Drei Begräbnisse und ein Todesfall: Beethovens Ende und die Erinnerungskultur seiner Zeit - Sonderausstellung zum 175. Todestag Beethovens

Joseph Danhauser, Beethoven auf dem Sterbebett, Lithografie nach einer eigenen Zeichnung, um 1827, Beethoven-Haus Bonn, © Foto: Beethoven-Haus, Bonn

Ludwig van Beethoven starb in Wien am späten Nachmittag des 26. März 1827 in seiner Wohnung im "Schwarzspanierhaus". Seit Dezember 1826 hatte sich sein Gesundheitszustand trotz intensiver medizinischer Betreuung dramatisch verschlechtert. Laut Obduktionsbericht seines Arztes Dr. Johann Wagner starb er an Wassersucht als Folgeerkrankung einer Leberzirrhose.

"Es ist ein sehr natuerliches Gefuehl, die Ueberreste von verdienten Personen mit einer Art von Ehrfurcht zu betrachten; und wenn es ungezweifelte Ueberreste von Heiligen gaebe, und diese Heiligen wirklich große Verdienste um die Menschheit gehabt haetten, und ihre Geschichte nicht mit Fabeln beladen waere, wuerde es wohl niemand tadeln, wenn gefuehlvolle Menschen ihre Ueberreste mit Sorgfalt aufbewahrten, - verweilt man doch so gern bey den Graebern beruehmter Maenner und wuenscht, ein Andenken von ihnen zu haben."

Johann Georg Krünitz's ökonomisch-technologische Encyklopädie1

Sogleich nach Beethovens Tod wurde von seinen Freunden eine Einladungskarte zu seinem Begräbnis gedruckt und verteilt. Etwa 20.000 Personen, also fast die Hälfte der damaligen Wiener Innenstadt, unter ihnen zahlreiche Vertreter des Adels, kamen am 29. März zu seiner letzten Wohnstätte und begleiteten seinen Sarg zur Einsegnung in die Dreifaltigkeitskirche. Die Schulen blieben geschlossen. Militär musste eingreifen, um einen geordneten Ablauf sicherzustellen. Die bedeutendsten Musiker und Künstler Wiens trugen den Sarg, bzw. begleiteten ihn als Fackelträger, unter ihnen auch Franz Schubert. Nach der Einsegnung wurde der Leichnam auf dem mehrere Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen Währinger Ortsfriedhof beigesetzt. Normalerweise geschah die Beisetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit - wie etwa bei Mozart. Ganz anders bei Beethoven: Der Dichter Franz Grillparzer hatte eine bewegende Grabrede verfasst, die der Schauspieler Heinrich Anschütz am Eingang des Friedhofs vor zahlreichen Trauergästen vortrug.

Franz Stöber, Beethovens Leichenbegängnis, aquarellierte Federzeichnung, 1827, Beethoven-Haus Bonn, © Foto: Beethoven-Haus, Bonn

Aus Anlass des 175. Todestages Ludwig van Beethovens (26. März 2002) zeigen das Beethoven-Haus und das Museum für Sepulkralkultur, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute (AsKI), eine Sonderausstellung. Anhand authentischer Dokumente werden die letzten Lebenstage des großen Komponisten veranschaulicht, sein Sterben, sein Begräbnis und der sich anschließende Verehrungskult, der Beethoven letztendlich unsterblich machte. Das erhaltene Material spiegelt nicht nur das äußere Umfeld, im dem sich das Dahinsiechen Beethovens vollzog, sondern es gewährt auch Einblicke in die innere Verfassung des Kranken und seiner unmittelbaren Umgebung.

Das Beethoven-Haus verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten unterschiedlichster Art zu diesem Thema. Darunter befinden sich Krankenberichte, Briefe vom und über den schwerkranken Komponisten, bildliche Darstellungen Beethovens auf dem Krankenlager bzw. Totenbett, Ansichten von seinem Sterbezimmer sowie Wand- und Fußbodenfragmente aus seiner Wohnung. Des Weiteren sind das Protokoll der Obduktion und der Nachlassauktion Beethovens erhalten sowie umfangreiches Material zu seinem Begräbnis, wie die gedruckte Einladung zum Leichenbegängnis, eine großformatige aquarellierte Federzeichnung von Franz Stöber, die den Leichenzug zeigt, oder Gedichte, die beim Begräbnis verteilt wurden, sowie die bereits erwähnte Grabrede Franz Grillparzers.

