Endlich - die Nationalstiftung für Kultur?

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Rechtzeitig vor der parlamentarischen Sommerpause lag es auf dem Tisch, das schöne Geschenk: "Nationalstiftung der Bundesrepublik Deutschland für Kunst und Kultur", so der offizielle Name.

Gegen alle pessimistischen Erwartungen, das nötige Gründungsgeld müsse aus dem vorhandenen Kulturetat des Bundes, also zu Lasten bisheriger Empfänger von Bundesgeld, zusammengekratzt werden, stellte das Bundeskabinett für das nächste Jahr zusätzlich 25 Millionen DM bereit. Dazu die zweite gute Nachricht: Anders als sein Vorgänger, der Zentralist Michael Naumann, hat Staatsminister Julian Nida-Rümelin den Bundesländern eine Verständigung angeboten.

Die ist auch nötig. Nach der strikten Interpretation des Grundgesetzes, wie sie etwa Bayern pflegt, hat der Bund eigentlich gar keine Zuständigkeit für Kultur. Die mit einem merkwürdigen Begriff so genannte "Kulturhoheit" sei ausschließlich Ländersache. Durch die Tatsachen ist diese Position freilich längst überholt. Vertreter des Bundes und der bayerischen Staatsregierung sitzen zum Beispiel gemeinsam als mitbestimmende Finanziers in den Gremien der Bayreuther Festspiele, nicht bloß um Wolfgang Wagner endlich zu stürzen. Oder: Die Kulturstiftung der Länder, Sitz Berlin, gibt nicht nur Ländergeld aus, um national bedeutsame Kunstwerke für deutsche Sammlungen zu erwerben. Sie verwaltet auch die Bundesgelder, mit denen die Förderfonds für Literatur, Musik, darstellende und bildende Kunst sowie Soziokultur ihre Aufgaben erfüllen.

Einfach wird die Verständigung zwischen Bund und Ländern über die neue Stiftung trotzdem nicht sein. Seitdem der damalige Bundeskanzler Willy Brandt anno 1973 die Absicht verkündete, eine deutsche Nationalstiftung zu gründen, haben die Länder stets dagegen gehalten. Ob die Idee Nida-Rümelins und seiner Beamten, die Kulturstiftung der Länder in die neue Institution zu integrieren, hilfreich sein kann, muss sich in diesem Herbst zeigen, wenn über das Projekt zwischen Bund und Ländern verhandelt wird. Eine bloße Minderheitsbeteiligung wird den Ländern nicht genug sein. Dass sie etwa paritätisch oder gar durch Mehrheit mitbestimmen, dem Bund aber die Hauptlast der Finanzierung zuschieben, kann wiederum diesem nicht recht sein.

Gutes und baldiges Gelingen ist den Verhandlungen zu wünschen. Denn in den auf lange Sicht anhaltenden Zeiten knapper Kassen ist es richtig und nötig, dass Bund und Länder nicht wie bisher nebeneinander agieren, sondern miteinander. Bündelung der Kräfte und zugleich abgestimmte Arbeitsteilung sollten das Ergebnis sein. Die bisherigen, oft negativen Erfahrungen mit einer Mischfinanzierung bestimmter Aufgaben durch Bund und Länder sprechen dafür, vor allem die Arbeitsteilung klar festzulegen.

Wenn schließlich herauskommt, dass die Förderung von Kunst und Kultur in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur ein zusätzliches Instrument gewinnt, sondern ebenso zusätzliche Mittel, dann wäre das ein gutes, ein wünschenswertes Ergebnis. Käme jedoch heraus, dass die neue Stiftung allein die Zahl der fördernden Institutionen vermehrt, die verfügbaren Gelder dagegen nur unwesentlich, dann wäre nichts gewonnen. So betrachtet, ist das "Startguthaben", das der Stiftung im Bundeshaushalt 2002 zur Verfügung gestellt werden soll, mit 25 Millionen DM noch viel zu gering. Staatsminister Nida-Rümelin wollte die dreifache Summe haben - das wäre schon besser gewesen. Ob der Haushaltsausschuss des Bundestags ein Einsehen haben und kräftig aufstocken wird? Es wäre sehr zu begrüßen.

So oder so - die Kulturszene sollte ihre Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Ohnehin hat sich die Begründung für die Bundesstiftung seit Brandts Zeiten gründlich geändert. Damals ging es - Günter Grass als Urheber der Idee hat das oft und deutlich gesagt - darum, die auf unabsehbare Zeit staatlich geteilte Nation als Kulturnation zusammenzuhalten. Da machte schon die DDR nicht mit, von den Bundesländern ganz zu schweigen. Heute heißt die Aufgabe, national oder international bedeutsame Projekte kulturellen Charakters zu unterstützen - ob sie nun mehr der Vergangenheit oder der Zukunft zugewandt sind, ist dabei sekundär. Das können, schon wegen der begrenzten Mittel, zunächst nur Pilotvorhaben sein, und zwar solche, die sich vom Normalangebot der Kulturinstitute und Künstler im Lande deutlich unterscheiden.

Leitungsgremien und Geschäftsführung der Stiftung werden scharf auswählen müssen. Damit sie dies können, ist Unabhängigkeit der handelnden Personen dringendes Gebot. Da darf kein Platz für "verdiente" oder überzählige Ministerialbeamte sein. Der Staat schafft zwar die Stiftung. Aber sie sollte, einmal zu Werke gebracht, von erfahrenen und angesehenen Persönlichkeiten aus der Kulturszene selbst verwaltet werden. Nur so kann die Freiheit der Kultur gesichert werden.

Solche Unabhängigkeit wird aber auch dann auf die Dauer nur gelingen, wenn die neue Stiftung eine echte Stiftung wird, wenn sie also ihre Ausgaben ganz oder doch überwiegend aus dem Ertrag eines eigenen Kapitals finanzieren kann. Man sehe sich die Umweltstiftung des Bundes als Modell an - sie verwaltet zwei Milliarden Mark Kapital, kann mithin jährlich etwa hundert Millionen ausgeben. Leider ist die Chance verpasst worden, für die Kulturstiftung des Bundes einen angemessenen Teil der Milliarden-Erträge aus der UMTS-Versteigerung zu bestimmen. Aus dem jeweiligen Bundeshaushalt kann und darf das Stiftungskapital nicht kommen. Darum: Wenn irgendwo, dann ist hier das Feld, auf dem sich die viel diskutierte "Public-Private Partnership" in der Praxis bewähren kann. Private Zustiftungen müssen also gewonnen werden, und zwar weit jenseits der seit letztem Jahr steuerlich begünstigten Größenordnung. Mäzene an die Front! Und wenn in der nächsten Zeit wieder eine große Privatisierung von Bundesvermögen anstehen sollte: Herr Staatsminister, übernehmen Sie!

Dr. Dr.h.c. Barthold C. Witte,
Vorsitzender des AsKI

 AsKI KULTURBERICHTE 2/2001

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