Franckesche Stiftungen zu Halle: 300-jähriges Jubiläum der Dänisch-Halleschen Mission im Jahr 2006

Ein Malabare, der ein Palmblatt beschreibt. Bekrönungsmotiv des Indien-Schranks in der Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen zu Halle, © Foto: Franckesche Stiftungen zu Halle

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts beabsichtigte der dänische König Friedrich IV. in der kleinen Handelskolonie Tranquebar an der Südostküste Indiens eine protestantische Mission aufzubauen.

Diese Aufgabe übernahmen zwei Schüler August Hermann Franckes, des Begründers der Franckeschen Stiftungen zu Halle. Bartholomäus Ziegenbalg (1682-1719) und Heinrich Plütschau (1677-1752) sind als Gründungsväter der evangelischen Mission in Indien in die Geschichte eingegangen. Nach abenteuerlicher Reise erreichten die beiden Missionare am 9. Juli 1706 die Küste Südindiens. Mit großer Behutsamkeit nahmen sie den Dialog mit den Menschen vor Ort auf. Sie erlernten die Landessprache Tamil und begannen mit Übersetzungen religiöser Schriften in Form von Palmblatt-Manuskripten. Aufmerksam erkundeten sie ihre neue Lebenswelt und berichteten regelmäßig und ausführlich nach Halle, woher sie umgekehrt dauerhafte Unterstützung erhielten. Auszüge aus den Manuskripten der Missionare wurden in den "Halleschen Berichten", die über die Grenzen Deutschlands hinaus Verbreitung fanden und die Wahrnehmung Indiens in weiten Kreisen bis hin zu Johann Wolfgang von Goethe beeinflussten, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Quellen
Die Dänisch-Hallesche Mission hat umfangreiche schriftliche Überlieferungen hinterlassen, die von einzigartiger Bedeutung sind für weltweite Forschungen im Bereich des 18. und 19. Jahrhunderts. Dazu gehören die im Archiv der Franckeschen Stiftungen befindliche Palmblatt-Handschriftensammlung, die mit etwa 260 Manuskripten die größte europäische Sammlung ihrer Art darstellt, und ein Bestand von ca. 33.000 Manuskripten, durch die ein umfassendes Bild nicht nur der Missionstätigkeit in Südindien gewonnen wurde und die als Grundlage der "Halleschen Berichte" gedient haben. Gemeinsam mit den Beständen des Archivs des Evangelisch Lutherischen Missionswerks Leipzig (ca. 2.000 Manuskripte) fand im Vorfeld des Jubiläums 2006 eine vollständige wissenschaftliche Erschließung und Neukatalogisierung der Quellenbestände in den Franckeschen Stiftungen statt, um sie der weltweiten wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen.

Jubiläumsprogramm
Im Mittelpunkt des ganzjährigen Jubiläumsprogramms stehen drei Projekte, die aufeinander Bezug nehmen und die sich mit der Geschichte und anhaltenden Wirkung des kulturellen Dialogs aus verschiedenen Blickwinkeln auseinander setzen. Sie schlagen eine Brücke von der historischen kulturellen Begegnung in Tranquebar bis zur aktuellen Befragung dieses Dialogs zwischen Indien und Europa.

Historische Karte von Tranquebar, Handelskolonie an der Südostküste Indiens, © Foto: Franckesche Stiftungen zu Halle

1. "Geliebtes Europa // Ostindische Welt" Kulturhistorische Ausstellung
In den Ausstellungsräumen des Historischen Waisenhauses der Franckeschen Stiftungen wird vom 7. Mai bis 3. Oktober 2006 eine Ausstellung präsentiert, die sich mit den Wurzeln und dem Verlauf der Dänisch-Halleschen Mission beschäftigt und ihren kulturgeschichtlichen Einfluss bis in die Gegenwart thematisiert. Die Geschichte dieser Mission bietet sich an, um die Entwicklung komplexer und dynamischer Beziehungen zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen zu untersuchen. Gleichsam als Konzentrat wird eine aus Bild- und Texttafeln bestehende Wanderausstellung konzipiert, die im Jubiläumsjahr an mehreren Orten in Indien gezeigt werden soll.

2. "Moving Spirits"- bilaterales Kunst- und Kulturprojekt der Franckeschen Stiftungen in Deutschland und Indien
Das Projekt beschäftigt sich mit dem wechselseitigen Einfluss spiritueller Ideen des deutschen und des indischen Sprachraums: des abendländischen Christentums einerseits, der religiösen Vorstellungen Indiens andererseits. Indische und deutsche KünstlerInnen und Gruppen setzen sich mit dieser Thematik auseinander und präsentieren das Ergebnis in Form von sechs (Medien-)Installationen. Die Ausstellung wird vom 7. Mai bis 3. Juni 2006 in den Franckeschen Stiftungen gezeigt. Beide Projekte werden durch die Kulturstiftung des Bundes und das Land Sachsen-Anhalt gefördert.

3. Wissenschaftliches und kulturelles Rahmenprogramm
Anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Dänisch-Halleschen Mission bereiten die Franckeschen Stiftungen zu Halle und ihr südindischer Partner, das Gurukul Lutheran Theological College in Chennai, für 2006 ein ganzjähriges facettenreiches Programm vor. Dies geschieht in Kooperation mit verschiedenen Institutionen im In- und Ausland. Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Sachsen-Anhalt, die Stadt Halle an der Saale, die Evangelische Kirche sowie verschiedene Sponsoren geben ihre Unterstützung. Geplant sind Symposien, Vorträge, ein Filmprogramm u.a., Dokumentationen ergänzen die Programmteile.

Zu den Festveranstaltungen rund um das Jubiläum gehört u.a. die für den 18.-25. Juni 2006 geplante Festwoche in den Franckeschen Stiftungen, die mit der Gestaltung des Lindenblütenfestes als Fest der indischen Kultur ihren Abschluss findet. In Indien wird im Juli 2006 eine Festwoche in Chennai (3.-9. Juli 2006) durchgeführt. Die Jubiläumsveranstaltungen in Dänemark fanden bereits im Jahr 2005 statt: Am 29. November wurde der 300. Jahrestag der Abreise der Missionare nach Indien mit einer Festveranstaltung in der Kopenhagener Universität und einem Fest-Gottesdienst im Kopenhagener Dom feierlich gewürdigt.

Vom 31. August bis 2. September 2006 findet in Halle eine Internationale Fachtagung unter dem Titel "Missionsgeschichte als Wissenschaftsgeschichte. Die Dänisch-Hallesche Mission und die Forschung im Kontext interdisziplinärer Zusammenarbeit" statt. Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen, wie Theologie, Indologie, Geschichte, Medizin, Geographie oder auch Sprachwissenschaft, sind eingeladen, ihre Forschungsergebnisse vorzustellen. Die sich anschließenden Diskussionen sollen Anstöße für eine weiterführende Forschung auf diesem Gebiet geben.

Eine dreibändige Publikation - "Halle and the Beginning of Protestant Chistianity in India (1706-1845)" - soll die aktuellen Forschungsergebnisse zur Geschichte und Bedeutung derTranquebarmission wiedergeben. Ein wichtiges Ziel des Vorhabens ist es, junge indische Forscher unterschiedlicher Disziplinen zu ermutigen, sich mit den Materialien der Mission zu befassen. Die Publikation wird durch die Vereinigte Ev.-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) gefördert..

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 1/2006

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