Carl Hering, Autographenalbum, Haarlocke von Beethoven, Dauerleihgabe Julius-Wegelersche-Familienstiftung, © Foto: Beethoven-Haus, BonnBereits zu Lebzeiten hatte sich an der Person Beethovens ein ausgeprägter Devotionalienkult entwickelt, der sich nach seinem Tode zu einem wahren Reliquienkult ausweitete. So ließ z. B. die berühmte Sopranistin Wilhelmine Schröder-Devrient eine Stirnlocke Beethovens wie eine sakrale Reliquie in eine goldene Kapsel fassen und bewahrte sie als "wahres und wirkliches Heiligtum"2, mit dem sie laut testamentarischer Verfügung auch bestattet wurde. Als Beispiel für diese "Heiligenverehrung" sind in der Ausstellung Haarlocken zu sehen, die Beethoven auf dem Totenbett abgeschnitten wurden, und als Kuriosität eine ganze Landschaft, gestaltet aus seinen Haaren. Die vom Maler Joseph Danhauser angefertigte Totenmaske erreichte jedoch nicht den Bekanntheitsgrad der Lebendmaske von 1812, die als "die berühmteste und am weitesten verbreitete Musikermaske überhaupt" gilt.3

Das Nachleben Beethovens und der Kult um ihn geben beispielhaft einen Eindruck von der Art und Weise, wie das 19. Jahrhundert mit dem Tod, den Hinterlassenschaften und sterblichen Überresten bedeutender Persönlichkeiten umging.

Das pompöse Begräbnis Beethovens - es kostete über 350 Gulden, u. a. für den Gala-Trauerwagen - stand jenen von Staatsmännern kaum nach: Es setzte Maßstäbe, wie an den Begräbnissen und Grabmalen von Franz Grillparzer, Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Maria von Weber, Franz Liszt und Richard Wagner deutlich wird. Für die bereits zitierte Sängerin Schröder-Devrient war Beethovens Grab "der einzige Altar, an dem ich mit Inbrunst beten kann. Dorthin muss man pilgern, dort ist das Heiligtum, der Tempel ...!"4

Beethovens Begräbnis wird in der Ausstellung nicht isoliert veranschaulicht, sondern in den entsprechenden zeitgeschichtlichen Kontext eingeordnet und an der Sepulkralkultur des frühen 19. Jahrhunderts gespiegelt. Auch die Exhumierungen (1863/1888) und die feierliche Wiederbestattung der Gebeine Beethovens - ebenso Schuberts und anderer berühmter Künstler - in einem Ehrengrab auf dem neu angelegten Wiener Zentralfriedhof zeugen vom unverminderten Interesse an den sterblichen Überresten. Aus wissenschaftlichen Gründen wurde sein Schädel genauestens vermessen, fotografiert und ein Gipsabguss angefertigt, wie in der Ausstellung dokumentiert ist: Man glaubte, die Genialität eines Menschen an der Schädelform erkennen zu können.

Eine Kooperation zwischen dem Bonner Beethoven-Haus und dem Kasseler Museum für Sepulkralkultur schien für diese Sonderausstellung nicht nur deshalb sinnvoll zu sein, weil beide Institutionen dem AsKI angehören, dem an dieser Stelle für die finanzielle Unterstützung des Projektes gedankt sei. Das Thema selbst bot sich vielmehr ideal für eine Zusammenarbeit an. Die Sammlungen des Kasseler Museums stellen eine reiche Fundgrube dar und ergänzen die in Bonn vorhandenen Bestände in hervorragender Weise. Um Beethovens Tod und Begräbnis im Kontext der Sepulkralkultur jener Zeit umfassend zu veranschaulichen, wurden trotz der Fülle der in Bonn und Kassel vorhandenen Materialien ausgewählte Leihgaben aus anderen Sammlungen, insbesondere in London und Wien, mit einbezogen.

1 Johann Georg Krünitz's ökonomisch-technologische Encyklopädie, T. 122, Berlin 1813, S. 547

2 Zitiert nach: Berndt W. Wessling, Beethoven, Das entfesselte Genie, München 1982, S. 20

3 Michael Davidis (Hrsg.), "Archiv der Gesichter - Toten- und Lebendmasken aus dem Schiller-Nationalmuseum", Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Marbach a. N., 1999, S. 45

4 Zitiert nach Wessling (s. Anm. 2), S. 22f.


Ausstellung:
Beethoven-Haus Bonn und Museum für Sepulkralkultur, Kassel, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute
Ausstellungsstationen: Beethoven-Haus, Bonn (bis 9.9. 2002) Museum für Sepulkralkultur, Kassel (18.10.2002 bis 28.2.2003)

 

AsKI KULTURBERICHTE 2/2002

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