Deutsches Literaturarchiv Marbach: Rilke und Russland. Marbach – Bern, Zürich – Moskau / Trinationales Forschungs- und Ausstellungsprojekt

  Leonid Pasternak,  Skizze für Ölgemälde Rainer Maria Rilkes  (aus dem Besitz der Familie Rilke-Beyer), © Familie Rilke-Beyer

"Daß Russland meine Heimat ist, gehört zu den jenen großen und geheimnisvollen Sicherheiten, aus denen ich lebe."
Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke (1875-1926) ist einer der bedeutendsten Vertreter der literarischen Moderne, und seine beiden Reisen nach Russland und in die heutige Ukraine waren eine der wirkmächtigsten Auslandserfahrungen der deutschen Kulturgeschichte.   Lou Andreas-Salomé und Rainer Maria Rilke  zu Besuch bei Spiridon Droschin, 1900, DLA MarbachDer Kontakt mit Russland wurde für den 25-Jährigen, der noch nach seiner künstlerischen Bestimmung suchte, zu einem Erweckungserlebnis. Er lernte die russische Sprache, las russische Dichter im Original, übersetzte sie und schrieb selbst einige Gedichte auf Russisch. Kurzzeitig plante er sogar die Übersiedlung in jenes Land, das er 1899/1900 an der Seite der geliebten Lou Andreas-Salomé so intensiv erlebte. Der Kontakt mit vielen russischen Literaten, Künstlern und Journalisten, die Beschäftigung mit den „russischen Dingen" überhaupt, hat eine Vielzahl von Spuren in seinem Werk hinterlassen. Und noch 1924 nannte Rilke, der in seinem Leben an unzähligen Orten gelebt hatte, Italien, Spanien und Ägypten gesehen und in den Großstädten Prag, München und vor allem Paris wichtige Erfahrungen gesammelt hatte, die beiden frühen Russland-Reisen seine „Wendung ins eigentlich Eigene".

Maßgeblich gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, das Auswärtige Amt, die Wüstenrot Stiftung, die Baden-Württemberg Stiftung und Mangold Consulting führt die Ausstellung „Rilke und Russland" – eine Kooperation des Deutschen Literaturarchivs Marbach mit dem Schweizerischen Literaturarchiv Bern, dem Strauhof in Zürich und dem Staatlichen Literaturmuseum in Moskau – Zeugnisse dieser legendären Faszination zusammen: Exponate aus drei Ländern und etwa 20 staatlichen sowie privaten Archiven und Sammlungen. Gezeigt werden rund 280 Objekte, darunter Ikonen aus Rilkes eigenem Besitz, ein Porträt des Dichters von dem russischen Maler Leonid Pasternak, Rilkes Übersetzung des „Igorlieds" und seine russischen Bücher sowie der in der Geschichte der Weltliteratur einzigartige Briefwechsel zwischen Rilke und der russischen Dichterin Marina Zwetajewa, außerdem russophile – und zum Teil bislang unbekannte – Korrespondenzen u.a. mit Lew Tolstoi, Sophie Liebknecht, Spiridon Droschin, Katharina Kippenberg, Anton Tschechow und von Boris Pasternak, der von sich behauptete, zeitlebens eigentlich nur Rilke übersetzt zu haben. Außerdem findet Rilkes Verhältnis zur Oktoberrevolution, auch wegen des 100. Jahrestages dieses epochalen Ereignisses 2017, besondere Beachtung.

  Klappaltar, Reisesouvenir aus Rilkes Besitz,  später Geschenk an Claire Goll, DLA Marbach

Zugleich eröffnen drei zeitgenössische Künstler aus den drei beteiligten Staaten in Foto, Film und Essay gegenwärtige Perspektiven auf Rilkes „geheimnisvolle Heimat". Rund 100 Fotografien von Barbara Klemm und Mirko Krizanovic sowie ein Film von Anastasia Alexandrowa, eigens für die Ausstellung produziert, werden gezeigt. Und mit dem Stift in der Hand hat sich Ilma Rakusa auf Rilkes Spuren begeben und einen Essay für den Katalog verfasst.

Die Ausstellung „Rilke und Russland" wird am 3. Mai 2017 im Literaturmuseum der Moderne in Marbach eröffnet, ist danach teils in der Nationalbibliothek in Bern (Eröffnung: 14. September 2017), teils im Strauhof in Zürich (Eröffnung: 15. September 2017) zu sehen und wandert anschließend nach Moskau (Eröffnung: Januar 2018). Die Gestaltung der Ausstellung hat das renommierte Büro des Architekten HG Merz übernommen.

Dr. Thomas Schmidt
Künstlerische Leitung „Rilke und Russland"

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2017

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