Das neue Richard Wagner Museum - 1. Teil

 Haus Wahnfried, Vorplatz: Eröffnungsfeier des neugestalteten Richard Wagner Museums am 26.7.2015 - Foto: Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth

Fünf Jahre lang war das Bayreuther Richard Wagner Museum geschlossen, wurden das Haus Wahnfried und seine Nebengebäude baulich und technisch saniert, durch einen Museumsneubau beträchtlich erweitert und die Dauerausstellung vollständig neu konzipiert und gestaltet.

Nicht nur die konservatorisch, inhaltlich und didaktisch seit der Museumseröffnung 1976 in die Jahre gekommene Dauerausstellung gab den Ausschlag für die grundlegende Erneuerung, sondern auch der Wunsch, durch die Verbesserung der Aufenthalts- und Servicequalität eine ihrem Gegenstand angemessene, attraktive, informative und nachhaltig zukunftsträchtige Musikergedenkstätte von europäischem Rang zu schaffen.

Von der früheren hebrariumartigen Präsentation historischer Objekte und Artefakte in Schauvitrinen mit handgemachten Objektbeschriftungen ist die Ausstellungs- zur Raumgestaltung geworden, bei der Präsentationsmobiliar und Exponate eine ansprechende Einheit bilden und mittels mehrstufiger Ausstellungstexte sowie einem mehrsprachigen Mediaguide didaktisch zeitgemäß erschlossen werden. Und selbstverständlich bieten die technischen Möglichkeiten der modernen Mediengestaltung Erlebnisdimensionen, die man so eben nur im Museum bekommt, ohne sich jedoch in virtueller Selbstbezogenheit zu verlieren. All dies steht im Dienst der Aufgabe, das Verständnis für Richard Wagner, seine Werke und Wirkungen zu fördern, und dies auf den verschiedensten Ebenen für ein sehr breit gefächertes Publikum, das vom interessierten touristischen Besucher über den Festspielgast bis hin zum wissenschaftlichen Kenner und zum eingefleischten Wagnerianer reicht. Jedem Besucher sollen Möglichkeiten für horizonterweiternde „Aha"-Effekte geboten werden, ob nun in der Entdeckung des historischen Exponats, der Auseinandersetzung mit der prekären Ideologiegeschichte Wagners – oder vielleicht auch „nur" im Erleben der besonderen Aura des historisch authentischen Orts.

Richard Wagner und sein Werk sind – unabhängig davon, wie man zu ihm stehen mag – eines der bedeutendsten Kulturphänomene der europäischen Neuzeit mit internationaler Ausstrahlung. Wagner polarisierte das Publikum schon zu Lebzeiten und bis heute. Vor allem seine in weiten Teilen prekäre Ideologiegeschichte macht Wagner und sein Schaffen weit über das 19. Jahrhundert hinaus zu einem überzeitlichen Gesamtkulturphänomen, in dem sich die deutsche Geistesgeschichte der letzten 200 Jahre wie in einem Brennglas zu bündeln scheint.

Wo also, wenn nicht in Bayreuth, könnte und sollte sich das weltweite Wagner-Zentrum befinden? An dem Ort, wo mit der Vollendung von Wagners gigantischem musikdramatischen Schaffen und der Begründung der Festspiele in dem eigens und exklusiv dafür errichteten Theater nicht nur sein „Wähnen Frieden fand", sondern der eben dadurch auch das Mekka der „Wagnerianer" wurde und so eine Tradition begründete, die ihresgleichen anderswo kaum haben dürfte, sowohl ihrem überragenden ästhetischen Wert nach als auch – stets damit verbunden – mit ihrer hoch problematischen ideologischen Schlagseite.

Erstmals wird daher die Ideologiegeschichte Wagners dauerhafter Bestandteil des Richard Wagner Museums. Im historischen Erdgeschoss des Siegfried-Wagner-Hauses begegnet der Besucher künftig dem Nachleben und den Nachfahren Wagners, seinem geistigen Erbe und dessen Vertretern sowie maßgeblich seinen Bewohnern Winifred Wagner und Adolf Hitler. Es geht dabei nicht um ein wohlfeiles Bekenntnis zu jenem schwierigen und belasteten Kapitel deutscher und Bayreuther Geschichte, sondern es geht um die Zusammenhänge zwischen ästhetischer und politischer Ideologie, um Bayreuth und das Dritte Reich, um die Familie Wagner und Adolf Hitler – aber es geht auch um die Wagner-Kritik, die Opposition und die Reflexion dieser Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg.Restaurierte Galerie mit Blick in die Halle von Haus Wahnfried - Foto: Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth

Gestalterisch haben wir uns dazu entschieden, die einzigen noch historisch erhaltenen und unter Denkmalschutz stehenden Räume und deren Gestaltung nicht durch museale Präsentationsarchitektur, durch Vitrinen und darin ausgestellte Objekte zu überformen, sondern sie in ihrer zeitgeistigen Erscheinung und atmosphärischen Wirkung ganz unmittelbar als museales Objekt zu präsentieren. Erstmals sind dabei jetzt auch die ursprünglichen Erdgeschoss-Räume aus der Zeit vor der baulichen Erweiterung des Hauses nach Siegfried Wagners Tod 1930 sowie das vollständig erhaltene Speisezimmer Winifred Wagners öffentlich zugänglich.

