Casa di Goethe, Rom: ‘Blicke auf Rom‘: Hochkarätige Neuerwerbungen und Ausstellung

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Leopold Pollak (1806-1880): Johann Christian Reinhart, Bleistift, 1833, Matita, 1833, Nachlass des Deutschen Künstlervereins im Besitz der Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom

Mit einer spektakulären Bereicherung ihrer Sammlung konnte die Casa di Goethe in Rom ins neue Jahr starten. Vier wertvolle Rompanoramen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder angekauft.

Zur hauseigenen Sammlung gehören nun drei der sehr gut erhaltenen Zeichnungen, während das großformatige Panorama von Samuel Bellin von der Ernst von Siemens Kunststiftung erworben und der Casa di Goethe als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde.

Die äußerst seltenen graphischen Blätter aus dem römischen Kunsthandel stammen von Noël-François Bertrand (1784-1852), Philipp Gerhard Stöhr (1793-1856), Samuel Bellin (1799-1893) und Eugène-Louis Lequesne (1815-1887). Miteinander verknüpft und doch verschieden: Gemeinsam ist den Zeichnungen der von der Gegend um die Kirche Trinità de' Monti aufgenommene Blick auf die Stadt. Die unterschiedlichen Blickwinkel und Verdichtungen dokumentieren auf einzigartige Weise urbanistische Veränderungen über einen Zeitraum von mehr als 35 Jahren - man könnte es ein „Google Earth"-Projekt des 19. Jahrhunderts nennen.Samuel Bellin (1799-1893), Rompanorama von der Casa Claudia bei Piazza Trinità de‘ Monti, Bleistift und Kohle auf fünf zusammengesetzten Bögen, 1832, Casa di Goethe, Rom, Leihgabe der Ernst von Siemens KunststiftungDen Höhepunkt bildet zweifellos die große Panoramazeichnung, die der Engländer Samuel Bellin im Jahr 1832 vom Palazzo Zuccari (heute Sitz der Bibliotheca Hertziana) fertigte. Zusammengesetzt ist diese erst vor kurzem wiederentdeckte Graphit-Vorzeichnung aus fünf Bögen. In einem Sehwinkel von rund 180 Grad bietet sie einen Blick vom Turm der Villa Malta bis zur Doppelturmfassade von Trinità de' Monti. Dafür nutzte der Künstler ein neues Verfahren: mit einem viereckigen Rahmen, den er drehbar über einem festen Punkt fixierte, hielt er den im Rahmen erscheinenden Landschaftsausschnitt zeichnerisch fest. Sein Panorama ist daher nicht nur eine bedeutende topographische Aufnahme von höchster Präzision, sondern zugleich eine Inkunabel der Bildgattung des Panoramas, das für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als Vorläufer des Films gilt. Bellin dokumentiert die Stadt in der letzten Phase der päpstlichen Herrschaft, noch vor den urbanistischen Maßnahmen des neuen Königreichs Italien. Der Betrachter erhält so noch einen Eindruck von dem Rom Goethes.

Noël-François Bertrand: Blick von Trinità dei Monti zum Quirinal, 23,5 x 83 cm, 1810, © Casa di Goethe

Von herausragender Qualität ist ebenfalls das 1810 datierte Panorama von dem eher als Kupferstecher, denn als Zeichner derartiger Sujets bekannten Franzosen Noël-François Bertrand. Die Momentaufnahme mit Blick auf den Quirinal und Santa Maria Maggiore hält auf zwei Bögen einen baulichen Zustand fest, der sich nach 1870 rasant verändern sollte - somit ein unschätzbares Dokument.

Eugène-Louis Lequesne, Blick auf Kloster und Kirche S. Trinità dei Monti, 26 x 125 cm, 1846, © Casa di Goethe

Die qualitätvolle Vedute seines Landsmannes Eugene-Louis Lequesne von 1846 widmet sich dem Licht- und Schattenspiel hinter der Kirche Trinità de' Monti und den Gärten der Gegend. Der Künstler, bislang vor allem als Bildhauer bekannt, komponiert sein Panorama raffiniert und mit frei lavierender Pinselarbeit. Sie bietet einen künstlerisch raffinierten Gegensatz zum feinen Mosaik der Grautöne im rechten Bilddrittel.

Philipp Gerhard Stöhr: Via Gregoriana/Piazza Trinità dei Monti, 20 x 26 cm, um 1820, © Casa di Goethe

Die kleinste Zeichnung, eine Skizze des deutschen Malers und Lithographen Philipp Gerhard Stöhr, nimmt nur die Ecke Via Gregoriana / Piazza Trinità dei Monti „ins Visier". Mit dem Blick über die Zwillingskirchen der Piazza del Popolo bis zum Monte Mario ergänzt das Blatt die Rompanoramen um einen „zoomartigen" Ausschnitt.

Die detailgetreuen und durch ihre Präzision bestechenden Blätter sind nicht nur eine wertvolle Bereicherung für die Sammlung der Casa di Goethe, sondern sie können zugleich auch einen Impuls für die Forschung geben, sich mit Rom-Panoramen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch intensiver zu beschäftigen. Außerdem wird das Profil der Museumssammlung in einem Sektor geschärft, der dem Hausherrn Goethe zeitlebens besonders am Herzen lag.

Zu bewundern sind die Panoramen nun zum ersten Mal anlässlich der Ausstellung „Blicke auf Rom", die dem Deutschrömer Johann Christian Reinhart zu seinem 250. Geburtstag gewidmet ist. Auch er hatte - im Auftrag von Ludwig I. - 1829 ein großformatiges Rompanorama geschaffen, das sich heute in der Neuen Pinakothek in München befindet und dessen (Vor-)Zeichnungen sich leider nicht erhalten haben.

Noch bis zum 15. Mai 2011 sind in der Casa di Goethe ausgewählte Blätter des künstlerischen Oeuvres von Reinhart zu sehen, darunter seine „Malerisch radirten Prospekte von Italien" aus der Sammlung der Casa di Goethe sowie Tierdarstellungen, die ihn als genauen Beobachter seiner römischen Umwelt zeigen. Die Accademia Nazionale di San Luca stellte ebenfalls ein bisher unbekanntes Reinhart-Porträt des Spaniers Josè Madrazo y Agudo aus ihren Beständen zur Verfügung.

Johann Christian Reinhart: Subiaco, Radierung, 1794, Aus der Serie Malerisch radirte Prospecte von Italien, Casa di Goethe, RomMit Leihgaben aus Deutschland und Italien, u.a. aus der Bibliotheca Hertziana Rom, werden Einblicke in die Kultur der deutschen Künstlerkolonie im Rom der Goethezeit vermittelt. Dazu gehören Dokumente zu Künstlerfesten, zum Künstlerverein und zwei kürzlich von der Casa di Goethe erworbene Reinhart-Autographen.

Kuratiert wurde die Ausstellung von Dieter Richter, der, wie Johann Christian Reinhart, aus Hof in Bayern stammt und seinem Landsmann die vielgelobte Monographie: Von Hof nach Rom. Johann Christian Reinhart. Ein deutscher Maler in Italien. Eine Biographie (Berlin. Transit, 2010) gewidmet hat.

Dorothee Hock

AsKI KULTUR lebendig 1/2011

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