe-Haus in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Goethe-Universität Frankfurt zeigt. Die Ausstellung zeigt den Dichter von ganz ungewohnter Seite, wenn sie seine vielfältige Beschäftigung mit der modernen Wirtschaft in den Blick nimmt - sowohl in der Praxis als Geschäftsmann und Finanzminister, als auch in der Rezeption aktueller Wirtschafts- und Gesellschaftstheorien und ihrer Reflexion in seinen Werken - und an seinem Beispiel dem spannungsreichen Verhältnis von Geld und Geist, Kunst und Kommerz nachspürt. In der Darstellung seines ökonomischen Denkens und Handelns als Frankfurter Bürgersohn und Weimarer Hausvater, als geschickt taktierender Geschäftsmann, Minister und natürlich als Autor vermittelt die Ausstellung darüber hinaus einen Eindruck von der turbulenten Zeit der frühen Industrialisierung, die nicht nur den Hintergrund für berühmte Werke wie den Wilhelm Meister bildete, sondern auch die Grundlagen für unsere heutige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung schuf. Ein zentrales Ziel der Ausstellung ist es, die erstaunliche Aktualität Goethes gerade in Zeiten globaler Finanz- und Wirtschaftskrisen aufzuzeigen.

Acht Kapitel beleuchten Goethes Beziehung zu Geld und Ökonomie aus unterschiedlicher Perspektive: Neben dem über Generationen aufgebauten Vermögen des bürgerlichen Elternhauses in Frankfurt, den engen Beziehungen zu Frankfurter Bankiersfamilien und Goethes geschicktem Taktieren mit seinen Verlegern gilt das Interesse seinen vielfältigen Tätigkeiten am Weimarer Hof und seiner Haltung gegenüber der beginnenden Industrialisierung. Ein Jahrzehnt beschäftigte sich Goethe als Leiter der Finanzverwaltung intensiv mit wirtschafts- und finanzpolitischen Problemstellungen, wirkte an der Reform des Steuerwesens mit, kümmerte sich um den Chausseebau und bemühte sich um die Wiederbelebung des Silberbergbaus in Ilmenau. Dabei setzte er sich intensiv mit den wichtigsten zeitgenössischen Wirtschafts- und Gesellschaftstheorien auseinander: von den französischen Physiokraten über die deutschen Anhänger der Lehre Adam Smiths bis hin zu den frühsozialistischen Schriften der Pariser Saint-Simonisten.

Porträt Friedrich Metzler, © Bankhaus Metzler

Im Zentrum der Ausstellung steht die These, dass Goethes ökonomisches Denken und Handeln in einer Epoche des Übergangs von der vormodernen zur kapitalistischen Wirtschaft die zeittypischen Gegensätze in charakteristischer Weise reflektiert: Als Bürgersohn aufgewachsen diente er dem Adel und setzte sich zugleich für das Wohl des ‚gemeinen Volkes‘ ein. Von hausväterlichen und ständischen Vorstellungen geprägt, wandte er sich suchend neuen ökonomischen Ideen zu. Goethe begeisterte sich für technische und wirtschaftliche Innovationen wie die Eisenbahn und das Papiergeld - jedoch nicht ohne deren Konsequenzen für die altbewährten Lebens- und Wirtschaftsformen kritisch zu untersuchen.

Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in Goethes literarischem Werk, vor allem im zweiten Teil des Faust wider. Die berühmte Szene der Schaffung des Papiergelds markiert die spannungsreiche Konstellation - und verleiht Goethes Haltung, auf dem Hintergrund der aktuellen Probleme, eine erstaunliche Aktualität. Von Faust und Mephisto als Lösung der Finanzprobleme des Kaisers angepriesen, erweist sich das ‚magische' Papiergeld letztlich als trügerische Hoffnung.

Assignat de cinquante sols, Frankreich 1793, © Historisches Museum Frankfurt

Auch der begleitende Katalog, der Beiträge international renommierter Fachwissenschaftler und Praktiker aus Wirtschaftswissenschaft, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Literaturwissenschaft und Buchgeschichte umfasst, stellt die Gegenwartsbezüge an den Anfang: Essays theoretisch wie praktisch ausgewiesener Geld-Experten - darunter der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet - , denen die Positionen namhafter Goethe-Forscher gegenübergestellt werden, bilden den Auftakt des Katalogs. Die weiteren Kapitel orientieren sich an den wichtigsten „ökonomischen" Rollen Goethes. Die Kapitel sind in der Regel mit einem Autorenduo aus Literaturwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte besetzt, so dass die Perspektiven der beiden Fächer gezielt miteinander verbunden werden.

Zur Ausstellung (bis 30.12.2012) im Goethe-Haus gibt es ein eigenes umfangreiches Begleitprogramm, s. www.goetheunddasgeld.com. Sie wird im Rahmen der Goethe-Festwoche 2012 der Stadt Frankfurt am Main eröffnet, die ebenfalls „Goethe und das Geld" in ihren Mittelpunkt stellt und zahlreichen Kulturinstitutionen der Stadt die Möglichkeit gibt, das Thema vielfältig mit je eigenen Schwerpunkten auszuleuchten.

Vera Hierholzer

AsKI KULTUR lebendig 2/2012

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