EDITORIAL: Die Krise

Was sich seit dem 15. September 2008 in der Finanzwelt abgespielt und als Wirtschaftskrise ausgewirkt hat, gehört zu den Ereignissen, die von ganz wenigen, nicht von den Handelnden beachteten, Wissenschaftlern vorausgesagt worden sind und eine globale Krise ausgelöst haben.

Eine Krise, die nicht alle Nationen gleichermaßen trifft und schon jetzt auf dem G 20-Gipfel in Pittsburgh durch die abgestimmte Kooperation zwischen Ländern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika zu einer Verschiebung der Gewichte gesorgt hat. Wie tiefgreifend die dort gefassten Beschlüsse im Bankwesen wirken werden, nachdem Bad Banks mit Risikopapieren ausgesondert werden, kann nur als eine Hoffnung formuliert werden. Ein Maßstab echten Wandels zu höherem Verantwortungsbewusstsein wäre die Ergänzung des Bonus-Systems der Managerbezahlung durch ein einschneidendes Malus-System.

Der Präsident des Deutschen Bankenverbands greift in Reden zu der aktuellen Situation gerne auf Goethe-Zitate zurück: auf den zweiten Teil des „Faust“, in dem es am Kaiserhof des 1. Akts zu einer unseriös-teuflischen Geldvermehrung kommt, auf den „Zauberlehrling“, wenn sich die Lage so zuspitzt, dass der „alte Meister“ als Staat die Situation retten müsse, auf einen der Sprüche, der zur Tätigkeit auffordert, um eine Krise zu überwinden. Anscheinend besteht also doch ein Bedürfnis, auf längerfristige Werte zurückzugreifen, um eine so zentrale Alltagskategorie wie Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Dieses Beispiel aus dem inneren Zirkel der Krisenbewältiger macht Mut, um auch im Kulturbereich nicht aus dem Zweifel an der Planbarkeit von Politik, von der Goethe griffig formulierte, sie sei unser modernes Schicksal, in pessimistisches Lamentieren auszubrechen. Wie Heinrich Bölls Romantitel „Das Brot der frühen Jahre“ metaphorisch signalisiert, ist Kultur ein notwendiges Lebensmittel, nichts Überflüssiges. Dankenswerterweise hat Kulturstaatsminister Neumann in der vergangenen Legislaturperiode durchsetzen können, dass für die Kultur erheblich mehr Mittel bereitstehen, und damit ein Zeichen ihrer Bedeutung für ein demokratisches Gemeinwesen setzen können – allesamt freiwillige Leistungen, die in den kommenden Jahren verteidigt werden müssen, wenn es in den Kommunen, den Hauptträgern kultureller Aktivitäten, um eine notwendige Kürzung von Haushaltsmitteln geht und allein die Pflichtaufgaben ins Feld geführt werden. Für die Notwendigkeit von Kultur an sich, die als Staatsziel noch immer nicht in unserem Grundgesetz steht, gilt es vehement einzutreten, um zusammen mit den kreativ und kognitiv Gebildeten als wichtigsten Nutzern und Vermittlern von Kultur deren Bedeutung für eine Bevölkerung, die bunter, älter und weniger wird, hervorzuheben. Eine Abwehr in der Gegenwart, die die Zukunft nicht verbaut – für die Gebildeten und die Bildungsverlierer von heute.

Volkmar Hansen
Vorsitzender des AsKI

Titelbild KULTUR lebendig 2/09: Philippus Baldeus: Wahrhaftige Ausfuhrliche Beschreibung Der Berühmten Ost-Indischen Kusten Malabar und Coromandel, Als auch der Insel Zeylon: Samt dero angräntzenden und untergehoringen Reichen (...), Amsterdam 1672, Franckesche Stiftungen, Halle

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