Casa di Goethe, Rom: Sammeln und Zeichnen. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff in Rom

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Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Blick zum Kolosseum und zum Kontantinsbogen von Süden, nach 1766 (?), Schwarze Kreide, grau laviert © Foto: Anhaltinische Gemäldegalerie Dessau

Eine vielbeachtete Ausstellung in der Casa di Goethe ist dem Architekten, Sammler und Kunstpädagogen Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736 – 1800) gewidmet.

Erdmannsdorff stand Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt Dessau (1740 – 1817) als Berater und Freund zur Seite und schuf mit den Schlössern und Parkbauten in Dessau, Wörlitz die Gründungsmonumente einer klassizistischen Architekturauffassung in Deutschland. Die Bauten und Parkanlagen im Gartenreich Dessau-Wörlitz gehören seit dem Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe.Neben seinem richtungsweisenden architektonischen Werk hinterließ Erdmannsdorff der Nachwelt eine Handzeichnungssammlung, die in der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau aufbewahrt wird. Die ursprünglich knapp 600 Werke zählende Sammlung umfasst neben Erdmannsdorffs eigenhändigen Entwürfen auch Zeichnungen italienischer, französischer und deutscher Künstler des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die von Erdmannsdorff systematisch angelegte Handzeichnungssammlung war die Basis für die Schulung im antiken Geschmack sowie für die Aneignung und pädagogische Vermittlung eines neoklassizistischen Stilideals.Johann Friedrich August Tischbein, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, 1796, Öl auf Leinwand, © Foto: Gleimhaus Halberstadt

Nach knapp 250 Jahren wird eine Auswahl von 60 Veduten, Zeichnungen von Architektur, Dekor und der menschlichen Figur erstmals in Rom gezeigt, wo sie Erdmannsdorff während seiner drei Aufenthalte zwischen 1765 und 1790 angefertigt oder gesammelt hat. Ergänzt werden die Werke aus Erdmannsdorffs Lehr- und Studiensammlung um druckgraphische Erzeugnisse der Chalcographischen Gesellschaft zu Dessau und um Leihgaben aus dem Gleimhaus in Halberstadt und der Wissenschaftlichen Bibliothek der Landesbücherei Dessau.

 

Die Grand Tour von Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau führte Erdmannsdorff in den Jahren 1765/1766 erstmals für mehrere Monate nach Rom. In der Gesellschaft des Antiquars und Gelehrten Johann Joachim Winckelmann (1717 – 1768) und des Hofrats und Kunstagenten Johann Friedrich Reiffenstein (1719 – 1793) erkundete die Reisegruppe die römischen Altertümer, aber auch die Bau- und Bildwerke der Renaissance. In Rom erhielt Erdmannsdorff von Charles-Louis Clérisseau (1721 – 1820), einem französischen Architekten und Vedutenmaler, Unterricht im architektonischen Zeichnen. Maßgeblich von Winckelmann und Clérisseau beeinflusst, fand der adlige Autodidakt in Rom zu seiner Berufung: der Architektur. Auch während der folgenden Aufenthalte in den Jahren 1770/1771 und 1789/1790 bildete sich Erdmannsdorff durch Unterricht bei Architekten, Bildhauern und Malern weiter. Für seine Verdienste ernannte ihn die römische Accademia di San Luca 1790 zu ihrem Ehrenmitglied.

Die in der ersten Sektion präsentierten Veduten und Architekturzeichnungen stammen aus dem sogenannten „Römischen Skizzenbuch". Tatsächlich handelt es sich um ein Album, in das die Werke nach der im 18. Jahrhundert bevorzugten Präsentation von Graphik eingeklebt waren. Zu den herausragenden Werken des vor 1900 aufgelösten Albums gehört eine nuancierte Schwarzkreidezeichnung, in welcher Erdmannsdorff den Blick des Betrachters zum Kolosseum und zum Konstantinsbogen schweifen lässt. Einzelne in der Schau präsentierte Zeichnungen lassen sich aufgrund des übereinstimmenden Blattformats und der Spuren einer Fadenheftung einem Skizzenbuch zuordnen, das Erdmannsdorff im Jahr 1766 während des Zeichenunterrichts bei Clérisseau verwendet hat. Bemerkenswert ist, dass die erhaltenen Seiten dieses Skizzenbuches sowohl von Erdmannsdorff als auch von Clérisseau bezeichnet wurden. Die beinahe ausschließlich im Freien angefertigten Skizzen dokumentieren Erdmannsdorffs künstlerische Aneignung der römischen Altertümer wie auch der Architektur der Renaissance.

