Dankworte von Anne-Sophie Mutter

Sehr geehrter Herr Kulturstaatsminister Neumann,
sehr geehrter Herr Dr. Adlung,
lieber Daniel,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

ich freue mich sehr, dass Sie mir heute die Maecenas-Ehrung verleihen. Umso stärker empfinde ich diese Auszeichnung als eine große Ehre, als Sie mich damit in eine Reihe mit Maecenas stellen, dem Urförderer der Kultur.

 

Wie dringend notwendig Nachwuchsförderung ist, habe ich in meiner Kindheit selbst erfahren. Und auch wie schwierig, diese in den entscheidenden Anfangsjahren benötigte Unterstützung zu bekommen. Dass ich überhaupt in die Lage versetzt wurde, hoch begabten Musikern auf Ihrem schwierigen Lebensweg zur Seite zu stehen, habe ich meinen großen Vorbildern, meinen Förderern und Mäzenen zu verdanken. Ich möchte an dieser Stelle nur drei - stellvertretend für die vielen anderen - nennen: Da ist zum einen meine Lehrerin Aida Stucki. Sie ist noch heute ein Fixstern für mich und wir sind uns in tiefer Freundschaft verbunden. Oder Paul Sacher, mein großer Förderer und Mäzen, der meine Leidenschaft für die Moderen entfachte. Und ich hatte das große Glück, Herbert von Karajan vorspielen zu dürfen.


Doch um überhaupt erst bis zu einem solchen Vorspiel-Termin vorzudringen, benötigt ein junger Musiker jahrelange Unterstützung. Neben den erheblichen finanziellen Aufwendungen für Unterricht und Instrumente braucht es auch die richtige intellektuelle Führung, damit sich ein Talent zu einer Musikerpersönlichkeit entwickeln kann.

Und das ist es, wofür meine Stiftung arbeitet: Hochbegabten Streichern die Möglichkeiten zu bieten, sich optimal zu entwickeln. Dazu gehören finanzielle Leistungen wie beispielsweise die Bereitstellung von Instrumenten oder die Vergabe von Stipendien genauso wie die Vermittlung von Unterricht bei großartigen Musikern.


Dabei gehen wir auch einen ganz neuen, und soweit ich weiß, bislang einzigartigen Weg: Indem wir nämlich Komponisten beauftragen, für uns Werke zu schreiben. Damit erweitern wir nicht nur das Repertoire für unsere Stipendiaten, sondern fördern zudem ihr Interpretationsverständnis.

Unser allererster Stipendiat war Daniel Müller-Schott. Er zählt heute weltweit zur Crème de la Crème auf seinem Instrument. Lieber Daniel, ich danke Dir von ganzem Herzen für Deine überschwängliche Laudatio, die mich sehr berührt hat. Daniel beispielsweise haben wir für mehrere Jahre ein Cello zur Verfügung gestellt, das der herausragende Instrumentenbauer Etienne Vatelot für ihn gebaut hatte. Durch die Förderarbeit, die weit über das Materielle hinausgeht, kam Daniel beispielsweise auch in Kontakt mit zeitgenössischen Komponisten, wie beispielsweise Sebastian Currier oder Sir André Previn, die dann auch für ihn Werke geschrieben haben.

 

Das Instrumentarium unserer Förderarbeit klingt sehr leistungsorientiert. Jetzt, da Sie mich bereits mit der Maecenas-Ehrung bedacht haben, kann ich es ja gestehen: Wir haben eine Menge Spaß miteinander. Denn wir genießen es, gemeinsam zu musizieren. Im kommenden Frühjahr gehen wir beispielsweise gemeinsam auf Konzerttournee. „Mutter‘s Virtuosi" heißt das Ensemble aus aktuellen und ehemaligen Stipendiaten. Dabei spielen wir für unser Publikum auch ein neues Werk, das wir in Auftrag gegeben haben: Das Duo Concertante für Violine und Kontrabass, das Kristof Penderetzki für uns geschrieben hat.

 

Ich verstehe Musik als ein Gottesgeschenk, das Komponisten und Interpreten an ihre Zuhörer weiterreichen. Ein Geschenk, dessen unvergänglicher Wert in einer materiell fokussierten Werteordnung allerdings nicht immer erkannt wird.

Musik ist immateriell, sie ist nicht etwas, was man in die Hand nehmen, ins Regal stellen oder an die Wand hängen kann. Immer dann, wenn sie gerade erklingt, ist sie schon am Verklingen. Da gibt es nichts zu besitzen. Umso unvergänglicher prägt sie sich aber in unsere Seelen, in unsere Herzen ein.

 

Sehr wohl können wir alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Musik anregen und sie ermöglichen. Und über diesen Weg können wir hören und fühlen, wie der eigene Impuls verbunden ist mit dem Entstehenden. Mit einem Werk beispielsweise. Oder mit der Interpretationskunst eines jungen Musikers.

 

Kann man etwas Schöneres erreichen in seinem Leben? Ich habe in den vergangenen Jahren versucht, wenigstens etwas von diesem Glück, das mir schon sehr früh geschenkt wurde, an die nächste Generation weiterzugeben. Gelingen kann dies aber nur mit vereinten Kräften - insbesondere wegen der finanziellen Dimensionen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, lade ich Sie herzlich zu Ihrer Unterstützung ein. Die Förderung der nachwachsenden Talente gelingt nur, wenn wir sie selbst unternehmen. Das ist eine riesige Herausforderung für alle, denen die Zukunft des Musiklebens so am Herzen liegt wie mir. Doch um helfen zu können, brauche ich auch Ihre Hilfe: Bitte tragen auch Sie mit dazu bei, damit jeder außerordentlich begabte Musiker die Chance erhält, für uns alle das Fenster zu einer höheren Dimension zu öffnen. Gerne nehme ich im Anschluss ihre Spenden oder Anmeldungen zur Mitgliedschaft in unserem Freundeskreis entgegen.

 

Weil Musik viel mehr vermag als tausend Worte, wird es jetzt allerhöchste Zeit, dass wir uns dem widmen, worum es hier eigentlich geht. Der Musik nämlich, mit der ich mich bei Ihnen von ganzem Herzen bedanken möchte.

Und deshalb hören wir jetzt die Sätze zwei bis vier aus der Violinsonate Nr. 5 von Ludwig van Beethoven, wiederum gespielt von Ye-Eun Choi und Milana Chernyavska.

 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Anne-Sophie Mutter

 

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