Zum Zweck der inhaltlichen Dokumentation und Vermittlung der Ideologiegeschichte Wagners, welche mit dem Siegfried-Wagner-Haus ihren auch historisch prädestinierten Ort besitzt, deren Substanz sich dagegen jedoch weniger im konkreten historischen Objekt, denn im historischen Narrativ erweist, bedienen wir uns in den einzelnen Räumen wie Stolpersteine auf die Böden monierter breitformatiger Monitore, auf denen Dokumente, Bilder und Filme gezeigt werden, während der erläuternde Kommentar als Stimme im Raum erklingt – so als spräche der Raum selbst und erzähle seine Geschichte und deren Hintergründe.

Aufgrund dieser ausführlichen Dokumentation der Ideologiegeschichte Wagners und der Bayreuther Festspiele ist es gestattet, Wahnfried künftig vollständig dem Leben und Schaffen des Hausherrn vorzubehalten. Richard Wagner und sein erstes eigenes Wohnhaus, ermöglicht durch den königlichen Gönner Ludwig II. von Bayern, stehen damit naturgemäß nach wie vor im Mittelpunkt auch des neuen Richard Wagner Museums. In den nach historischen Quellen erstmals vollständig rekonstruierten Räumen des Erdgeschosses soll die Lebens- und Schaffenswelt Wagners spürbar werden, die Wohnatmosphäre und die besondere Aura dieses sagenumwobenen Künstlerhauses.

Dabei soll die Rekonstruktion als solche stets bewusst bleiben und nicht als Imitation unabweisbar vergangener historischer Authentizität erscheinen. Denn das Wahnfried Wagners wurde durch einen Bombentreffer 1945 fast vollständig zerstört und mit ihm ein großer Teil der originalen Einrichtung. Erst von 1974 bis 1976 wurde das Haus in seinem „originalgetreuen" Zustand wieder aufgebaut, wodurch zumindest die äußere Erscheinung beinahe verschleierte, dass mit der Brandbombe vom 5. April 1945 jener geistige Sprengstoff, der unter anderem auch von hier seinen Ausgang genommen hatte, auf höchst symbolträchtige Weise auf einen seiner Ursprungs- und vornehmsten Vermittlungsorte zurückgefallen war. Dies brachte schon Wolfgang Wagner in seiner Rede zur Eröffnung des Museums 1976 zum Ausdruck, als er sagte: „Wahrscheinlich musste die Bombe auf Wahnfried fallen...". Der Wiederaufbau Wahnfrieds in seiner ursprünglichen Erscheinung, die zuletzt auch zur Ikone der Freundschaft zwischen Adolf Hitler und Winifred Wagner und damit zum Ausdruck der ideologischen Diskreditierung Wagners, der Familie und der Festspiele insgesamt geworden war, kam unmittelbar nach dem Krieg daher nicht in Betracht, zumal man in der insgesamt schwer zerstörten Stadt Bayreuth während der Nachkriegszeit andere Sorgen und Nöte hatte.

Daher standen wir bei der musealen Konzeption vor der Herausforderung, den Wunsch nach einer anschaulichen und atmosphärisch glaubwürdigen Vermittlung der Aura der Lebenswelt Wagners am historisch authentischen Ort mit dessen unwiederbringlich verlorener Vergangenheit zu verbinden, dem Umstand seiner Geschichtlichkeit, die sich hier in der dramatischen Zerstörung und dem Verlust authentischer historischer Substanz des Gebäudes selbst wie auch seiner Inneneinrichtung offenbarte.

Hinzu kamen die Umbauten nach dem Krieg, mit denen Wieland Wagner das Haus für sich und seine Familie bis zu seinem Tod wieder bewohn- und nutzbar gemacht hatte. „Man kann nicht in einem Museum leben, auch wenn es das des eigenen Großvaters ist", hatte Wieland Wagner einmal gesagt, und so verwandelte er die Ruine in ein zeitgemäßes Wohnhaus im Stil der 1950er Jahre. Nur die Vorderseite und der Westflügel waren erhalten geblieben, während die Gartenseite ohne den zerstörten Saal mit der prominenten Rotunde, dafür ausgestattet mit großen Panoramafenstern in nichts mehr an die historische Anmutung erinnerte.

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AsKI KULTUR lebendig 2/2015

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