Die zweite und dritte Sektion stellen Erdmannsdorff als Sammler vor. Laut dem im Frühjahr 1800 aufgesetzten Nachlassinventar besaß Erdmannsdorff eine umfangreiche Lehr- und Studiensammlung. Sie umfasste antike Fragmente, Gipsabgüsse von Skulptur und Bauornamentik, Gemmenabdrücke, Gemälde und Kupferstiche sowie eine „sehr ansehnliche Sammlung der vorzüglichsten architectonischen und andern Zeichnungen", wie es im Nachlassinventar heißt. Diese Zeichnungen hat Erdmannsdorff in Rom von ansässigen Künstlern erworben. Zu diesen Künstlern zählen der Ornamentzeichner und Bildhauer Nicolas-François-Daniel Lhuillier (um 1736 – 1793), der Architekt Vincenzo Brenna (1741 – nach 1806) und der ebenfalls aus Rom gebürtige Architekturzeichner Giuseppe Manocchi (um 1731 – 1782). Die Zeichnungen zeigen Details von Architektur, Bauschmuck und Dekorationssystemen der Antike und Renaissance, aber auch Gemmen und Dekor. Zu letzteren gehören beispielsweise Entwürfe für das Borghese-Service aus der Werkstatt des römischen Goldschmieds Luigi Valadier (1726–1785).Federico Barocci, Verschiedene Figuren-, Arm-, Bein- und Gewandstudien für den Heiligen des ‘Martyrium des heiligen Vitalis‘, 1580/1583, Kohle, schwarze Kreide, Rötel, © Foto: Anhaltinische Gemäldegalerie DessauNeben den Zeichnungen von Architektur und Dekor besaß Erdmannsdorff eine Sammlung von Figurenzeichnungen italienischer Meister des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Zeichnungen hat Erdmannsdorff im Jahr 1771 in Rom von Bartolomeo Cavaceppi (1717 – 1799) erworben. Der römische Antikenrestaurator und Bildhauer war ein passionierter Sammler und besaß eine der größten Zeichnungssammlungen seiner Zeit. Er verwahrte sie in mehr als 100 kostbar gestalteten Klebebänden. Über die erworbenen Zeichnungen berichtet Erdmannsdorff in einem Brief vom 11. Mai 1771 aus Rom: „Diese bestehen Meistens in Studien von verschiedner Art aus den besten hiesigen Schuhlen, und einige darunter sind unstreitig von Meisterlichen Händen." Mit letzteren dürfte Erdmannsdorff die herausragenden Studien Federico Baroccis (1535 – 1612) gemeint haben. Sie bilden innerhalb der knapp 60 erhaltenen Zeichnungen der menschlichen Figur die größte geschlossene Gruppe. Barocci bereitete seine fast ausschließlich sakralen Bildwerke in einem sorgfältigen, jedes Detail erprobenden zeichnerischen Werkprozess vor. Erdmannsdorffs Erwerb der Zeichnungen war mit dem 1771 erstmals formulierten Plan verknüpft, in Dessau eine Zeichenschule einzurichten. Durch den Zeichenunterricht sollten die Fertigkeiten der heimischen Handwerker und Künstler verbessert werden.Vincenzo Brenna (1741 – nach 1806), Antikisierende Wandgestaltung mit einer Skulptur in einer Rundnische, Gouache, Feder in Schwarz, um 1773/1777, © Foto: Casa di Goethe, RomWie Erdmannsdorff die Früchte seiner in Rom betriebenen Studien und Tätigkeiten im Fürstentum Anhalt-Dessau umsetzte, wird in der vierten Sektion thematisiert. Neben den 1770/1771 in Rom angefertigten Innenraumentwürfen für das im Auftrag von Fürst Franz errichtete Schloss Wörlitz (1769 – 1773), die vor Ort detailgetreu umgesetzt wurden, sind Werke der Chalcographischen Gesellschaft zu Dessau ausgestellt. Dieser Kunstverlag ist 1796 von Fürst Franz auf Betreiben von Erdmannsdorff gegründet worden mit dem Ziel, durch die Herstellung und der Vertrieb anspruchsvoller Druckgraphik die Geschmacksbildung der Zeitgenossen und die Verbesserung der bildenden Künste in Deutschland zu fördern. Durch die internationale Vermarktung war zudem eine Gewinnerzielung geplant. Erdmannsdorff selbst fungierte als künstlerischer Direktor und verantwortete die angeschlossene Landeszeichenschule. Zum Verlagsprogramm gehörten neben der Reproduktion bedeutender Kunstwerke die Herausgabe von Ansichten der Dessau-Wörlitzer Schlösser und Parkbauten sowie von Lehrmitteln für einen stilbildenden Zeichenunterricht. Zu letzteren zählen die zwischen 1797 und 1799 erschienenen „Architectonischen Studien in Rom gezeichnet" und die „Studien für Akademische Zeichner". Einen großen Teil der gezeichneten Vorlagen hat Erdmannsdorff während seiner letzten Reise in den Jahren 1789/1790 in Rom angefertigt.

Mit dem Schwerpunkt auf den Zeichner und Sammler in Rom lenkt die Schau einen Blick auf einen Aspekt, der bislang im Schatten von Erdmanndorffs facettenreichen Wirken stand. Sie ermöglicht nachzuvollziehen, auf welche Weise der Dessauer Architekt in die Rom erworbenen Nachzeichnungen antiker Formenmuster als Mustervorrat anlegte und diese Vorlagen später versiert in seinen eigenen Architekturprojekten und Innenraumgestaltungen verwendete. Die Ausstellung begleitet ein Katalog, in dem alle Ausstellungsexponate in Text und Bild vorgestellt werden. Erdmannsdorffs Romreisen, der Aufbau und die Funktion seiner Lehr- und Studiensammlung wie auch sein reformpädagogisches Wirken in Dessau werden im vorangestellten Essay anschaulich erläutert. Die Ausstellung und der Katalog wurden ermöglicht durch die großzügige Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung, München, und des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt.

Karen Buttler


Sammeln und Zeichnen. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff in Rom /

Collezionare e disegnare. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff a Roma

Eine Ausstellung der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau und der Casa di Goethe
Casa di Goethe, Rom, 24.9. bis 16.11.2014
Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, 6.12.2014 bis 25.1.2015
Der deutsch/italienische Katalog ist im Imhof Verlag erschienen
224 Seiten, 144 Farb- und 48 s/w-Abb., Hardcover
ISBN 978-3-7319-0071-9, € 29,95

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2014

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