Deutsches Hygiene-Museum, Dresden: Auf die Plätze!

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Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Foto: Oliver Killig

Die Olympischen Spiele locken Millionen vor die Flachbildschirme, die Fußball-Weltmeisterschaft Millionen in die Fanmeilen und der Wunsch nach dem perfekten Aussehen Millionen in die Fitnesstudios. Was macht Sport mit unserer Gesellschaft? Oder anders gefragt: Was macht der Mensch aus seinem natürlichen Bedürfnis nach Bewegung?

Die Sonderausstellung „Auf die Plätze. Sport und Gesellschaft" im Deutschen Hygiene-Museum Dresden geht vom 16. April 2010 bis zum 26. Februar 2012 diesen Fragestellungen nach.

In drei Themenräumen kann sich der Besucher mit den unterschiedlichen Aspekten der Körperkultur auseinandersetzen. Dabei steht die Formung des Körpers nicht nur in der Ausstellung an erster Stelle. Auch im täglichen Leben wird vielen Menschen ihr Aussehen immer wichtiger. Die ideale Körperform und die Art und Weise, wie diese herzustellen ist, bestimmen zunehmend das Denken und Handeln. Fitnessbewegung, Bodybuilding bzw. -shaping und der aktuelle Wellnesstrend machen sich diese Wertschätzung zunutze.

Wer nun aber angesichts dieser Tatsachen ein schlechtes Gewissen bekommen sollte, weil er seinen Frühsport zugunsten des Museumsbesuchs ausfallen lassen muss, der kann beruhigt sein. Denn die außergewöhnliche Ausstellungsgestaltung des Bühnenbildners Jan Pappelbaum lädt den Besucher dazu ein, sich aktiv zu bewegen. Über Sprossenwände kann man recht sportlich auf eine zweite Ebene im Raum gelangen und ist dabei mit seinen Kletterkünsten für einen kurzen Moment selbst ein Exponat der Ausstellung.

Auf der oberen Ebene steht die Frage nach den natürlichen Grenzen des Körpers und deren Überschreitung im Vordergrund. Spezielle Sportgeräte, Dopingmethoden, Prothetisierungen oder High-Tech-Kleidung helfen inzwischen nicht nur Profisportlern, die scheinbaren Mängel ihres Körpers zu kompensieren. Der in der Ausstellung gezeigte Schwimmanzug „Speedo LZR Racer" führte zu einem Verbot von High-Tech-Anzügen durch den Schwimmweltverband FINA im Jahr 2010. Dank seines optimalen Strömungsverhaltens, das durch bionische Oberflächennachbildung von Haifischhaut in Kombination mit einem leistungssteigernden Kompressionseffekt erzielt wurde, konnten Schwimmer in diesem Anzug sämtliche Rekorde brechen.

Konkurrenz, Kooperation und ihre mediale Inszenierung - der sportliche Wettkampf in all seinen Facetten steht im Mittelpunkt des zweiten Raumes. Der Sport präsentiert sich als Schauplatz symbolischer und körperlicher Auseinandersetzung, in denen Aggression und Gewalt einerseits kanalisiert, andererseits aber auch hervorgerufen werden. Wer möchte, darf hier zu den Boxhandschuhen greifen und sich die triumphale Melodie von „Eye of the Tiger" - dem Titelsong von „Rocky IV" - erkämpfen. Dass dies nur im Team gelingt, merkt er hoffentlich vor dem Knockout. Mit einem geschärften Blick für die politischen Funktionen des Sports und für sein identitätsstiftendes Potenzial begibt sich der Besucher in den letzten Raum.

Hier weicht der sportliche Wettkampf zunehmend spielerischen Elementen. Die Ausstellung verdeutlicht in dieser Abteilung, wie sich der Sport langsam, aber sicher, in unseren Alltag geschlichen und dabei ganz neue Bewegungskulturen geformt hat. Längst hat er sich aber auch von einer zweckfreien Freizeitbeschäftigung zu einem umsatzstarken Wirtschaftszweig mit festen Berufsbildern entwickelt. Ob Mode, Musik oder Ernährung - Sport ist in allen Lebensbereichen angekommen und zu einer Art Lifestyle geworden.

Doch was ist es eigentlich, das den Sport so erfolgreich macht? Eine Antwort auf diese Frage muss jeder Besucher selbst finden in dieser Ausstellung, in der ihn mit 965 ausgestellten Exponaten, rund 100 Filmausschnitten, 6 Audiostationen sowie 12 interaktiven Installationen ein wahrer Rezeptionsmarathon erwartet. Dieser abwechslungsreiche Parcours bietet die vielfältigsten Möglichkeiten, sich kritisch mit den Beziehungen zwischen Sport und Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Katharina Vogel


Weiterlesen:

Der Katalog zur Sonderausstellung „Auf die Plätze! Sport und Gesellschaft" ist für das Deutsche Hygiene- Museum erschienen.
208 Seiten mit ca. 100 farbigen Abbildungen
ISBN: 978-3-8353-0905-0, ca. € 24,90 (D)

AsKI KULTUR lebendig 2/2011

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